Robert Klotz

Sünder


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Sie von hier, ich brauche keine weltliche Unterstützung.“

      „Da liegen Sie bei mir aber falsch“, antwortete Markus, „ich bin kein Anwalt, ich bin hier im offiziellen Auftrag des Vatikans, Pfarrer Brahm.“

      Die Augen des Mannes weiteten sich. Er war mit einem Satz auf den Beinen und direkt bei der Türe.

      „Hat Gott meine Gebete erhört?“, fragte der Mann.

      „Wenn Sie von Gott sprechen, dann kann ich ihnen keine Antwort geben. Ich bin auf jeden Fall nicht hierhergekommen, um sie aus Ihrer Zelle zu holen.“

      Der Mann sank sichtlich in sich zusammen.

      „Erzählen Sie mir, was genau mit Ihnen passiert ist“, forderte Markus den alten Mann auf, „Sie sind nicht der einzige, der in Gefahr schwebt.“

      „Also gibt es doch mehrere? Pfarrer Stolz hat mir auch sowas gesagt …

      ich war heute Morgen in der Kirche meines alten Freundes, Pfarrer Steiner. Er hat die Nachbargemeinde geleitet. Die Polizei war bereits dort. Als ich dann aus dem Gang ins Kirchenschiff gegangen bin, habe ich auch zum ersten Mal diesen Geist, Dämon oder was auch immer er ist, in einem Spiegel gesehen. Dann haben die Stimmen angefangen, mit mir zu reden. Sie haben mir gesagt, dass ich der Nächste bin und heute Abend sterben werde. Ich dachte zuerst, dass ich mir das Alles nur einbilde, weil nur ich die Stimmen hören konnte, aber es wirkte zu real.

      Danach bin ich zu einer Hellseherin gefahren …“

      „Hellseherin?“, unterbracht ihn Markus, ungläubig.

      „Ja, Hellseherin. Was soll ich dazu sagen? Ich dachte, sie kann mir vielleicht weiterhelfen. Sie hat sich dann aber als Scharlatan herausgestellt, hat mir gesagt, sie hätte alle Geister beruhigt und ich müsste mir keine Sorgen mehr machen. Auf meinem Weg hinaus ist dann einer der Geister in ihr Kind gefahren. Er hat mir prophezeit, dass ich nicht mehr lange leben werde.

      Die Mutter ist natürlich ausgeflippt und ich bin davongelaufen. Mir ist dann auch klar geworden, dass Hellseher und Geisterbeschwörer mir nicht helfen können, und so habe ich mich auf die Suche nach einem Pfarrer begeben, bei dem ich die Beichte ablegen kann.“

      „Wie hieß der Pfarrer?“, fragte der Mann vor der Zelle.

      „Pfarrer Stolz. Er hat mir die Beichte auch abgenommen und mir auferlegt, mich der Polizei zu stellen. Seitdem bin ich hier am Beten, und die Stimmen lassen mich in Ruhe“, bei diesen letzten Worten erschien ein gequältes Lächeln auf dem Gesicht des Pfarrers.

      Markus vollendete seine Notizen aber steckte das kleine Buch noch nicht wieder in die Jackentasche.

      „Können Sie sich sonst noch an irgendetwas erinnern? Wie schauen die Geister aus? Was genau haben sie gesagt?“

      Der Pfarrer legte seine Stirn in Falten und schien sich zu konzentrieren.

      „Wirklich gesehen habe ich nur den ersten, in der Kirche. Ansonsten schauen sie aus wie Schatten und Rauch. Als ob man ein Bild zu lange belichtet hätte. Sie wohnen in der Dunkelheit.“

      „Wie können sie sicher sein, dass es mehr als einen Geist gibt?“

      Wieder überlegte der Mann in der Zelle.

      „In der Kirche haben viele auf mich eingeredet …

      Schänder, schuldig, Mörder! Das haben sie immer wieder zu mir gesagt … und der Geist, der mich bei der Hellseherin bedroht hat kannte mich von früher.“

      Markus stutzte.

      „Wie meinen Sie das?“, fragte er.

      „Er hat mir etwas gesagt, was nur ich und jene Kinder mit denen ich Umgang hatte, wissen konnten. Vielleicht ist das die Strafe Gottes, für Leute wie mich.“

      Durch das dicke Glas konnte Markus sehen, wie sich Tränen in den Augen des Priesters sammelten.

      „Glauben Sie, dass Sie die Nacht hier drinnen überleben?“

      Markus lief ein kalter Schauer den Rücken herunter, als er die Worte aussprach und das Gesicht des Pfarrers sackte zusammen.

      „Wenn Gott mir vergeben kann“, kam die resignierte Antwort.

      „Ich war heute schon bei ihrem Haus. Sie sind Maria wohl schon sehr ans Herz gewachsen. Gibt es irgendwas, was ich ihr ausrichten soll?“

      Der alte Mann schüttelte den Kopf, sprach dann aber:

      „Sie soll den Umschlag nicht vergessen. Und richten sie ihr aus, dass es mir Leid tut.“

      Mit diesen Worten drehte sich der alte Mann um und nahm seinen angestammten Platz am Boden ein, um weiter zu beten.

      Markus ging den Gang zurück zu Janine und dankte ihr nochmals. Als sie wieder in der Eingangshalle waren, überreichte sie im einen kleinen Stapel Dokumente und bat ihm, diese mitzunehmen und die Haushälterin zu fragen, wer der Anwalt des Pfarrers war.

      Das alles interessierte Markus nicht im Geringsten. Wenn der alte Mann tatsächlich die Nacht überstehen sollte, was er aber für unwahrscheinlich hielt, würde er Kirby fragen, ein paar Nachforschungen über den Pfarrer anzustellen. Die Dokumente konnte er währenddessen der Haushälterin aushändigen.

      Die Worte „Schuldig“, „Schänder“ und „Mörder“ schienen in seinem Gehirn ihre Kreise zu ziehen. Er konnte sich dunkel daran erinnern, sie in letzter Zeit gehört zu haben.

      Als seine Hand schon auf der Türklinke lag, erinnerte er sich noch einmal an die letzten Worte Marias.

      „Janine! Der Pfarrer ist heute mit einem Auto hierhergekommen. Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass ich es wieder mitnehmen kann?“

      „Leider nicht, Herr Markus. Die Schlüssel sind in Gewahrsam und das Auto wird wohl noch untersucht werden.“

      „Ja, sowas dachte ich mir auch schon“, gab er ruhig zurück und ging aus dem Gebäude.

      Es war nun schon beinahe 6 Uhr. Pfarrer Brahm hatte, wenn es schlecht lief, nur noch ein bis zwei Stunden Zeit.

      Markus zog sein Handy und wollte schon Davids Nummer wählen, bevor ihm wieder einfiel, dass sein Freund in einem Koma lag.

      Kirby hatte wohl schon lange sein Büro verlassen, was bedeutete, dass er erst am nächsten Morgen wieder erreichbar sein würde.

      Er fluchte innerlich, nicht sicher, was er als Nächstes tun sollte und, als ob ihn jemand erhört hätte, läutete sein Handy in seiner Hand. Davids Nummer erschien am Display.

      Markus nahm den Anruf an.

      Kapitel 17

      „Monsignore Fermi! Monsignore Fermi!“, hallte es durch die alten Gemäuer und der jung aussehende Bursche brach förmlich durch die Türe zu Adriano Fermis Büro.

      Der Kardinal schaute von dem Bildschirm seines Computers auf und betrachtete den Neuankömmling mit einer Mischung aus Neugierde und Besorgnis.

      „David! Er ist wach!“, schnaufte der junge Mann atemlos.

      Der Kardinal sprang von seinem Stuhl auf und ging durch sein Büro.

      „Bist du dir sicher?“

      „Ja, euer Ehren. Ich bin neben seinem Bett gesessen, als er sich auf einmal aufgesetzt hat!“

      Die Anspannung strömte förmlich aus Adriano Fermi und er machte sich auf den Weg zu Davids Gemächern.

      Der junge Assistent war ihm über die letzten Jahre sehr ans Herz gewachsen. Was als normales Arbeitsverhältnis begonnen hatte, war zu einer wirklichen Freundschaft geworden und jene waren in dieser Zeit eine Seltenheit. David war beinahe so etwas wie ein Ziehsohn für ihn gewesen, auch wenn so ein Verhältnis in diesen Gemäuern gerne kritisch beäugt wurde.

      Sie hatten viele Abende mit Schachspielen oder Diskussionen