uns Fußball spielen“, schlug Otto vor.
„Mit einem Mädchen spiele ich kein Fußball“, entgegnete Andi.
Zack! In diesem Moment hatte Otto mit ihrer Faust Andi einen kräftigen Hieb auf den Oberarm versetzt. Genau auf den Muskel, wo es am meisten weh tut. Andi zuckte vor Schmerz zusammen. Er wusste, dass er dort einen großen blauen Fleck bekommen würde. Wenn Otto ein Junge gewesen wäre, dann hätte er sie jetzt verprügelt. Aber ein Mädchen durfte man nicht schlagen. Das wusste er. Ungerecht empfand er nur, dass das Mädchen ihn ungestraft schlagen durfte. Er fasste daher den Fausthieb als Herausforderung auf, mit ihr Fußball zu spielen.
„Okay. Wie du willst“, sagte er. „Wir brauchen einen Ball. Wer holt einen?“
„Ich, ich wohne am nächsten“, antwortete Karl und flitzte mit seinem Fahrrad davon.
Fünf Minuten später tauchte er mit einem schönen Lederfußball auf.
Inzwischen hatten sich die drei anderen vorbereitet. Andi sollte mit Ferdi gegen Otto und Karl spielen. Ferdi protestierte, da er nicht Fußball spielen konnte. Der Bolzplatz war klein und entsprechend klein waren die Tore. Andi stellte Ferdi in eines von den beiden. Da Ferdi so dick war, füllte er das gesamte Tor aus. Das Spiel begann. Andi hatte sich in Otto getäuscht. Sie konnte zwar nicht so hart schießen wie er, aber dafür gut dribbeln. Ohne Anstrengung trickste sie ihn mehrfach aus. Karl war wieselflink und umspielte Andi problemlos. Von Ferdi konnte Andi keine Hilfe erwarten. Er stand während des gesamten Spieles im Tor. Dort verhinderte er immerhin durch seine bloße Anwesenheit mehrere Treffer.
Otto und Karl gelang es oftmals, Ferdi den Ball zwischen den Beinen hindurchzuspielen oder den Ball ins Eck zu platzieren, bevor Ferdi die geringste Bewegung machen konnte. Das andere Tor war hingegen unbewacht, da Otto und Karl gleichzeitig angriffen. Andi konnte zwar mit kraftvollen Schüssen aus der Distanz einige Male das gegnerische Tor treffen, jedoch damit vermochte er die drohende Niederlage nicht abzuwenden. Andi war zornig, schluckte aber seine Wut hinunter und ließ sich nichts anmerken. Er gratulierte seinen Gegnern zum Sieg. Ferdi störte es nicht, dass sie haushoch verloren hatten. Im Gegenteil war er froh, dass das Spiel dadurch schnell ein Ende fand.
Es war Mittagszeit geworden und Ferdi verspürte großen Hunger. Die vier verabredeten, sich nach dem Mittagessen wieder am Bolzplatz zu treffen, diesmal ohne Ball.
2. Das erste Abenteuer
Als Andi und Ferdi an den kleinen Fußballplatz zurückkehrten, waren Otto und Karl noch nicht da. Die beiden Jungen setzten sich ins Gras und schwiegen. Andi war wütend und enttäuscht. Heute sollte sein besonderer Tag werden. Er wollte Ferdi stolz die Siedlung zeigen und ihm damit imponieren. Stattdessen wurde er zuerst von einer halben Portion zu Boden geworfen und anschließend von einem Mädchen im Fußball besiegt. Immerhin war Andi froh, dass er zumindest zwei weitere Kinder gefunden hatte, die ebenfalls nicht verreist waren. Er freute sich darauf, dass er mit den beiden etwas unternehmen konnte, auch wenn das eine davon nur ein Mädchen war. Ferdi war ebenso enttäuscht. Innerhalb eines halben Tages hatte er alles gesehen, was seine neue Ferienumgebung zu bieten hatte und das war kaum interessant für ihn. Ihm bot sich die Aussicht auf langweilige Sommerferien.
Zehn Minuten später kamen Otto und Karl fast gleichzeitig.
„Was guckt ihr so traurig? Trauert ihr dem verlorenen Fußballspiel nach?“, platzte Otto heraus.
„Nein, das ist es nicht“, meldete sich Ferdi zu Wort. „Ich habe heute Vormittag die ganze Siedlung gesehen. Hier ist nichts los. Hier kann man nichts machen, außer sich im Fußballtor zusammenschießen lassen. So habe ich mir meine Sommerferien nicht vorgestellt. Hier ist es noch langweiliger als bei mir zu Hause.“
„Das stimmt nicht. Du solltest mal erleben, was hier los ist, wenn keiner verreist ist“, erwiderte Karl.
„Das mag ja sein, aber ich bin in den Ferien hier. Ich möchte jetzt etwas erleben“, antwortete Ferdi genervt.
Otto machte ein geheimnisvolles Gesicht und sprach mit gedämpfter Stimme: „Eine Sache gibt es noch, die du nicht kennst. Dort ist es wirklich sehr spannend.“
Andi wusste sofort, was Otto meinte und unterbrach sie empört: „Hör auf, sei still! Das kommt nicht in Frage. Dort gehen wir auf keinen Fall hin. Du weißt doch, dass das verboten ist.“
Jetzt war Ferdi hellwach. Bisher hatte er sich zurückhaltend und passiv verhalten, aber nun war seine Neugier geweckt. Wenn Ferdi eines hasste, dann war es, dass anderen etwas wussten, was er selbst nicht kannte. Er bohrte nach und fragte, was Otto gemeint hatte. Andi war überzeugt, dass der geheime Ort Ferdi mehr als interessieren würde und dass er ihn damit schwer beeindrucken könnte. Ebenso kannte er das strikte Verbot und hatte Angst vor der Strafe, falls sie dort erwischt werden. Daher sagte er zunächst nichts. Er unterschätzte jedoch Ferdis Hartnäckigkeit. Ferdi brauchte zwar eine gewisse Zeit, um in Gang zu kommen, aber wenn er in Schwung war, dann konnte ihn nichts bremsen.
Als Ferdi ihn immer stärker bedrängte, gab er nach und sprach: „Also gut, aber du musst versprechen, dass du niemandem davon erzählst.“
„Klar, selbstverständlich. Ich sage kein Sterbenswörtchen“, bestätigte Ferdi.
Andi schwieg zunächst und wartete, bis alle gespannt zuhörten.
Dann begann er leise: „Hier in der Nähe befindet sich einen Schrottplatz, auf dem alte Autos ausgeschlachtet und anschließend gepresst werden. Dort gibt es viele ungewöhnliche und spannende Dinge. Es ist jedoch bei Strafe verboten, den Platz zu betreten. Außerdem ist es dort gefährlich. Daher werden wir nicht dorthin gehen.“
Das war ein Volltreffer. Ferdi war augenblicklich davon begeistert und wollte unbedingt an den Ort, an dem es so viele technische und interessante Sachen zu sehen gab. Voller Erwartung hüpfte er wie ein Gummiball von einem Bein auf das andere.
„Heute ist Samstag. Da wird dort nicht gearbeitet. Keiner ist da, der uns entdecken könnte“, bemerkte Karl.
Nun gab es kein Halten mehr. Ferdi bekniete Andi so lange, bis er endlich einlenkte. Andi fragte Otto und Karl, ob sie mitkommen wollten. Die beiden waren sofort einverstanden.
Andi ermahnte eindringlich die drei: „Aber damit es von vorneherein allen klar ist, kein Wort zu niemandem, sonst bekommen wir echten Ärger. Als ich das letzte Mal dort erwischt worden bin, wurde ich von der Polizei nach Hause gebracht. Meine Eltern mussten Strafe an den Besitzer vom Schrottplatz zahlen und ich bekam drei Wochen Hausarrest mit Fernsehverbot.“
Die vier schworen sich gegenseitig, nichts zu sagen.
Alle Kinder aus der Siedlung kannten den Schrottplatz und sie waren mindestens einmal dort gewesen, obwohl sie wussten, dass es verboten war, ihn zu betreten. Trotzdem zog es sie immer wieder dorthin. Ihren Eltern war bewusst, welche magische Anziehungskraft dieser Ort auf ihre Sprösslinge ausübte. Daher achteten sie besonders streng auf die Einhaltung des Verbotes. Der Besitzer verstand keinerlei Spaß und zeigte jeden bei der Polizei an, den er ertappte. Das bedeutete zusätzlichen Ärger. Aus diesem Grunde war besondere Vorsicht geboten, wenn sie sich über das Verbot hinwegsetzen wollten.
Die vier Kinder fuhren los. Ihr Weg führte sie aus der Siedlung heraus. Sie mussten kräftig in die Pedale treten, da die Straße zum Schrottplatz leicht anstieg. Zusätzlich brachte die Nachmittagshitze die vier ins Schwitzen. Ferdi schnaufte wie eine alte Lokomotive, als er sich mit dem Fahrrad die Steigung hinaufkämpfte. Die Aussicht auf den interessanten Ort beflügelte ihn jedoch und ließ ihn seine Anstrengungen nicht spüren. Nach einer Viertelstunde erreichten sie den Schrottplatz. Er war von einem hohen Bretterzaun umgeben. Zur Straße hatte er eine Einfahrt mit einem großen Gittertor davor. An dem Tor hing ein Schild mit der Aufschrift: „Unbefugten Betreten verboten. Eltern haften für ihre Kinder.“ Ein einsamer, angeketteter Hund bewachte die Zufahrt. Sonst war niemand zu sehen.
„Hier geht es für uns nicht rein, wegen des Wachhundes“, stellte Andi fest.
Er fuhr mit den anderen zu einem Feldweg, der seitlich am Schrottplatz von der Straße abzweigte. Der Weg führte entlang des Bretterzaunes.