„Nein. Das wechselt nicht so oft. Meistens kommt eine mit Kopftuch, aber vor nicht allzu langer Zeit war auch eine jüngere Deutsche da. Die habe ich zufällig getroffen, weil ich noch länger im Büro war für den Jahresabschluss. Ich hatte sie gefragt, seit wann sie bei uns putzt, sie hatte geantwortet, die ganze Woche schon und da habe ich ihr gesagt, dass ich mich beschweren werde, weil die Herrentoilette nicht sauber war.“
„Du meinst die Türkin war zuverlässiger?“
„Ja. Ich hab’s dem Karim gesagt, dem Chef der Putzteufel. Du kennst ihn vielleicht. Der hat sich diese Dienstleistungsfirma aufgebaut, ist ein fleißiger Kerl, fährt seine Putztrupps noch selbst in den Einsatz, wenn es mal eng ist. Der meinte, die Deutsche täte ihm leid, denn sie braucht den Job, weil sie nichts gelernt hat. Sie sei guten Willens, aber zu undiszipliniert. Hat auch zuviel mit dem Handy gespielt, statt zu arbeiten. Bei der Herrentoilette hatte die mir doch tatsächlich geantwortet, sie habe nicht gewusst, dass sie die auch reinigen soll, sie hätte immer nur die Damentoilette gereinigt.“
Helene meinte, wenn sie sich es recht überlege, wäre ihr eine feste Hausangestellte lieber, eine die bei ihnen wohnt und sozusagen zur Familie gehört und die auch immer verfügbar ist. „Die könnte dann auch beim Kochen helfen und die Kinder mal abholen. Was meinst Du?“
Das war für Tobias ein ganz neuer Gedanke. „Eine eigene Haushälterin? Das wird ja immer vornehmer bei uns.“ Aber trotz des leichten Spotts brachte er am nächsten Tag die Visitenkarte der Firma Karims, der Putzteufel, mit. „Wir rufen da jetzt beide an, letzten Endes musst Du ja entscheiden, was Du willst, aber ich kenne den Karim ganz gut.“
So riefen sie an, fragten, ob er auch Haushälterinnen vermittelt. Aber Karim verneinte: „So etwas habe ich nicht. Was meinen Sie denn genau, eine Pflegekraft aus Osteuropa? Da kenn’ ich jemanden, der das vermittelt.“
„Nein, eine richtige Haushaltshilfe, zum Putzen, Kochen, Wäsche machen und so weiter. Die mir einfach zur Hand geht, aber auch eigenständig arbeitet.“ Mehr als die Empfehlung, es im Internet oder über das Arbeitsamt zu versuchen, hatte Karim aber nicht anzubieten.
Die nächsten Tage recherchierte Helene im Internet, führte ein paar Telefonate und erkundigte sich beim Arbeitsamt. Mit der Geschäftsführerin einer Vermittlungsagentur für exklusives Hauspersonal führte sie zwei längere Gespräche. Das war, was sie wollte: Eine Dienerin, die perfekt Tische eindecken kann und dekorieren, die Zimmermädchen, Köchin und anderes Personal anleiten kann und die eine Fachausbildung mit Auszeichnung bestanden hat.
Als sie Tobias davon erzählte, lachte er. „Was denn für Personal, was für eine Köchin? Vielleicht willst Du auch noch einen Chauffeur? Vielleicht müssen wir auch darüber reden, wie viel Geld Du für Dein Personal ausgeben willst?“
Helene war etwas irritiert. Es war beinahe so, als hätte Tobias sie ausgelacht. Aber im Grunde hatte er natürlich recht: sie waren trotz allem keine Rockefellers. Nach dem Gehalt einer Dienerin hatte sie überhaupt nicht gefragt. Die Antwort fand sie auf der Homepage: ein Monatslohn „ab 4.500 Euro“ stand da. Das war weit mehr, als sie selbst jemals verdient hatte. Es musste eine andere Lösung her, eine die billiger war.
Also versuchte sie es nochmals über das Arbeitsamt. Der Berater dort gab den Tip, nicht nur nach einer Haushälterin zu suchen, sondern auch die Profile von Reinigungskräften und Ungelernten anzusehen, denn eine Haushälterin, die im Haus wohnen soll, sei eine eher seltene Anfrage, und es komme dabei wohl auch sehr auf persönliche Sympathie an.
Helene beherzigte den Rat. Sie hatte gleich eine Reihe möglicher Bewerber ausgemacht und war entschlossen, nun diese Personen kennenzulernen, um zu sehen, ob sich nicht etwas daraus ergibt.
Ein Profil hatte sie zur Seite gelegt: Das war eine Deutsche, 23 Jahre, ungelernt, Schulabbrecher, zuletzt 4 Monate bei einer Reinigungsfirma beschäftigt. Sie suchte „bundesweit“. Irgendwie hatte sie den Verdacht, dass das genau jene Frau sein könnte, die keine Herrentoilette putzen wollte.
Mit zwei anderen Frauen vereinbarte sie Vorstellungsgespräche. Mit der ersten verabredete sie sich in einem Hotel – irgendwie wollte sie nicht, dass diese Person schon gleich die Villa sieht. Das Gespräch verlief freundlich, aber schon nach kurzer Zeit war Helene klar: Diese Frau kam nicht in Frage. Sie war relativ hübsch, mit viel Busen (darin sah sie eine gewisse Bedrohung), vor allem aber schien sie sehr eigene Vorstellungen von den Aufgaben einer Haushaltshilfe zu haben. Die zweite Person, die sie schon am folgenden Tag traf, war nicht nur weniger anmutig, sondern auch etwas ungepflegt. Das ging nun gar nicht – obwohl sie scheinbar mehr vom Fach verstand.
Das fing ja schon enttäuschend an. Nun hatte sie noch zwei Bewerbungen, die schon von der Beschreibung weniger geeignet erschienen. Und die, die sie zur Seite gelegt hatte. Das machte sie dann doch neugierig, ob ihr Verdacht richtig war, und so rief sie kurzentschlossen Karim an, um sich nach dem Namen dieser Frau zu erkundigen. „Sylvia Schmitt-Buchholz,“ antwortete dieser, „warum fragen Sie?“
„Ich suche noch nach einer Haushaltshilfe und ich glaube, dass ich auf ihr Profil gestoßen bin. Es wäre doch peinlich, wenn ich sie anrufe, wo mein Mann doch dafür gesorgt hat, dass sie nun arbeitslos ist.“
„Oh, ich verstehe. Diese Sylvia tut mir leid, wissen Sie. Die hat einfach keine richtige Erziehung gehabt. Die ist allein bei ihrer Mutter aufgewachsen. Sie hat bestimmt ein gutes Herz, aber sie braucht eine strenge Hand. Wenn man daneben steht, arbeitet sie gut, aber man kann doch nicht immer daneben stehen… Sie wissen, was ich meine.“
„Ja ich verstehe,“ antwortete Helene. Nachdem sie aufgelegt hatte, kamen ihr plötzlich ganz andere Gedanken. Vielleicht war es das Wort „strenge Hand“, was bei ihr einen ganz neuen Gedanken auslöste. Könnte sie dieses Mädchen zu der Haushälterin erziehen, die sie sich vorstellt? Ihre eigenen Kinder hatte sie soweit gut erzogen, war sie überzeugt. Ihre Kinder hatten nicht nur gute Schulnoten und ein gutes Benehmen, sondern waren auch bei ihren Mitschülern beliebt und hatte alle auch einen adäquaten Freundeskreis. Sie war davon überzeugt, dass sie auch eine fremde Person erziehen könnte, wenn diese sich darauf einließe. Das wäre dann die perfekte Hausangestellte; geschult oder geformt nach ihren eigenen Vorstellungen.
Sie dachte darüber nach, aber nicht so gründlich, sondern eher intuitiv. Und als sie zu einem Entschluss gekommen war, nahm sie das Telefon und wählte die Handy-Nummer dieser Sylvia Schmitt-Bucholz. Die ging auch gleich dran.
„Sie haben eine Job für mich? Um was handelt es sich denn?… Aha. Aha. Und das ist eine Vollzeitstelle… Was sagen Sie?… Ja. Da muss ich drüber nachdenken… Nein, kündigen müsste ich nicht, ich wohne bei meinem Freund… Ja gerne. Morgen Vormittag um 10 Uhr… Ja gerne. Bis dann.“
Reinhardt, der Freund von Sylvia, hatte das Gespräch mitgehört, ohne sein Playstation-Spiel zu unterbrechen. „Was sind das denn für Typen, die Abends um Neun anrufen, wegen ‘nem Job?“
„Ja komisch, so spät. Die suchen eine Haushälterin. Ich werde mich auf jeden Fall vorstellen, denn ich brauch egal was.“
„Klar. Du musst Geld verdienen. Du kannst mir nicht länger auf meiner Tasche liegen – sonst muss ich Dich noch an meine Kumpels verleihen, hehe.“
Sylvia hatte es nicht leicht. Damals, vor etwas über einem Jahr, als sie den Reinhardt kennengelernt hatte, war sie praktisch wohnungslos. Sie zog von einer Freundin zur anderen, auch einmal zu ihrer Tante aber alles waren nur Lösungen auf Zeit, aus der Not heraus geboren. Den Reinhardt mochte sie am Anfang und war sogar ein bisschen verliebt. Ihr Zuneigung hat er aber nie wirklich erwidert. Für ihn war es einfach ein praktischer Deal. Sie durfte bei ihm einziehen, half seinen Chaos-Haushalt etwas in Ordnung zu halten und machte dafür die Beine breit. Erst gefiel ihr das noch, aber dann merkte sie, dass er sie nur ausnutzt.
Eines Tages dachte sie: wenn es sich jetzt schon anfühlt, wie nach 20 Jahren langweiliger Ehe, dann kann daraus keine gute Beziehung mehr werden. Als dann im gleichen Maße, in dem Reinhardts sexuelles Interesse an ihr abnahm, seine Forderungen an sie, sich finanziell an dieser Wohngemeinschaft zu beteiligen, zunahm, war irgendwann der Punkt für sie erreicht, an dem sie unbedingt