Ed Belser

Die Frauen von Schloss Blackhill


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Pause hinein fragte Osgar: „Und? Was schlägst du vor?“

      Ramsay ballte die Faust. „Wir müssen MacLennoch beschäftigt halten. Die Engländer werden ihn nicht ernst nehmen, wenn er sich dauernd mit uns herumschlagen muss. Wir greifen überall an, wo wir seine Leute finden, wir überfallen sie, wir nehmen ihr Vieh und ihre Pferde, wir brennen ihre Häuser ab.“

      Zustimmendes Gemurmel ertönte. „Ja, Ramsay, lasst uns die Hunde aushungern und niederschlagen!“

      Ramsay spürte Aufwind. „Und dann treiben wir ihr Vieh in den Süden und verkaufen es! Wir nutzen ihre Straßen für uns!“

      Die Zustimmung war sofort spürbar. Jeder schien sich schon seinen Anteil auszurechnen.

      Der schmale Osgar saß da in seiner prunkvollen Uniform, mit farbenprächtigem Kilt und reich verziertem Jackett. Er beobachtete die Männer und machte sich dabei seine Gedanken. Er sah, wie John Dougal vor sich auf den Tisch starrte. Ihm hatte er freie Hand gelassen, nicht nur weil er der Erste gewesen war, der wie er einen separaten Kilt trug, er war auch vor allem beeindruckt von dessen starker Reitergruppe und den agilen, gut gedrillten Mannschaften, wie er alle im Kilt, und alle mit den gleichen Jacken, wie er eine trug, unterschieden nur durch Abzeichen ihrer Rangordnung. Ihre Umhänge und alles, was ein Soldat braucht, trugen sie in einem Ranzen auf dem Rücken. Chieftain Dougal war der Stachel im Fleisch der anderen; sie konnten ihn nicht kritisieren, weil sie wussten, dass er ihn gefördert hatte. Und weil Dougal noch jung war, sah er ihn nicht als Konkurrenten auf seine eigene Position.

      „Bist du anderer Meinung?“, fragte er ihn. Er musste laut sprechen, damit man ihn zur Kenntnis nahm.

      Dougal nickte ihm kurz zu und erhob sich. Seine Stimme wirkte leicht unsicher. „Natürlich hat Ramsay recht. Wir müssen MacLennoch auf Trab halten. Aber ich meine, mit dem werden wir schon fertig.“ Doch dann fasste er sich rasch, erhob sich und nahm seine Mütze ab. Erst jetzt sah man, dass er viel jünger war, als die anderen Chieftains. Er ging zum Stuhl von MacAreagh und stellte sich neben ihn. MacAreagh musste zu ihm hochblicken, und genau das hatte Dougal beabsichtigt. Dann sagte er laut und mit festem Ton: „Männer! Unsere Bedrohung sind die Engländer, nicht MacLennoch! Wer steht unserer Freiheit im Wege? Die Engländer!“ Er bewegte sich auf den Tisch zu, bis er hinter Ramsay stand, schaute auf ihn hinunter und erhob wieder seine helle, etwas schneidende Stimme. „Wenn wir die Engländer besiegen wollen, müssen wir unseren Kampfstil anpassen. Wir brauchen geübte Säbelfechter, wir brauchen Gewehre und Bajonette, und wir brauchen mehr Berittene!“

      Ramsay murmelte etwas zu seinem Nachbarn, beide schüttelten den Kopf, brachen jedoch abrupt ab, als sie bemerkten, dass MacAreagh zustimmend nickte.

      Osgar sah, dass Ronald hin und her gerissen war zwischen den Erfolgen der Vergangenheit und den Anforderungen, die ein Griff nach der schottischen Krone, gegen die Engländer, stellen würde. Wenn sie MacLennoch nicht in Schach halten konnten, war ihre eigene Position gefährdet und sie würden im Kampf um die Krone keine wesentliche Rolle mehr spielen können. Es schauderte ihn wenn er daran dachte wie er die Geschichte beeinflussen könnte, wenn es ihm und Dougal gelänge, Ronald zu überzeugen seine ganze Armee umzurüsten. Diese Aufgabe würde er gerne übernehmen. Ronald soll sich doch um MacLennoch kümmern, dachte er, und ohne dass er sich dagegen wehren konnte, liefen seine Gedanken der Zeit voraus: MacAreagh gefallen im Gefecht gegen MacLennoch, er, Osgar, neu gewählter Clan-Chief, eine hervorragende Truppe hinter sich, siegreich gegen die Engländer, und eines Tages vielleicht dann doch ein echter General, vielleicht gar ein Lord. Er sah, dass die Diskussion weiterlief, doch er war so in seinen Gedanken gefangen, dass ihn erst die Stimme von MacAreagh aus seinen Träumen riss:

      „Wir fahren später fort! Pfeifer, spiel!“

      Roland stand auf, forderte Osgar auf, ihm zu folgen und beide verließen die Halle. Osgar versuchte, seinen Atem zu beruhigen, als er hinter MacAreagh herhastete.

      Kaum im Arbeitszimmer angekommen, fuhr sich Ronald mit den Fußspitzen hinter die Absätze und stieß seine Stiefel ab. „Was hältst du davon, Osgar?“

      Osgar schaute zur Decke, um die Füße von MacAreagh nicht im Blickfeld zu haben. „So kenne ich unsere Leute! Sie sehen nur ihren eigenen Nutzen. Für sie bist du ihr König und der Gegner heißt MacLennoch. Sie fühlen sich unabhängig und wollen nicht wahrhaben, dass die Engländer unser Land beherrschen wollen. Deshalb wollen sie auch keine Veränderung. Wir werden es schwer haben, Ronald.“

      „Ich werde es ihnen befehlen und jeden ersetzen, der nicht gehorcht!“

      Osgar hatte sich wieder im Griff. „Ja, sicher. Vorerst sollten wir ihnen geben, was sie wollen und was sie können. Ich meine, die Idee von Ramsay mit dem Viehzug nach Süden ist uns dienlich. Wir packen das in unsere Absichten hinein. Außerdem dürfen wir MacLennoch keine Ruhe lassen. So fühlt er sich provoziert.“

      „Machen wir! Besorgen wir es dem Halunken! Unser Ziel aber bleibt unsere Freiheit!“

      4

      Cremor und Humph erreichten eine Brücke, die über den mittlerweile recht breiten Fluss führte. Davor lagerte eine Gruppe Soldaten um ein Feuer, denen ihr Führer schon von Weitem zugerufen hatte. Als sie an den Wachen vorbeiritten, kamen die Soldaten näher, um zu sehen, wen er da mitbrachte.

      Sie überquerten die Brücke und folgten einem steilen, gewundenen Pfad, der auf beiden Seiten mit hohen Mauern eingefasst war. Bald wich der Erdboden befestigtem Grund und die Hufe ihrer Pferde klapperten laut. Dann öffnete sich der Weg, die mannshohen Mauern führten auf beiden Seiten weiter, und unvermutet zeigte sich ihnen die dunkle Silhouette des Schlosses.

      Sie sahen zwei hohe Burgtürme links und rechts, deren runde Zinnen weit in den Himmel ragten, verbunden durch eine fast schwarze Steinwand, sicher drei Stockwerke hoch. Aus der einen oder anderen kleinen Öffnung drang schwaches Licht. Sie folgten der einen Mauer. Es dauerte eine Weile, bis sie das Schloss umritten hatten und es von der Vorderseite sehen konnten.

      Der breite Weg, der gesäumt war mit Stallungen und Scheunen, führte weiter bis zum Eingang. Auf beiden Seiten befanden sich wuchtige Wachhäuser, vor denen Soldaten standen. Diese riefen sofort einen Offizier herbei, mit dem sich ihr Wegführer verständigte.

      „Man zeigt euch, wo wir eure Pferde unterbringen. Sie werden versorgt, ihr braucht euch nicht darum zu kümmern. Es wird gleich jemand kommen und euch eure Unterkunft zuweisen. Nachher werdet ihr gerufen.“ Dann drehte er sich um und ritt weg.

      Ein Soldat forderte sie auf abzusteigen und ihm mit den Pferden zu folgen. Sie betraten einen warmen Pferdestall und der Mann zeigte ihnen ihre Koppel. Daraufhin luden sie ihre Sättel sowie die beiden Packpferde ab und ein Knecht kümmerte sich um ihre Tiere.

      „Hast du auch einen Schluck Wasser für uns?“

      „Dort steht ein Krug!“

      Sie tranken gierig und schauten einander an. „Da sind wir an einen schönen Ort gelangt“, meinte Cremor, „und gesprächig sind die Leute auch nicht gerade.“

      Zwei Diener erschienen und luden sich das Gepäck auf, einer wollte Cremors Instrumentenkoffer nehmen. „Den nehme ich selbst!“, rief ihm Cremor zu.

      Sie gingen zusammen zum Eingangsportal, das für die Größe des Schlosses ziemlich klein war, staunten dann aber umso mehr über die Höhe und Weitläufigkeit der Eingangshalle. Dort hielten sich Gruppen von Soldaten auf, die in der Nähe der großen Kamine herumlungerten oder sich mit Karten- und Würfelspielen unterhielten. Einige schliefen am Boden, eingehüllt in ihre Umhänge. Von ihrer Ankunft nahm keiner Notiz.

      Einer der Diener kehrte nach einer Weile mit einem gut gekleideten Mann zurück, der sich als Hofmeister vorstellte und sie begrüßte.

      „Folgt mir!“ Die Diener luden ihre Lasten wieder auf. Der Hofmeister führte sie in den ersten Stock, dann einen langen Gang mit etlichen Türen entlang. „Das ist euer Zimmer.“ Er wartete noch, bis die Träger ihre Lasten abgestellt hatten. „Ich komme euch dann holen.“

      Als sie allein waren,