Stefan Nym

Prominent


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Das Logo auf seiner Mütze. Mooiqu!“

      Mein totales Unverständnis ist offensichtlich nicht zu übersehen. Dieter holt tief Luft. Er scheint zu bemerken, dass ich kein Wort verstehe und spricht jetzt viel ruhiger weiter.

      „Mooiqu ist die Marke für Motorenöl im Segment für Hochleistungsmotoren. Mooiqu wird herstellt von MobilQuick. Fünfunddreißig Produkte, alle patentiert. Mehr als fünftausend Mitarbeiter. Mindestens eine Milliarde Umsatz. Dritter Sponsor des Beusen Rennstalls. Einer der wichtigsten Rennställe der gesamten Formel-1 und Arbeitgeber von Uwe Berghaim. Und vor allem ist MobilQuick eine einhundertprozentige Tochter der Nord Chemie Laboratorien, der NCL. Unser Kunden und Arbeitgeber von Peter Schmidt. Deren Organisationsleiter.“

      Ich habe das Gefühl, dass mir der Boden unter den Füssen wegfließt. Warum habe ich mich nie um diesen Quatsch gekümmert? Wer gehört wem? Wer macht wie viel Umsatz mit wie vielen Mitarbeitern? Ich bin doch kein Betriebswirt. Ich wusste noch nicht einmal, dass NCL Nord Chemie Laboratorien bedeutet.

      Dieter schaut mich fragend an.

      „Hast du ’s jetzt?“

      „Ist ja gut. Ich weiß nichts von diesen Dingen. Ich will meistens auch nichts davon wissen. Du hast ja recht“

      Dieter nickt.

      „Aber selbst wenn ich die Verbindung zwischen MobilQuick und NCL gekannt hätte, hätte ich trotzdem nicht gewusst, dass MobilQuick Berghaim sponsert.“

      Langsam finde ich meine Selbstsicherheit wieder.

       „Und das Interview hätte ich trotzdem gegeben.“

      „Ist ja auch egal jetzt. Du hast das Interview gegeben. Und ich werde jetzt sehen, wie wir aus der Nummer wieder rauskommen.“

      Das schätze ich an Dieter besonders. Er hält sich nie lange mit der Schuldfrage auf. Schuldzuweisungen macht er erst recht nicht. Er schaut bei Problemen immer gleich nach vorn. Damit reißt er auch immer alle mit, vor allem die Schuldigen.

      „Soll ich mal mit dem Schmidt reden?“

      „Du redest mit niemand mehr!“

       Jetzt ist er aber doch wieder etwas aufgebracht.

      „Du bleibst bis zum Wochenende zu Hause. Home Office.“

      Wir haben da so eine Betriebsvereinbarung, die es den Mitarbeitern erlaubt, zu Hause zu arbeiten, wenn die Auftragssituation es erlaubt. Meine Auftragssituation hat es noch nie erlaubt. Und mein Vorgesetzter auch nicht. Aber jetzt scheint er es gerade zu tun.

      „Ich will dich hier nicht mehr sehen. Ab sofort. Für die Kunden bist du nicht zu sprechen. Gehe ja nicht an dein Handy. Und rufe niemanden an. Du sprichst nur mit mir und mit Berger. Mails auch nur an uns beide. Berger übernimmt ab sofort alle deine Projekte. Durch den Wegfall des Analyseprojektes bei dieser Logistik-Firma hat der im Moment sowieso Leerlauf. Der vertritt dich. Zumindest nach außen. Ist das klar?“

      Ich nicke betroffen. Er scheint sich alles sehr wohl überlegt zu haben. Aber warum werde ich jetzt geopfert? Will er mich am Ende ‘rausschieben? Was soll denn das?

      „Aber du bist die ganze Zeit für uns erreichbar! Zur Not musst du Berger erklären, was wo zu machen ist.“

      Er denkt kurz nach.

      „Und du machst noch heute eine komplette Projektliste für ihn fertig. Alle laufenden Projekte. Alle Fakten, Potentiale, Dokumente, Ansprechpartner… Du weißt schon.“

      Jetzt ist Dieter wieder ganz ruhig.

      „In einer Woche sieht die Sache sicher schon wieder ganz anders aus. Aber solange will ich dich aus der Schusslinie haben.“

      Mit diesem einen Satz sagt er das Wichtigste. Es geht nicht um mich. Ich werde nicht geopfert. Dieter will mich schützen. Und natürlich auch seine Projekte. Muss er ja auch. Mir geht es aber gleich viel besser.

      Dieter geht. Mehr muss er auch nicht sagen. Ich lasse mich in den Schreibtischstuhl fallen. Dieses verdammte Interview. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Sonst überlege ich mir doch auch immer genau, was ich tue oder sage.

      Den Rechner brauche ich ja wohl gar nicht erst einzuschalten. Den packe ich einfach nur ein und nehme ihn mit. Am Besten ich sage Ulrike Bescheid. Ich rufe sie an.

      „Hallo.“

      So meldet sie sich doch sonst nicht. Offensichtlich geht aber das Telefon wieder. Habe ich den Stecker doch wieder eingesteckt?

      „Hallo Ulrike, bist du das“

      „Hallo Schatz.“

      „Alles klar bei dir?“, frage ich.

      „Geht so.“

      „Was ist denn?“

      „Hier klingelt laufend das Telefon. Ich glaube ich habe die gesamte Familie und die komplette Nachbarschaft schon durch. Ich mag schon gar nicht mehr abheben.“

      Das klingt nicht gut. Wenn Ulrike nicht mehr telefonieren mag, dann wird es ernst.

      „Hat das Telefon denn funktioniert?“

      „Ja, ich wollte Mama anrufen. Da hab ich gesehen, dass der Stecker raus ist.“

      „Das war ich.“

      „Das habe ich mir gedacht. Ich hab den Stecker wieder eingesteckt.“

      Sie seufzt. Es war doch eigentlich klar, dass Ulrike den Stecker selbst wieder einsteckt. Manchmal denke ich eben doch zu viel nach. Und wenn ’s darauf ankommt eben doch zu wenig. Ulrike habe ich heute mal wieder unterschätzt. Da sollte ich dran arbeiten. Momentan habe ich aber Wichtigeres zu tun.

      „Das hätte ich mal lieber nicht machen sollen.“

      „Am besten du ziehst den Stecker wieder raus.“

      „Ich glaub auch. Aber wie lange soll das so gehen?“

      „Ich komme sowieso gleich nach Hause“

      „Wieso das denn?“

      „Dieter hat Home Office für mich angeordnet. Offensichtlich hat das ganze auch Wellen bei einigen Kunden geschlagen. Dieter will mich da aus der Schusslinie halten.“

      „Oh Gott. Die machen dich fertig, ich sag es dir.“

      „Ach was, das wird schon.“

      Ich kann Ulrikes skeptischen Gesichtsaudruck förmlich vor mir sehen. Sie sagt aber nichts.

      „Ich komm jetzt erst einmal nach Hause, dann reden wir weiter.“

      Zu Hause ist alles ruhig. Wo sind denn Ulrike und die Kinder. Ich gehe ins Wohnzimmer. Mein erster Blick gilt dem Telefon. Der Stecker ist draußen. Gut so. Ich gehe nach oben. Im Schlafzimmer finde ich Ulrike. Als ich in den Raum komme wacht sie auf. Sie lächelt mich an. Es kostet sie offensichtlich Mühe zu lächeln.

      „Hallo“, sagt sie verschlafen.

      „Hallo.“

      Ich gehe zu ihr, setze mich aufs Bett und küsse sie sanft.

      „Was ist denn mit dir los?“

      „Ich bin ein wenig geschafft.“

      „Und die Kinder?“

      „Die sind noch in der Schule.“

      Ja klar. Hätte ich mir ja denken können. So ist das eben mit mir und dem Denken.

      Ich erzähle Ulrike von meinem Morgen im Büro. Meinem kurzen Morgen. Die Angst steht ihr förmlich ins Gesicht geschrieben und sie fragt mich immer wieder, wie das Ganze weiter gehen soll. Sie ist total erschöpft. Ich schlage vor, alle Telefone zu mir ins Arbeitszimmer umzustellen. Dort werde ich sowieso den Rest des Tages verbringen, um zu arbeiten. Jedenfalls nehme ich mir das vor. Ulrike lasse ich schlafen. Ich verspreche, sie zu wecken, wenn die Kinder kommen.

      In der Ruhe meines Arbeitszimmers