Ed Belser

Die Frauen von Schloss Blackhill


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mehrere Stühle, zwei Tische mit Waschschüsseln und zwei ordentliche Betten. Humph legte sich auf eines und streckte seine Glieder. Seine Beine hingen ein ganzes Stück über die Bettkante.

      „Du bist mit wenig zufrieden, Humph. Trag deinen schönen Klamotten Sorge. Hier wirst du keinen Schneider finden, der dir deine Wünsche erfüllt.“

      Sie wuschen sich und zogen ihre besten Kleider an. So standen sie dann beide bald bereit, im Kilt, mit weißen Hemden und Jacken, und warteten.

      5

      MacAreagh betrat, gefolgt von Osgar, wieder den großen Saal. Sofort verstummte das Gerede. Der eine oder andere schaute ihm auf die Füße, die wieder in ihren Stiefeln steckten, und alle setzten sich an den Tisch und blickten ihn gespannt an. Die Diener hatten inzwischen die Feuerstellen vorbereitet und in allen vier Kaminen wuchtige Holzbalken zum Brennen gebracht. Die an den Wänden befestigten Öllampen waren angezündet worden. MacAreagh nahm einen Schluck Wasser und schaute jedem Einzelnen der Chieftains in die Augen. Er ließ sich Zeit, und die Männer merkten, dass er äußerst konzentriert war.

      „Männer! Was wir hier und heute entscheiden, entscheidet über unser Schicksal, das von jedem Einzelnen, von unserem Clan und von Schottland.“ Er machte eine Pause. Die Ernsthaftigkeit seiner Aussage berührte jeden, und wer immer auch einen Schluck Whisky zu viel genossen hatte, war plötzlich stocknüchtern.

      „Wo stehen wir heute? Man hat uns in eine Union mit den Rotjacken gezwungen. Unsere wahren Herrscher sind im Exil. Der herrschende König kann nicht einmal richtig Englisch, von unserer Sprache ganz zu schweigen. Die Engländer dringen in unser Land ein. Sie wollen uns unsere Waffen wegnehmen. Sie zwingen uns ihre Gesetze und Gebräuche auf. Aber unser Kampf für die Freiheit geht weiter!“

      Er zog seinen Dolch und stieß ihn mit Gewalt in das Holz des Tisches. Sein Sekretär zuckte zusammen. Die Männer schauten wie gebannt.

      „Unser Clan war immer siegreich. Unsere Gegner fürchten uns. Auf unserem Boden sind wir unschlagbar.“

      „So ist es!“, rief Ramsay. „Und so wird es bleiben!“

      MacAreagh blickte zu Ramsay hinüber und fuhr fort: „Es wird nie wieder so sein, wie es war. Unser Gegner ist nicht MacLennoch allein, sondern die Rotjacken. Wir müssen uns anpassen!“

      Er überblickte die Runde. Ramsays Gesicht war bewegungslos. Einige schauten vor sich auf den Tisch.

      Nun ergriff Osgar das Wort: „Männer! Wir haben seit Jahrhunderten auf unsere Art siegreich gekämpft. Die Engländer kämpfen aber völlig anders. Sie haben Kavallerie und Kanonen, ihre Soldaten sind geübte Säbelfechter. Sie haben viele Gewehre und setzen die Bajonette im Nahkampf ein. Wir müssen uns auf eine Konfrontation vorbereiten.“

      MacAreagh wedelte mit der Hand und unterbrach ihn. „Ihr habt keine Wahl.“ Plötzlich war es ruhig am Tisch, und er beeilte sich, hinzuzufügen: „Aber Ramsay hat auch recht. Unsere zweite Bedrohung sind die verdammten MacLennochs. Sie haben es auf unser Land abgesehen, damit sie ein stärkeres Gewicht haben, wenn sie sich auf die Seite der Engländer schlagen.“

      „Ja, also machen wir sie vorher fertig!“, gellte Ramsay, und die Männer stießen zustimmende Rufe aus.

      Ronald stand am Tisch und fasste den Griff seines Dolches, der in der Tischplatte steckte. „Und jetzt hört genau zu, was ich anordne!“ Er zog den Dolch mit einem Ruck heraus. „Wir brauchen Geld für Waffen und Ausbildung. Die Abgaben werden ab sofort erhöht. Nehmt eure Pächter in die Pflicht. Sie schaufeln sowieso einen Teil der Pachtzinsen in ihre Taschen. Kontrolliert das! Die Bauern sollen sich die zusätzlichen Abgaben verdienen. Sie können Vieh und Pferde beschaffen und abliefern. Mein Sekretär wird euch mitteilen, was auf jeden von euch entfällt.“

      Die Männer wirkten erstarrt. Er meinte es also ernst mit neuen Waffen und anderer Ausbildung. Die Abgabenerhebung störte sie nicht so sehr.

      „Und nun zu unserer Strategie!“ MacAreagh hatte den Dolch in der Hand, die Spitze nach oben, und klopfte mit dem Knauf auf den Tisch. „Wir verteidigen unser Land gegen jeden Angreifer, seien es Rotjacken oder MacLennochs. Wir brauchen mehr Soldaten. Deshalb muss jeder von euch eine Aushebung durchführen.“

      Die Männer sahen ihn schweigend an.

      „Ihr werdet von Osgar die entsprechenden Befehle erhalten. Und nun zu unserem Widersacher: Wir werden MacLennoch auf Trab halten. Wir suchen den Kampf mit ihm. Sein Ruf bei den Rotjacken wird leiden, wenn er dauernd irgendwo verwickelt ist. Wir holen uns seine Rinder, seine Schafe und seine Pferde, wir zerstören seine Brennereien. Das Vieh treiben wir an einer Stelle zusammen, und zwar so viel davon, dass sich ein Durchmarsch in den Süden lohnt. Niemand wird uns aufhalten, auch MacLennoch nicht.“

      Jetzt wurden die Mienen der Männer wieder offener, denn hier lockte Geld. Ramsay rief: „Kluge Entscheide, Ronald! Wir werden unser Bestes geben!“

      MacAreagh packte mit fast überschlagender Stimme die Botschaft dazu: „Und es gibt ein Ausbildungsprogramm! Es gibt mehr Gewehre. Es gibt neue Uniformen. Ich erwarte eure bedingungslose Unterstützung. Osgar ist dafür verantwortlich.“

      Die Gesichter der Männer waren unbewegt, was MacAreagh nicht bemerkte, denn er hielt plötzlich inne und betrachtete seinen Dolch auf dem Tisch. Er malte sich in Gedanken aus, wie er dem Ruf folgen würde, wenn es darum ging, die schottische Krone aus dem Schloss von Edinburgh zu holen und den neuen König von Schottland zu krönen. Ihm würde bestimmt der Ehrenplatz am rechten Flügel der glorreichen Armee zugeteilt und er würde sicher zum mächtigsten Clan-Chief in Schottland werden. Seine Verbindung über Lewis zur Exilregierung in Frankreich hatte sich gelohnt, er fühlte sich der Unterstützung durch die Franzosen sicher.

      Die Männer wunderten sich über sein langes Schweigen, aber keiner wagte es, ein Zeichen der Ungeduld zu äußern.

      Endlich hob MacAreagh den Blick, sah in die Runde und rief: „Noch Fragen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich dem Pfeifer zu und befahl ihm: „Spiel uns was!“ und dem Hofmeister: „Lass auffahren!“

      Die Männer erhoben sich, holten sich Whisky, umringten MacAreagh und lobten ihn für seine Weitsicht. Sie ließen ihn hochleben, die schrillen Melodien des Pfeifers füllten den Raum und bald war der Tisch mit einem opulenten Mahl gedeckt, hereingetragen von Köchinnen und Mägden. Die Männer ließen sich nicht zweimal bitten und bald war die lauteste Tafelrunde im Gange.

      6

      Der Hofmeister führte Cremor und Humph von ihrem Zimmer zurück zur Eingangshalle und einen weiteren langen Gang entlang zum Tor des Schlosssaales. Schon beim Näherkommen hörten sie lautes Gegröle und die wilden Klänge des Dudelsacks.

      Vor dem Tor stand ein Monstrum von einem Wesen, breitbeinig, die Hände abgestützt auf dem Griff seines Zweihänders. Es schaute die Ankömmlinge aus tief liegenden Augen bösartig an. Schwarzes Haar, wie das Fell eines Dachses, reichte ihm bis weit über seine Schultern. Selbst der lange Humph musste zu ihm aufschauen.

      „Was ist denn das?“, fragte Humph, zu Cremor gewandt, und der Hofmeister antwortete:

      „Das ist Quentch. Seid auf der Hut vor ihm. Er ist der persönliche Wachhund von MacAreagh.“

      Quentch schien nicht beleidigt; er öffnete den Mund zu etwas, was er wohl für ein Lächeln hielt, geschmeichelt, weil er die Aufmerksamkeit zu genießen schien. Die oberen Zähne, mit Ausnahme der Eckzähne, fehlten ihm. Er sah aus wie ein Raubtier, das seine Reißzähne zeigte.

      „Er ist außerdem der Henker hier.“ Der Hofmeister grinste genüsslich und trat um Quentch herum. Der Lärm schlug ihnen entgegen, als er das Tor öffnete. Er ging hinein, verbeugte sich vor dem Sekretär und wies auf die Besucher hin. Der Sekretär informierte MacAreagh, der mehrmals nickte, und der Hofmeister kam zurück zum Tor. Cremor und Humph, froh von Quentch wegzukommen, überblickten in dieser kurzen Zeit den Raum, stellten fest, dass ein rechtes Gelage im Gange war, und schauten einander