Markus Waldmann

Die Prophezeiung


Скачать книгу

Nick sein letzter lebender Verwandter war. Jasmin reichte ihm einen zweiten Brief, er nahm ihn zögernd an.

       “Vielleicht, solltest du diesen Brief lesen, bevor wir darüber nachdenken, was wir als nächsten unternehmen.”

       Sie war angespannt.

       “Wie, für mich ist auch eine Nachricht da?”

       Jens war sich noch nicht schlüssig, was er von dem ersten Brief halten sollte, und nun war da noch einer für ihn. Er merkte, dass ihm keine andere Wahl blieb, wollte er wissen was los war, musste er diesen Brief lesen. Er griff nach dem Umschlag, den Jasmin ihm hinhielt.

       “Er war auch im Safe, genau wie meiner.”

       Jens öffnete den Brief und begann zu lesen.

       Hallo Jens, es gibt so vieles, was ich dir erklären wollte, leider kann ich das jetzt nicht tun. Deshalb schreibe ich dir vorab, was du machen sollst, um zu erfahren, für welche Aufgabe du vorgesehen bist. Ich warte schon seit sehr langer Zeit darauf, dass ich von dir höre. Deine Eltern waren etwas Besonderes, ihr Verlust war ein schwerer Schlag. Du überlebtest den Anschlag auf deine Eltern nur, weil ich an diesem Tage auf dich aufgepasst habe.

       Es war das erste Mal, dass deine Eltern ohne dich weggefahren sind. Vielleicht fragst du dich jetzt, wieso ich auf dich aufgepasst habe und nicht Nick, da er doch dein Verwandter war. Damals war ich ein sehr enger Freund deiner Eltern, es war mein Einfluss, der Nick dazu bewog, dich bei den Wagners zu lassen. Darüber sprechen wir lieber, wenn wir etwas mehr Zeit haben. Denn es würde jetzt den Zeitrahmen sprengen, verlegen wir das auf einen anderen Zeitpunkt.

       Es gefällt mir überhaupt nicht, dass ich dich schriftlich auf deine Aufgabe vorbereiten muss. Falls du dich jetzt fragst, was das alles soll, muss ich dir sagen, dass deine Träume nicht einfach nur Träume sind, sondern ein Blick in die Vergangenheit. Das was du gesehen hast ist wirklich passiert, deine Träume sind deine Erinnerung aus vorherigen Leben. Ja, du hast richtig gelesen, du hast schon mal gelebt und das nicht nur einmal. Aber auch das würde jetzt zu viel Zeit in Anspruch nehmen, um es dir zu erklären. Das können wir später noch alles nachholen.

       Nun zur Kiste, um sie zu öffnen, musst du die fünfblättrige Rose auf dem Deckel drücken. Wenn dich der Schutzmechanismus für befugt hält, kannst du den Inhalt erblicken. Die Kiste wird sich von selbst öffnen, falls sie sich nicht öffnet, dann vergrab sie wieder und vergesse alles, was du bisher gesehen hast!

       Auch wenn du jetzt wissen möchtest, woher ich das alles weiß, kann ich es dir noch nicht sagen. Bitte versteh das. Sobald du die Kiste geöffnet hast, folge den Anweisungen, es wird immer jemand da sein, der euch hilft.

       Gruß Janus

       Jens legte den Brief auf den Tisch, seine Gedanken überschlugen sich, sein Herz raste. Was war hier los? Die Geschichte wurde immer mysteriöser, wie sollte die Kiste merken, ob er befugt war sie zu öffnen. Fragen über Fragen, nur keine Antworten, langsam nervte Jens diese Situation.

       “Warum probierst du es nicht einfach aus?”

       Es war fast so, als könne Jasmin seine Gedanken lesen, er hatte gar nicht bemerkt, dass sie seinen Brief gelesen hatte. Er ließ sich auf die Couch fallen, ohne zu merken, dass sich sein Handtuch etwas gelockert hatte. Jasmin wendete, leicht rot im Gesicht, den Blick vom Handtuch weg. Jens bemerkte auch dies wieder nicht, zu sehr beschäftigten die Briefe seine Gedanken.

       “Na gut, wenn nichts passiert, sind wir genauso weit wie bisher, sollte sich doch etwas ergeben, haben wir wenigsten einen Anhaltspunkt.”

       Er zog die Kiste zu sich heran, dann legte er seinen Daumen auf die Rose und wartete ab. Kurz bevor er aufgeben wollte, stellte er eine Veränderung fest. Die Rose senkte sich etwas ab, ein leichtes Klicken war zu hören. Kurz darauf öffnete sich der Deckel vollautomatisch, es erstaunte Jens, damit hatte er nicht gerechnet. Das was jetzt geschehen war trug nur noch mehr zu ihrer Verwirrung bei. Nachdem die Kiste geöffnet war, versuchte Jens herauszufinden, wie der Mechanismus funktionierte, scheiterte aber schon nach wenigen Minuten, er konnte nichts Außer-gewöhnliches feststellen.

       Als nächstes war der Inhalt der Kiste dran, es lagen einige Papiere darin, lauter lose Blätter. Es enttäuschte ihn, dass er nichts wirklich Wertvolles oder Interessantes darin fand. Jens holte die Blättersammlung heraus, nur um festzustellen, dass er das Meiste nicht lesen konnte. Einige Zeichnungen, die darunter waren, konnte er entziffern. Es schien eine Art Lageplan zu sein, sowie Informationen, wie man zu diesem Ort kam.

       “So ein Mist, jetzt haben ich die Kiste tatsächlich öffnen können, der Inhalt ist aber unbrauchbar. Dieses Kauderwelsch kann ja keiner entziffern.”

       Jasmin lächelte.

       “Sag mal, du studierst doch Geschichte, oder?”

       Jens sah sie fragend an.

       “Ja, warum?”

       “Hast du dich nie mit anderen Sprachen beschäftigt, alles was hier geschrieben steht, ist in Italienisch verfasst.”

       Sie grinste hämisch bei der Antwort.

       “Nein, ich kann mir nur Daten und Fakten merken, leider habe ich kein großes Sprachverständnis. Beim Englischunterricht habe ich schon gemogelt, um durch die Schule zu kommen, richtig gelernt habe ich es nie.”

       Nun musste Jasmin lachen.

       “Jetzt weiß ich wenigstens, was ich hier mache, zu deinem Glück hab ich nicht nur Psychologie studiert, sondern auch verschiedene Sprachen. Einfach nur, weil mich Sprachen faszinieren.”

       Die Augen von Jens wurden größer, er hatte viel über Jasmin gewusst, zumindest dachte er das, aber dass sie verschiedene Sprachen beherrschte, war ihm allerdings neu.

       “Ja und jetzt, was starrst du das Blatt so an, los übersetzte es!”

       Es war Jens anzumerken, dass er nervös wurde, am liebsten hätte er die Übersetzung aus ihr raus geprügelt. Jasmin fühlte sich von Jens unter Druck gesetzt, sie konnte sich nicht mehr auf die Schrift konzentrieren.

       “Moment mal, ich muss das erst mal lesen und mich darauf konzentrieren, sonst haben wir nachher einen falschen Text. Willst du das?”

       Jasmin war gereizt, sie konnte es nicht leiden, wenn sie dermaßen bedrängt wurde.

       “Wie wäre es, wenn du dich anziehst, während ich versuche, das hier zu übersetzten?“

       Jens spürte der bissige Unterton und merkte, dass er etwas zu weit gegangen war. Er hätte sie nicht so anblaffen dürfen. Langsam ging er ins Bad hinüber, neue Kleidung hatte er sich schon vor dem Duschen bereitgelegt.

       Nun war es an Jasmin, den Text ordentlich zu übersetzen, ihr Italienisch war schon etwas eingerostet, aber gerade diese Sprache gefiel ihr. Neben Spanisch und Französisch war es die romantischste Sprache der Welt. Sehr weich und temperamentvoll war ihr Klang. Beinah hätte sie vergessen mit der Übersetzung anzufangen, da ihre Gedanken sie in ferne Zeiten geführt hatte. Damals war sie oft mit ihren Eltern in Urlaub gefahren, auch als Jens die Familie verlassen hatte, hielten ihre Eltern daran fest, mindestens einmal ihm Jahr ins Ausland zu fahren. Nur machten Jasmin die Urlaube ohne Jens keinen Spaß mehr.

       Kapitel IX

       Dass der Text in Italienisch verfasst war, machte Jasmin weniger Schwierigkeiten, aber die alte Handschrift und der Schriftstiel stellten sie vor ein Problem. Sie beschloss, erst mal etwas zu essen, bevor sie sich an die Arbeit machen würde. Auch Jens, der gerade wieder auftauchte, hatte Hunger. Beide genossen jeweils eine Tiefkühlpizza. Nachdem sie wieder gestärkt waren, konnte sich Jasmin an die Arbeit machen. Sie stürzte sich auf die Übersetzung, dazu nahm sich Jasmin einen Block und ein Wörterbuch. Auf dem Block notierte sie ihre Übersetzungsversuche, während dieser Zeit war sie nicht ansprechbar. Für Jens wurde es immer unerträglicher, so lange warten zu müssen.

       Er beschloss sich an Jasmins Computer zu setzen und etwas im Internet zu forschen. Durch seinen Professor an der Uni hatte er Zugang zu sehr vielen geschichtlichen Daten.