Stefan Nym

Prominent


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bis alles irgendwann vergessen ist. Dann nehmen Sie jedenfalls keinen weiteren Schaden.“

      „Mehr Schaden geht doch gar nicht mehr.“

      „Seien Sie da nicht so sicher.“

      Sie macht mir Angst.

      „Aber wenn Sie kämpfen wollen - wenn Sie argumentieren und vor allem überzeugen, dann können Sie vielleicht etwas bewegen.

      Denke ich jedenfalls.“

      „Kann ich denn überzeugen?“

      „Ich denke schon. Sie haben doch genau gewusst, was Sie da sagen. Das ist doch Gedankengut, das Sie schon lange mit sich herumtragen. Wir haben ihnen da doch nur ein Ventil geboten. Sie haben eine klare Haltung zu den sogenannten Prominenten. Und zu den Medien, die sich mit den Prominenten beschäftigen. Sie gehen davon aus, dass die Prominenten in einem Reichtum schwelgen, für den alle anderen, also alle Nicht-Prominenten, hart arbeiten müssen. Dabei werden die Prominenten von Medien unterstützt, die diese Unterstützung nur leisten, da auch sie daran verdienen.“

      „Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.“

      „Sehen Sie: Mich haben Sie bereits überzeugt. Ich finde Ihren Standpunkt einleuchtend. Ich denke auch, dass er richtig ist. Und Sie treffen damit über kurz oder lang einen Nerv in der Gesellschaft. Das haben Sie bei mir ausgelöst, und das, obwohl ich eigentlich von der gegnerischen Seite komme. Und einen Teil meiner Redaktion haben Sie auch überzeugt. Sogar einige aus dem Team. Na ja, eigentlich nur einen, aber mein Kameramann ist ansonsten sehr erdverbunden und nicht so schnell für neue Ideen zu begeistern.

      Hätten Sie das Team nicht überzeugt, wären Sie gar nicht in die Sendung gekommen.

      Gut, mein Chef ist nicht Ihrer Meinung. Der will die weiteren Interviews nur, weil er glaubt, dass das Quoten bringt. Letztendlich will er mit ihnen noch mehr Geld verdienen. Quasi mit Ihrer Prominenz.

      Aber genau das ist der Punkt: Sie genießen jetzt eine sehr große Aufmerksamkeit. Sie selbst sind prominent. Diese Prominenz können Sie nutzen, um Ihre Sache publik zu machen.

      Da hat Berghaim ihnen den Ball hervorragend zurückgespielt. Möglicherweise ohne es zu ahnen.

      Wenn Sie den Ball jetzt wieder aufnehmen - wer weiß - da kann echt ‘was draus werden. Da kann viel draus werden.

      Sie merken, ich baue ihnen jetzt eine Strategie auf. Genau wie Berghaim und seine Berater das machen. Sie nutzen Berghaim, um Ihre Idee an den Mann zu bringen. Ich bin sicher, an dem was Sie sagen ist viel dran. Wie gesagt, es trifft die Gesellschaft an einem ihrer Nerven.

      Aber es wird schwer sein, dass den Menschen zu vermitteln. Vor allem wenn es gegen Uwe Berghaim geht. Verdammt schwer.

      Und vor allem müssen Sie wissen, dass Sie dabei ganz gehörig was abkriegen können. Ganz gehörig. Und deshalb würde ich ihnen nicht dazu raten. Es sind schon andere wegen sehr viel weniger von den Medien fertig gemacht worden. Da reicht manchmal schon ein Satz oder ein Wort, den Sven Stein dann jeden Abend wiederholt, bis sich die ganze Welt darum zu drehen scheint. Davon lebt er - und seine Sendung. Zur Not macht er noch ein Lied darüber. Sven Stein schafft alle, vom Schlagerstar, über die Werbefigur bis zum Zaunpfahl.

      Jetzt haben Sie die Wahl, entweder, Sie ziehen sich zurück bis alles vorbei ist und leben Ihr Leben weiter wie bisher, oder, Sie packen die Gelegenheit beim Schopf und sagen das, was Sie schon immer sagen wollten. Und zwar allen. Aber wenn ‘s schlecht läuft, liegt Ihr Leben in Scherben. Und das werden ganz kleine Scherben sein.“

      „Und meine Familie?“

      „Noch mehr Scherben.“

      Ich atme tief durch. Wenn Frau Häuslers Chef mich angerufen hätte, hätte ich sicherlich jedes Interview angenommen. Und mit jedem Interview hätte ich was auf die Mütze bekommen. Das meinte sie also, als sie sagte, sie wolle mir die Chance geben, nicht gefunden zu werden.

      „Ich danke ihnen sehr, Frau Häusler. Sehr.“

      „Keine Ursache. Wie gesagt, mich haben Sie überzeugt, und deswegen glaube ich, dass Sie eine Chance haben. Ich würde ihnen auch gern weiterhin dabei helfen.“

      Ich glaube ihr nach wie vor jedes Wort. Wem soll ich denn sonst glauben? Es gibt momentan niemanden, der etwas von der Materie versteht und gleichzeitig vertrauenswürdig scheint.

      „Ich kann verstehen, wenn Sie da jetzt nichts zu sagen wollen. Ich habe Sie da jetzt sicher ganz schön überfahren. Aber ich fürchte, Sie müssen sich für eine Strategie entscheiden. Abwarten oder Wehren.

      Beides gleichzeitig wird nicht gehen. Wenn Sie dazwischen hin und her pendeln, werden Sie auf jeden Fall hinterher in Scherben daliegen. Überlegen Sie sich was Sie wollen.“

      Ich werde mir das überlegen.

      „Haben Sie noch meine Karte? Da ist meine Handynummer drauf. Sie können mich Tag und Nacht erreichen. Egal, wie Sie sich entscheiden oder ob Sie nur einfach noch eine Frage haben.

      Ich ziehe das gerne mit ihnen zusammen durch.

      Ich verspreche ihnen, ich werde meinem Chef erst dann sagen, dass ich Sie gefunden habe, wenn Sie das möchten. Aber denken Sie dran, wahrscheinlich bin ich nicht die einzige Redakteurin im Land, die Sie sucht. Also, entscheiden Sie sich bald.“

      Ich sitze noch einige Zeit nach dem Telefonat einfach nur so vor meinem Schreibtisch. Ich muss mich entscheiden. Wie soll ich das denn machen. Frau Häusler will mir helfen. Kann sie das denn wirklich? Will sie das denn wirklich? Oder ist das ganze Telefonat am Ende auch nur eine Inszenierung gewesen? Eine mediale Inszenierung? Was soll ich tun? Was ist, wenn sich jetzt ein anderer Redakteur bei mir meldet?

      Schnell ziehe ich den Stecker vom Telefon raus. Ich werde schon paranoid.

      Irgendwann werden auch andere Sender und Zeitungen mich finden. Es gibt genug Nachbarn, Schulfreunde, Kollegen und was weiß ich, die mich im Fernsehen gesehen haben und gern damit angeben. Hat es denn irgendjemand nicht gesehen? Ich fühle mich jetzt schon wie in Scherben. Aber vielleicht geht das ganze doch irgendwie noch an mir vorbei. Aber wie?

      Ich gehe hinüber ins Wohnzimmer und setze mich zu meiner Frau vor den Fernseher. Es ist spät. Ulrike hat die Kinder schon ins Bett gebracht. Schade. Ich habe zu lange mit Frau Häusler telefoniert. Oder zu lange gegrübelt.

      Ulrike fragt nicht einmal mehr, wer am Telefon war. Stumm schaut sie auf den Fernseher. Ich glaube, wir wollen beide nichts mehr sehen und nichts mehr hören. Normalerweise kann ich in so einer Stimmung gut vor dem Fernseher abschalten. Heute funktioniert das nicht.

      Als ich noch einmal durch die Programme zappe, kommt plötzlich wieder Berghaim zum Vorschein. Ulrike will mir die Fernbedienung wegnehmen, aber ich ziehe weg. Darin habe ich Übung, so wie wohl die meisten deutschen Ehemänner. Aber normalerweise ist das lustiger. Heute ist es sehr ernst.

      Sie zeigen ein neues Statement von Berghaim. Augenscheinlich schon wieder eine eigens einberufene Pressekonferenz. Alles schön hergerichtet, mit den Emblemen aller Sponsoren im Hintergrund. Auch Mooiqu ist dabei. Und wieder grinst Berghaim blöde. Und wieder diese dämliche Mütze. Aber heute gibt er sich richtig entrüstet.

       „Wenn mir eine solch negative Haltung entgegenschlägt, kann ich nicht anders. Ich ziehe meine Spende ganz bewusst zurück …“

      Klar machst du das ganz bewusst.

      „… ich kann mit soviel Neid und Missgunst hier in Deutschland nicht umgehen. Ich kann solch eine Meinung nicht noch unterstützen ...“

      Man nimmt ihm diesen Schwachsinn glatt ab, so dämlich, wie der grinst. Als ob er mich mit meiner Meinung unterstützen würde, wenn er das Geld trotzdem spendet. Die Erklärung von Susanne Häusler klang da irgendwie plausibler.

      „… ich weiß schon, warum ich lieber in der Schweiz lebe ….“

      Ich auch.

      „ … ich habe ein Leben lang hart gearbeitet. Alles was ich besitze, habe ich