Stefan Nym

Prominent


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Berghaim begann ein wahrer Spießrutenlauf. Nach dem Artikel in der News zogen alle anderen nach. Das unscharfe Filmchen lief in allen Sendern. Die Öffentlichkeit war kaum interessiert, wurde aber immer wieder damit konfrontiert. Am Ende stand er da, als der, der einen kleinen Fan misshandelt hat. Und noch dazu einen Ausländer.“

      Jetzt tut Berghaim mir fast ein bisschen leid.

      „Aber er hat sich eine blendende Strategie aufgebaut: Er hat nichts dazu gesagt. Kein Wort, keinen Kommentar und schon gar keine Pressekonferenz. Seine Berater hatten offensichtlich das Gespür, genau zu wissen, dass die Öffentlichkeit weit weniger Interesse zeigte als die Medien. Daher die Entscheidung das Ganze auszusitzen. Die beiden Jungs und ihre Familien haben sich auch nie in der Öffentlichkeit gezeigt. Man munkelt, dass einer der Jungen ein fünfstelliges Schmerzensgeld erhalten hat...“

      Ganz anständig für einen Kratzer am Kopf.

      „… der andere sogar ein sechsstelliges …“

      Oh, wie dumm von mir.

       „… Berghaim Strategie ging auf. Er hat das ganz cool ausgesessen und nach und nach ließ das Interesse nach.“

      Ich höre sie leise lachen.

      „Leute wie Sie, haben überhaupt nichts davon mitbekommen.“

      Wie witzig.

      „Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht.

      Aber was hat das Ganze jetzt mit mir zu tun?“

      „Das will ich ihnen sagen: Der Vorfall hatte natürlich Auswirkungen auf Berghaims Werbeverträge. Wie gesagt, Diana hat den Vertrag mit Berghaim auslaufen lassen und Sahro verzichtet seit Monaten auf die Ausstrahlung seiner Spots. Da kommt für Berghaim momentan nicht viel Geld rein. Sahro hatte sicher eine Vertragsklausel, dass sie nur bei Ausstrahlung der Spots zahlen müssen, oder irgendetwas Ähnliches. Ich verstehe ja nicht viel von Werbeverträgen.“

      „Und deshalb versucht er jetzt, mit der Spende an ‚Kinder - unsere Zukunft’ sein Image wieder aufzupolieren?“

      „Jetzt verstehen Sie langsam. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Natürlich hilft das seinem Image. Aber das war ja, wie gesagt, gar nicht so stark beschädigt.“

      „Richtig, es gab ja sogar Menschen, die das nicht einmal mitbekommen haben.“

      „Eben“, wieder dieses leise Lachen, das die Frau aber noch sympathischer macht.

       „Aber warum dann die Spende?“

      „Damit bringt sich Berghaim einfach nur wieder ins Gespräch. Sie haben ja gesehen, dank dieser einen Pressekonferenz, in der er die fünf Millionen ankündigt hat, ist er auf allen Kanälen und in allen Blättern. Auch wir haben die Sache aufgegriffen und sie sogar zum Thema unserer Umfrage gemacht.“

      „Und an der Stelle kam ich ins Spiel.“

      „Genau. Alle Kommentare von der Straße waren begeistert. Einem schien es ziemlich egal.“

      „Der älterer Herr mit Hut.“

      „Richtig. Aber wir hatten eigentlich darauf gehofft, dass einer die Geschichte mit dem geschubsten Jungen aufgreift. Kam aber nicht. Zum Glück kamen dann Sie. Jemand, der den Berghaim einfach so kritisiert. Ohne die beiden Jungs. Mir war klar, dass wir das senden würden. Deshalb habe ich Sie auch um Ihre Daten gebeten. Üblicherweise nehmen wir die gar nicht auf.“

      „Haben Sie da schon geahnt, dass das alles so laufen würde?“

      „Nein, ganz sicher nicht, aber ich hatte das Gefühl, dass ich Ihre Nummer vielleicht irgendwann brauchen würde. Aber Berghaims Reaktion habe ich nicht vorhergesehen. Dabei ist sie eigentlich ganz logisch. Er zeigt wieder eine ebenso einfache wie geniale Strategie“

      „Er zieht doch einfach nur die Spende zurück?“

      In dem Moment wo ich es sage, wird mir klar wie blöd die Frage ist. Diese Frau weiß wovon sie spricht. So einfach wird die Sache also nicht sein. Da muss mehr dahinter stecken. Ich versuche es weiter:

      „Oder meinen Sie, der will mich bewusst fertig machen, weil ich ihn angegriffen habe?“

      „Nein, nein, nein. So wichtig sind Sie nun wirklich nicht.“

      Sie lacht schon wieder.

      „Nehmen Sie ‘s mir nicht übel, aber um Sie geht es dabei überhaupt nicht. Sie spielen dem Berghaim höchstens einen Ball zu, den er gern aufnimmt.“

      „Wieso?“

      „Okay, der Berghaim wollte also sein Image aufpolieren und vor allem wollte er sich wieder in der Öffentlichkeit ins Gespräch bringen.“

      Sie wartet kurz, um zu prüfen, ob ich sie soweit verstanden habe. Die hält mich langsam schon für blöd. Ich halt jetzt mal lieber die Klappe.

      „Der Rückzug bringt Berghaim noch mehr Medienpräsenz als die Spende selbst. Viel mehr. Zuerst kündigt er die Spende an. Einen Tag später kommen Sie mit Ihrem Kommentar. Am nächsten Tag erwidert er mit seinem Rückzug und auch Ihr Kommentar wird wiederholt. Jeden Tag fällt in zwanzig verschiedenen Sendungen je zehn Mal der Name Uwe Berghaim. Und dann noch viel häufiger in all den Blättern mit all den großen Headlines. Berghaim, Berghaim, Berghaim, immer wieder Berghaim. Vielleicht bringt morgen noch einer einen weiteren Kommentar. Spätestens übermorgen kommen dann die Comedians. So viel hätte er mit der Spende allein nie und nimmer erreicht. Und so spart er auch noch die fünf Millionen Euro. Eine ganze Menge Geld, auch wenn er es mit der Werbung hinterher wieder reinholt. So muss er es gar nicht erst ausgeben.

      Und das verdankt er ihnen. Sie haben ihm eine Steilvorlage geben, die der mit seiner Strategie voll ausnutzt. Eine Strategie, die viel bringt und nichts kostet.“

      „Genau genommen bekommt er noch Geld dazu.“

      „So ist es.

      Der will Sie nicht fertig machen. Warum sollte er? Eigentlich sind Sie ihm völlig egal. Insgeheim ist er ihnen vielleicht sogar dankbar. Zumindest seine Berater“

      Ich erwische mich dabei, dass ich sauer werde. Aber auf wen eigentlich? Bestimmt nicht auf Susanne Häusler. Sie eröffnet mir gerade völlig neue Welten. Und dabei ist sie sehr nett und charmant. Ich glaube ihr jedes Wort. Warum auch nicht?

      „Aber ich muss ehrlich sein.“

      Kann die Frau Gedanken lesen?

      „Eigentlich habe ich nicht angerufen, um ihnen die Abgründe der Medienbranche zu erläutern.“

      „Sondern?“

      Sie zögert. Es fällt ihr schwer, zu sagen, was sie sagen will.

      „Okay, ich rufe an, weil mein Chef gesagt hat, ich soll Sie finden. Um jeden Preis.“

      „Was soll das heißen, Sie sollen mich finden. Sie haben doch meine Adresse und Telefonnummer.“

      „Ja, aber dass weiß mein Chef nicht.“

      „Warum nicht?“

      „Auch eine Inszenierung. So habe ich die Chance, Sie zu finden. Chefs mögen so etwas.“

      „Na toll.“

      Wieder höre ich so ein leises Lachen.

      „Nein, eigentlich wollte ich ihnen die Chance geben, nicht gefunden zu werden.“

      „Bitte?“

      Allmählich komme ich mir wirklich dumm vor. Verstehe ich denn überhaupt nichts.

      „Okay, mein Chef will mehr Interviews mit ihnen haben. Kreuz und quer durch alle Formate des Senders. Eigentlich will mein Chef, dass ich Sie überrede.“

      „Und Sie wollen nicht, dass ich noch mehr Interviews gebe?“

      „Nein. Aber ich will, dass Sie sich genau überlegen, was Sie tun. Sie können sich frei entscheiden. Aber ich denke, Sie sollten sich darüber im Klaren sein, was dabei rauskommen