Dr. Phil. Monika Eichenauer

Scheinheilung und Patientenerschaffung - Die heillose Kultur - Band 3


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reicht dann die Feststellung, dass es Lug und Betrug ist. Die Schuldgefühle, die derjenige entwickelt, der ethisch und moralisch sein Leben sauber führen möchte und trotzdem Unten in Situationen gerät, die Existenz gegen Ehre, Würde und Selbstachtung setzen, wird verkürzend und bequem übergangen. Damit wird das seelische Konfliktpotenzial tot geschwiegen und für untauglich erklärt. Notwendige Entscheidungen in Politik und Wirtschaft müssen somit nicht fokussiert werden und sind somit nicht zu fällen.

      Das Gattungsleben des Menschen ist gekennzeichnet vom Jeder gegen Jeden. Es muss sich, will Natur und Mensch Bestand haben, zum „Jeder für Jeden“ entwickeln, aber nicht auf der bisher gewählten Ebene von Verzichtsleistungen, die einseitig durch Unten zu erbringen sind. Dafür sind jetzt Weichen zu stellen.

      Verglichen mit afrikanischen, südamerikanischen oder anderen armen Ländern, wo es Entwicklungshilfen gibt, die den leidenden Menschen nicht immer (oder sollte da besser stehen: immer nicht?) im Gänze, sondern in kleinen Teilen zu Gute kommen, sind die Europäer tatsächlich noch sehr gut dran. Wir haben, wie man oft als Argument hört, zig öffentliche Toiletten und die Armut wird strukturiert verwaltet, wenn dies auch nicht immer wie angekündigt funktioniert (Harz IV). Aufgrund dieses kulturellen Standards müsste man in Europa oder in reichen Ländern schweigen. Was diese Wettbewerbsideologie jedoch als nächstes auf ihrem Plan hat und welche Gruppe von Menschen die nächste sein wird, deren Leben von der Geldgier eines Wirtschaftszweiges weg gefressen oder einfach aufgelöst und ausgelöscht wird, wissen wir nicht. In Deutschland und anderen europäischen Ländern wird Gesundheit und Heilung für die Wirtschaft geopfert. Das gesetzliche Gesundheitswesen wird dem „Gesundheitsmarkt“ im Wettbewerb und damit der generellen Wirtschaft in Deutschland zur Verfügung gestellt.

      Können Sie sich vorstellen, dass arme Menschen medizinisch gut versorgt werden? Oder können Sie sich vorstellen, dass sich irgendein Mensch vor dem Hintergrund der globalen Auswirkungen auf Ihr persönliches Leben interessiert? Bis vor ein paar Jahren konnte man zumindest noch annehmen, es wäre so. Zum Beispiel, wenn man zu „seinem Arzt um die Ecke“ ging und ihm erzählte, was einem so fehlt. Das wird im Fortgang der Etablierung des Gesundheitsmarktes nicht mehr möglich sein: Weder wird Ihr behandelnder Arzt um die Ecke sein, noch werden Sie von Ihrem Arzt und langfristiger, von ihrem Psychologischen Psychotherapeuten, sprechen können. Und werden Sie dem Arzt, den Sie stattdessen aufsuchen können, dürfen, müssen oder sollen, wirklich vertrauen?

      Wissen Sie so genau, dass er es gut mit Ihnen meint? Mir geht es nicht darum Misstrauen zu schüren, sondern Bedenken anzumelden, um einen Diskurs anzuregen, der dazu führen könnte, neue Weiche stellen zu können, die tatsächlich für das Wohl von Menschen sorgt.

      Die Politiker stehen zwischen den Fronten der zu sozialpolitisch konträren wirtschaftlichen Ziele. Zwischen Zielen und Notwendigkeiten des kapitalistischen Wettbewerbs und den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Bürger, die alles an Kraft und Leben geben, um in dieser Kultur zu überleben, klaffen Welten. Eine grundsätzliche Reflexion der Konsequenzen des globalen kapitalistischen Wettbewerbssystems auf den Menschen findet nicht statt. Werte werden grundsätzlich nicht reflektiert und justiert: Lobbyismus nennt man das. Nichts wird im Kern in Frage gestellt, es sei denn, eine soziale Errungenschaft... Der Wettbewerb wird durch diese Ideologie zur „Natur“ erhoben. Die wahren Bedürfnisse und Notwendigkeiten zum Erhalt von Mensch und Natur werden für ihn geopfert, sie werden unnatürlich. Frieden, Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Essen, Trinken, Heilung, Wohlstand für alle Menschen – all das bekommt den Stempel unnatürlich. Ohne vernünftige, selbstkritische Reflexion und eine grundsätzliche Umkehr der Werte sowie das eindeutige Eintreten für den Menschen, wird alles so bleiben, wie es ist bzw. sich drastisch weiter verschlechtern.

      Der Selbst- und Lebenswert muss auf den Thron, Mehrwert und Kapitalvermehrung als primäres und einziges Ziel wirtschaftlichen Handelns ist out. Das Wettbewerbssystem in der Globalisierung hat sich als unfähig erwiesen, dem menschlichen Wesen im Hinblick auf die Menschheitsgeschichte global gerecht zu werden. Erwirtschafteter Mehrwert muss auch für das Gattungsleben zur Verfügung gestellt werden. Die Wirtschaft hat dem Menschen zu dienen und nicht der Mensch der Wirtschaft, denn Wirtschaft ist ein Mittel für das Leben, nicht der Mensch das Mittel für ein florierendes Wirtschaftsleben. Der Mensch wurde unter den Leitlinien des Kapitalismus entmenschlicht und toten Gegenständen stattdessen Leben eingehaucht. Verantwortung wird von den dieses System verwirklichenden Menschen, den Verantwortlichen, zurückgewiesen: Naturkatastrophen werden in Postulaten wie, sie seien undemokratisch, wie Staatssekretär Müller die Prognosen für Naturkatastrophen kommentierte, personifiziert. Selten ist zu hören, dass Menschen und Leben generell durch diese klimatischen Veränderungen bedroht sind. Und es sind oftmals die Menschen, die ohnehin nicht über ausreichende Mittel verfügen, um sich schützen können. Aktuell wären die Naturkatastrophen in China und Birma zu nennen, die den Menschen dort Existenz und Leben nehmen.

      Wie, um auf die Aussage von Staatssekretär Müller zurückzukommen, demokratisch es ist, wenn drei von vier Kindern unter Hartz-IV-Verhältnissen aufwachsen müssen, wie der Präsident der Psychotherapeutenkammer in Bremen Karl Heinz Schrömgens anlässlich des 12. Deutschen Psychotherapeutenjahres in Bremen am 31. Mai 2008 im Zusammenhang mit dramatischen Versorgungsproblemen der Psychotherapie in Bremerhafen berichtete, muss jetzt hier nicht diskutiert werden: Langfristige Folgen werden jedem Menschen klar sein. (Bühring, Petra & Gerst, Thomas: „Von der Ruhe nicht täuschen lassen.“ In: Deutsches Ärzteblatt, Juni 2008, S. 247).

      Psychologische Psychotherapeuten müssen in ihren Praxen bzw. ihrer täglichen Arbeit mehr und mehr Aufgaben von Sozialarbeitern übernehmen. Dies aber nicht nur wegen der Auswirkungen von Harz IV und deren schwierig zu durchschauenden Gesetzestexten, sondern auch bezüglich anderer sozialer Inhalte und Folgen, wie sie sich aus dem normalen, täglichen Leben bei Menschen ergeben! Ist diese psychosoziale oder psychoökonomische Situation vieler Menschen in Deutschland dann als Menschenkatastrophe zu bezeichnen, die demokratisch und damit normal und natürlich ist?

      Schließlich heißt es doch in Deutschland immer wieder und aller Orts, dafür gäbe es keine Verantwortlichen. Wenn kein Mensch für diese Verhältnisse verantwortlich zeichnet, dann müssen diese gesellschaftlichen Probleme Natur, natürlich, gewollt wie zwangsläufig sein. Zur Not gibt es als Begründung ja dann auch noch wissenschaftliche Erklärungen, Genetikfaktoren oder Intelligenzmessungen, die dafür sorgen, dass die einen Oben und die anderen Unten sitzen!

      Also, so könnte man schlussendlich sagen, ist Natur allerorts die Erklärung, weshalb die nicht mit Kapital ausgestatten Menschen von Natur und Kultur undemokratisch immer und immer wieder getroffen werden, ohne das auch nur ein Mensch einen Finger gerührt hätte, der diese sozialpolitischen und psychoökonomischen Verhältnisse Unten mit zu verantworten hätte!

      Wo bleibt oder ist die Demokratie? Die Demokratie scheint es nach über 60 Jahren ihres Wirkens bewerkstelligt zu haben, Gesetze zu schleifen, die in ihrer gegenseitigen Aufeinanderbezogenheit oder besser, aufgrund fehlender gegenseitiger Aufeinanderbezogenheit, immer wieder zum gleichen Ergebnissen führt: Es trifft diejenigen, die sowieso nichts haben.

      Fassen wir zusammen: Die Natur hat Charakter. Sie wird in der Personifizierung als undemokratisch bezeichnet, weil sie die Armen trifft. Die Kultur ist natürlich, weil kein Mensch menschliche Anliegen verfeinert, weil es Natur ist, das die einen Oben und die anderen gesellschaftlich und damit menschlich Unten sind. Wenn es keinen Menschen gibt, der Verantwortung trägt, muss Kultur gleich Natur sein und ihren Gesetzen folgen! Das Recht des Stärkeren oder des Reicheren beherrscht dann die Kultur, sprich die grundsätzliche Haltung in einer Gemeinschaft oder Gesellschaft, wie Menschen sich begegnen, sehen, begreifen und einander behandeln.

      Sollte aber doch jemand Verantwortung getragen haben, so müsste man sagen: Kultur ist unnatürlich, weil sie die Anliegen von Menschen nicht als ihre Aufgabe aufnimmt und nicht demokratisch für das Wohl aller sorgt! Denn oftmals wurden Wahlversprechen gegeben, die sich nach der Wahl realiter in der Umsetzung als das Gegenteil von dem entpuppten, wofür die Bürger gewählt hatten. So ein Verhalten ist allerdings wiederum