Ed Belser

Die Frauen von Schloss Blackhill


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entlang, Sir!“ Er zeigte ihm sein neues Heim. „Hier ist der Salon. Es wird noch eingeheizt, bis Sie zurück sind.“

      William versuchte sein Erstaunen zu verbergen.

      Der Butler entfernte einige Tücher von den Stühlen und faltete sie zusammen. „Und hier ist das Schlafzimmer.“ Ein riesiges Bett mit vier massiven gedrechselten Säulen beherrschte den Raum. Auf einem Sofa war eine Reihe von Uniformteilen bereitgestellt. Der Butler bat William, sich umzuziehen und ließ ihn allein.

      William schluckte zweimal leer. Der Butler hatte ihn tatsächlich Sir genannt!

      Gerne legte er seine bäuerliche Kleidung ab, und bald stand er da mit neuem Kilt, Kittel und Lederzeug, neue Stiefel inbegriffen. Er schritt nochmals die Räume ab. Er war bereit für das Treffen mit MacLennoch.

      Unten wartete Rod auf ihn, ebenfalls neu eingekleidet; es standen zwei Pferde bereit und einige Soldaten der Leibgarde des Clan-Chiefs. Unter ihrer Führung ritten sie los, durchquerten schöne Gärten und kamen auf eine breite, schnurgerade Straße, an deren Ende Schloss Summerset lag. William staunte über diese für ihn neue Welt, doch nahm er sich vor, alles für selbstverständlich anzusehen und sein Erstaunen zu verbergen. Er war schließlich der designierte Clan-Piper.

      Je näher sie zum Schloss kamen, desto imposanter erschien es, und als sie durch das breite Tor der Schlossmauer ritten, waren beide überwältigt. So riesig hatten sie sich das aus der Ferne nicht vorgestellt: Helle, fast weiße Gebäude mit breiten, mehrstöckigen Fronten unter schweren Giebeldächern, mit vielen Abstufungen auf verschiedenen Ebenen, die Balkone und Terrassen bildeten. Dazwischen Gartenanlagen mit üppigen Büschen und grün schimmernden Teichen.

      Sie ritten an der alten Burg vorbei und überblickten den zugeschütteten Burggraben, dahinter dunkles, überwuchertes Gemäuer, eingefasst von wuchtigen Ecktürmen. Auf der gestuften Zinne wehte eine Fahne. Soldaten, Pferde, Kutschen und Fuhrwerke waren unterwegs, es gab ein emsiges Hin und Her. William hatte noch nie so viele und so große Fahrzeuge gesehen.

      Sie hielten ihre Pferde unter einem riesigen Vordach an, das den Haupteingang des größten Gebäudes überragte, und stiegen ab. Die sie begleitenden Soldaten meldeten ihre Ankunft den Wachposten, worauf ein Offizier erschien, die Sache in Augenschein nahm, Listen konsultierte und dann endlich die Besucher in die Empfangshalle führen ließ.

      9

      Alan MacLennoch hatte sein Reich wohl geordnet. Seine nächsten Verwandten hatten die wichtigsten Ämter inne, waren als Chieftains Herrscher in ihren Gebieten, besaßen Ländereien, die sie ihren Verwandten zur Pacht überließen, die sie wiederum weiter verpachteten, bis hinunter zum letzten Bauern und zum kleinsten Acker. Alan saß auf Schloss Summerset, das von Lady Charlotte sorglich gepflegt wurde, wenn sie nicht mit der Ausbildung ihrer beiden gemeinsamen Töchter beschäftigt war.

      Alles war wohlgeregelt, bis auf zwei Ausnahmen: Alan hatte keine männlichen Nachkommen und es bisher unterlassen, einen Stellvertreter und Nachfolger zu bestimmen. Das war das eine, und das andere war der Clan der MacAreaghs im Norden. MacLennoch nannte sie die nordischen Barbaren.

      Der Grenzverlauf zwischen den beiden Clans verlief einmal so, einmal anders — je nachdem, wer das Grenzland, gar über eine zufällige Rinderherde hinaus, dem eigenen zugeschlagen und das Vieh gleich mitgenommen hatte.

      MacAreagh und MacLennoch hatten es längst aufgegeben, darüber zu verhandeln, denn wenn der eine mit einer vertrockneten Schafshaut mit ein paar vergilbten Strichen und Buchstaben darauf seine Ansprüche geltend machte, kam der andere sicher ein paar Tage später mit einer noch älteren Schafshaut und versuchte, seine Grenzen zu ziehen.

      So waren sie stets im Streit auseinandergegangen, keiner war versöhnlich und jeder pochte auf seine Rechte, die dann galten, wenn er sie durchsetzen konnte.

      Scharmützel waren an der Tagesordnung. Eines davon hatte MacAreaghs Sohn das Leben gekostet. Zwar galten Menschenleben nicht viel, man starb im gleichen Ausmaß an Händeln wie an Krankheit, und für Nachwuchs wurde stets gesorgt, aber MacAreagh den Sohn zu nehmen, das war mehr als ein Unglück, das war ein Affront, das war die Grundlage einer Fehde, die ohne Weiteres Generationen überdauern konnte. MacLennoch war für MacAreagh der Mann, der ihm seinen einzigen Spross und Nachfolger genommen hatte. Er würde nicht ruhen, bis sein Tod gerächt war.

      Lady Charlotte war glücklich mit ihren zwei Töchtern, und die Leidenschaft, die sie mit ihrem Mann verband, war eine besondere. Sie sammelten alles, was in der Vergangenheit oder in der Gegenwart von Bedeutung war, deren Hersteller einen Namen hatten, oder das kunstvoll, selten oder speziell war: Möbel, Gemälde, Porzellan, Gold, Silber, Skulpturen, Miniaturen, Instrumente, Waffen ... Die besten Schreiner wurden mit der Anfertigung von Möbeln, auch in französischem Stil, beauftragt, renommierte Maler fertigten Porträts und Landschaftsbilder, und so sah das große Haus aus wie ein prall gefülltes Museum. Im Salon, in dem Charlotte und Alan Tee tranken, befand sich eine kleine Auswahl ihrer Kostbarkeiten, beginnend beim Teetisch mit Einlegearbeiten aus Elfenbein, auf dem sich Porzellan aus China befand. Das Porzellan war so dünn, dass man der Tasse von außen ansah, wie viel Tee noch darin war. Die Stühle waren seidenbezogen. Die Gobelins an der Wand hatten ihren Ursprung in Frankreich, und man konnte auf ihnen die eine oder andere Jagdszene entdecken.

      Charlotte fragte: „Wie geht es John mit seinem Arm? Kann er bald wieder spielen?“

      Alan starrte sie an. „Charlotte, wir hatten ein Scharmützel mit MacAreagh. John hat seinen Arm verloren! Glaubst du, den näht ihm einer wieder an? Ich schaue mir jetzt an, wen John als Clan-Piper vorschlägt.“

      Er nahm noch einen Schluck Tee, um nicht abrupt aufzustehen, und stellte die Tasse wieder auf den Tisch. „Entschuldige mich, Charlotte.“

      Der Diener zog seinen Stuhl zurück und öffnete ihm die Tür.

      William wartete in einem Raum, von dem er annahm, dass es das Arbeitszimmer von MacLennoch war. An der Tür stand der Diener, der ihm vorher Tee serviert hatte. William dachte an Mary, und was sie wohl sagen würde, wenn sie ihn hier sitzen sähe, in schöner Kleidung bei Tee und Kuchen. In den verglasten Türen einer Bibliothek, die die ganze Querseite des Raumes einnahm, sah er sein Spiegelbild. Einen Moment sehnte er sich in seine vertraute Umgebung zurück.

      Der Diener hatte gehört, dass MacLennoch sich näherte, und die Doppeltüre weit geöffnet. Alan MacLennoch betrat den Raum. William erhob sich. Er hatte einen viel älteren Clan-Chief erwartet. Alan war ungefähr so groß wie er, breitschultrig und hatte einen wachsamen, offenen Blick aus stahlgrauen Augen, die William von Kopf bis Fuß zu erfassen schienen. Er strahlte die Dominanz des Mächtigen aus, ohne arrogant zu wirken. Sein Gesicht war glatt rasiert, seine dunkelbraunen, schulterlangen Haare trug er hinter die Ohren gekämmt. Seine schwarze Jacke war aus feinstem Stoff.

      „Willkommen auf Schloss Summerset! Setzen wir uns.“

      Er forderte William auf, von sich zu erzählen. Alan hatte die Ellbogen auf dem Tisch, die Fingerspitzen zusammengestellt. Seine Zeigefinger klopften leicht gegeneinander. Seine Hände wirkten kräftig, doch man sah ihnen an, dass die Kraft nicht von körperlicher Arbeit herrührte. Die Haut war fein und sauber.

      William berichtete ihm von Blair Mhor, dass er einen zusätzlichen Hof pachten konnte und das Haus darauf erstanden habe. Alan stellte einige Fragen, doch William fühlte bald, dass ihn die Antworten nicht wirklich interessierten und es nur darum ging, zu sehen, wie er sich ausdrückte.

      „John Fraser schlägt dich also vor, seine Stellvertretung zu übernehmen, bis sein Sohn alt genug ist, sein Erbe anzutreten. Du wirst also nur vorübergehend hier sein. Bist du dir dessen bewusst?“

      William bejahte.

      „Wenn du dich bewährst, wird für dich gesorgt sein, auch nachher. Sollten wir uns nicht verstehen, was ich nicht glaube, gehst du wieder zurück in dein Dorf.“

      William nickte.

      „Meine Umgebung wird dich jedoch als offiziellen Clan-Piper wahrnehmen, und ich will, dass du dich