Magnus Drechshage

Auf Umwegen...


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schwatzen und krächzen, als wollten sie mir etwas sagen, mich rufen. Ich meine in ihren Gesichtern etwas Forderndes zu erkennen. Doch begreife, verstehe ich sie nicht. Es erzürnt sie, fangen an fürchterlich zu schreien und entschwinden in die eisige Dunkelheit.

      Kapitel 6: Back in Darwin

      Blinzelnd schlage ich die Augen auf. Die Sonne erhellt die weiße Landschaft hinter der Scheibe. Blauer Himmel, wie schön! Aber mein Kopf fühlt sich schwer an. Mir ist schwindelig und meine Knie zittern leicht, da ich mich vom Stuhl erheben will, um in die Küche zu gehen. Im Fenster spiegelt sich mein Gesicht und die Tastatur hat ein interessantes Muster auf der linken Wange hinterlassen. Hab ich tatsächlich die Nacht in dieser unbequemen Position geschlafen? Nicht gut. Gar nicht gut. So einen Start in den Tag kann ich wirklich nicht gebrauchen! Ich muss fit sein. Mein Hirn muss vollkommen und völlig ausgeruht sein. Ich brauch jetzt ein anregendes Frühstück und wir wissen, wo ich das finden werde. Also schnell unter die Dusche und dann ab zum Stamm-Café. Um wieder in die richtige Spur zu kommen. Bitte, lest etwas im Tagebuch bis ich wieder bei mir bin.

       Tag 25 02 Dez./11

       Soo…es ist Freitag und bin jetzt wieder in Darwin! Muss erst mal richtig begreifen, dass ich drei Wochen in Katherine war und ebenso lang auf der RAAF Base gearbeitet hatte…echt cool, dass ich so erste Erfahrungen auf dem roten Kontinent machen konnte! Und nette Menschen kennen lernen durfte wie Alex, Jody und Peter und natürlich Amelie, die morgen nach Bali fliegt, für eine Woche, um ihren Freund zu treffen…

       Zum Abschied gab es Pizza! Wurde spendiert und das fand ich echt nett…war sehr lecker! Wirklich ein super erster Job! Und auch schöne drei Wochen in Katherine! Jetzt hier in Darwin merke ich, dass ich unbedingt weiter muss…wieder was Neues erleben…spätestens nächste Woche will ich weiterreisen…

       Eigentlich hat mir die Zeit im Zelt ganz gut gefallen…aber man braucht schon ein Auto, allein um seine Sachen sicher zu verstauen…

       Schön, dass ich ein bisschen Geld habe…so kann ich in Ruhe nach etwas Neuem suchen…schon krass, dass ich jetzt 25 Tage in Australien bin!

       Tag 26 03 Dez./11

       War soeben im Reisebüro und habe einen Flug nach Adelaide gebucht…fliege am Donnerstag mitten in der Nacht und werde dort am frühen Morgen landen! Habe 320 Dollar bezahlt und freue mich schon auf die neue Erfahrung…vom Norden in den Süden…wäre ja lieber mit dem Zug oder so gefahren, aber zu teuer…in Süd-Australien beginnt der Sommer und es gibt viel zu ernten! Muss dann schnell wieder Geld verdienen…damit ich mir bald ein Auto kaufen kann…das wäre cool!

       Wow!!! Sitze gerade in der Cullen Bay und warte auf den Sonnenuntergang…was für eine schöne Sonne! Aber das schönste: zwei Delfine sind nur ein paar Meter vom Strand aufgetaucht und haben geschnorchelt…wunderbar…was ein schöner Augenblick!

       Hab gerade mit Katharina telefoniert…über eine Stunde…wie die Zeit vergangen ist! Und es war schön! War schön ihre Stimme zu hören und Neuigkeiten aus der alten Welt…

       Ja…die Katharina…eine andere Zeit…eine andere Welt…wir gäben ein gutes Paar ab…aber das soll wohl nicht sein…

      Ich lese selbst gerade diese letzten Zeilen von Malcolm und werde nachdenklich. Bin längst in meinem Stamm-Café angekommen und hab mich an einen kleinen Tisch in der hinteren Ecke gesetzt. Die Idee war, dass ich hier ungestört weiter am Buch arbeiten könnte. Etwas im Tagebuch und Blog stöbern und selbst auf einem Block komponieren. Doch Melancholie überwältigt mich und krebst sich in jede Gehirnwindung.

      Muss den letzten Satz nochmal lesen: „Ja…die Katharina…eine andere Zeit…eine andere Welt…wir gäben ein gutes Paar ab…aber das soll wohl nicht sein…“.

      Es arbeitet in mir. Es wirkt. Es stört. Hier in der Ecke kann ich alle anderen Tische und Gäste beobachten. Dort drüben, gleich neben der Tür sitzt ein alter Mann. Dünn wie ein Faden, gebrechlich, drei graue Haare auf dem Kopf und tiefe Falten zieren die eingefallenen Wangen. Er sieht einsam aus, einfach so. Gab es eine Katharina in seinem Leben? In einer anderen Zeit? In einer anderen Welt?

      Gleich am Nebentisch kreischt der Kontrast bunt in meine wässrigen Augen. Ein junges Paar, bestimmt noch schulpflichtig, teilen sich eine große Tasse Cappuccino und schmunzeln sich beim nippen am nebensächlichen Getränk verliebt zu.

      „…aber das soll wohl nicht sein…“.

      Wieso? Wieso soll es nicht sein? Weil er, Malcolm, auf die andere Seite der Welt reiste? Onegin…?

      Ich komme nicht mehr aus dem Grübeln heraus. Lieber Leser, entschuldigt mich für einen Moment. Die Geschichte des jungen Mannes aber, die geht weiter.

       Diese Hummeln…

      Bin also wieder in Darwin…nach drei Wochen Katherine und ersten tollen und wichtigen Erfahrungen in und über Australien und dessen Bewohner. Hab jetzt etwas Geld verdienen können und das Leben kann weiter gehen…nur in welche Richtung zeigt die Kompassnadel? Hab den Weg für eine kurze Zeit aus den Augen verloren…was soll ich als nächstes machen?

      Hier in Darwin gibt es noch viele Jobs…mindestens für eine Woche müssen noch Mangos geerntet und verpackt werden…habe von andere Backpackern gehört, dass am Hafen jeder einen Job bekommt, der dort aufkreuzt…unverbindlich und gut bezahlt…wäre also kein Problem weitere Wochen in Darwin zu verbringen und das Konto weiter mit Geld zu füllen…

      Nur sprechen zwei Dinge dagegen…

      Erstens: jeden Nachmittag dieser Regen…dieser Regen und dieser Sturm während des Regens…dieser Regen, dieser Sturm und die Nässe nach dem Regen…ihr versteht? Ja genau…Regen! Und ich bin nicht nach Australien gekommen, dem angeblich trockensten Kontinent, um mich sturmgepeitscht nass regnen zu lassen…

      Jetzt wird der spitzfindige Leser sagen: aber das hätte dir doch vorher klar seien müssen…jetzt beginnt nun mal die Regenzeit im tropischen Norden…

      Ja ja…diese Denkweise habe ich aus meinem Leben gestrichen…schaue nach vorne!

      Doch könnte ich mit den Güssen sogar noch zurechtkommen…denn es gefällt mir sehr gut hier im Northern Territory…diese Weite, diese Menschenleere, ja…das mag ich…und diese wunderschönen und für mich exotischen Tiere, diese unfassbare Landschaftsarchitektur…wer könnte sich dieses Relief jäh erträumen, hätte er es nicht gesehen…

      Aber Zweitens: diese Hummeln…diese Hummeln im Hintern, die nicht dort bleiben, sondern ins Öhrchen flüstern: es ist Zeit…eine innere Unruhe wird sich deiner wieder bemächtigen…du musst weiter! Neues sehen und neue Erfahrungen machen…

      Und ich habe nicht die Kraft diesen süßen, aber doch so bestimmenden Hummeln, eine überzeugende Opposition zu bieten …

      So ging ich nun durch die Straßen von Darwin…getrieben von diesen Hummeln…und überlegte wie es weiter gehen sollte…vielleicht mit dem Zug…das wäre doch mal eine entspannte und doch interessante Weise das Land zu bereisen…doch sind kurzfristig alle günstigen Plätze vergeben…dann mit dem Bus! Au…der kostet aber ganz schön viel…und ist Tagelang unterwegs…nein…für einen schnellen Ortswechsel nicht unbedingt die erste Wahl…da fiel mein Blick auf eine Anzeigentafel im Schaufenster eines Reisebüros: Flug Darwin – Adelaide für 300 Dollar!

      Alles klar…next Stop ist also Adelaide…hab mir das Ticket gekauft und fliege in der Nacht zum Donnerstag (08.12.) nach Adelaide! Passend zum Start des Sommers lande ich also in der angeblich trockensten Stadt im trockensten Staat des trockensten Landes des trockensten Kontinents der Welt! JUHU…Arbeit soll es da auch geben…die Obsternte beginnt im Dezember…mal sehen wo ich lande…

      Regen Ade(laide)…und diese Hummeln dürften auch erst mal ein Schläfchen machen…bis sie wieder munter werden…wer weiß, wann das ist…

       Tag 27