Robert Klotz

Sünder


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um in das besorgte Gesicht von Maria zu schauen.

      „Es ist etwas Furchtbares passiert“, sagte sie.

      Kapitel 15

      Sebastian Brahm parkte sein Auto vor einer kleinen Kirche in einem der Dörfer, auf seinem Weg zurück. Er befand sich nur wenige Kilometer von seiner eigenen entfernt, diese schien aber für seine Zwecke ausreichend zu sein.

      Der Pfarrer, der die Gemeinde leitete, hatte bisher wenig mit ihm zu tun, was ihm aber auch gerade recht kam. Als er wieder nach Deutschland zurückgekommen war, hatte es einen gewissen Widerstand gegen ihn gegeben. Natürlich war den umliegenden Pfarrern vom Bischof persönlich verboten worden, öffentlich über seine Vergangenheit zu reden, was die Leute aber nicht davon abhielt, hinter verschlossenen Türen über ihn zu urteilen.

      Diese Kirche war nicht annähernd so groß wie jene, die er oder Franz geleitet hatten, was ihm ein gewisses Überlegenheitsgefühl brachte. Sie wirkte, als ob sie höchstens fünfzig Gläubige fassen konnte, und der Pfarrer war einer dieser jungen, modernen, Gottesdiener.

      Er stieg gemächlich aus und schritt auf die Pforte zu, als ihm jemand den Weg verstellte. Ein hochgewachsener Mann, mit aschblondem Haar starrte böse auf ihn herab.

      „Was wollen Sie hier?“, fragte er ihn und betonte dabei das „Sie“ besonders.

      „Ich muss mit dem Pfarrer reden. Bitte gehen Sie mir aus dem Weg.“

      Brahm musste sich zusammenreißen, um keinen aggressiven Tonfall anzuschlagen, doch der großgewachsene Hüne bewegte sich keinen Millimeter.

      „Ich glaube nicht, dass unser Pfarrer mit Leuten wie Ihnen irgendetwas zu bereden hat“, sagte er nur, die Augen nicht vom anderen Mann nehmend.

      „Hans! Es ist schon in Ordnung. Lass ihn durch“, kam eine Stimme aus dem Kirchenschiff.

      Ein junger Mann hatte gerufen und stand nun lässig auf der obersten Stufe, die von der Kirchentüre hinabführte.

      Er machte ein paar Schritte auf sie zu und der Riese trat endlich zur Seite.

      „Woher wussten Sie, dass ich gerade hier anzutreffen bin?“, fragte er den älteren Pfarrer und streckte dabei die Hand aus.

      „Zufall“, entgegnete Pfarrer Brahm. Wenn er hier niemanden vorgefunden hätte, wäre er einfach zur nächsten Kirche weitergefahren. So sparte er sich aber den Weg.

      Er ergriff die Hand des jungen Pfarrers und stellte sich vor.

      „Pfarrer Brahm, ich bin der Leiter der Nachbargemeinde. Ich glaube nicht, dass wir schon das Vergnügen hatten.“

      Aus der Nähe betrachtet sah er jetzt die graublauen Augen seines Gegenübers. Augen, die einem das Gefühl gaben, vollkommen durchschaut zu werden.

      Sebastian Brahm wollte sie ihm hier und jetzt aus dem Kopf drücken.

      „Nein, hatten wir nicht. Christian Stolz ist mein Name. Hoch erfreut“, entgegnete er ihm.

      „Gehen wir lieber in mein Büro, da können wir ungestört reden.

      Hans, bitte kümmere dich um die Äste“, sagte er noch zu dem großgewachsenen Mann, bevor er sich umdrehte und seinem Besucher anzeigte, ihm zu folgen.

      Der Riese brummte nur und ging davon.

      „Sie wissen ja wie das ist. Die Leute bauen eine Verbindung zu ihrem Priester auf und sind dann sehr argwöhnisch, wenn Fremde auftauchen.“

      Pfarrer Brahm nickte und gab sich Mühe, mit dem Jüngling Schritt zu halten.

      Das Innere der Kirche machte einen größeren Eindruck als es von außen den Anschein hatte. Die Holzbänke waren zwar nicht blankpoliert, wie jene auf denen er heute Morgen gesessen war, sie machten aber dennoch einen imposanten Eindruck.

      Der Altar, leicht erhoben im hinteren Teil des Kirchenschiffs schaute, für Sebastian Brahms Geschmack, ein wenig zu neu aus, aber die Kirchenfenster erschienen in der vormittäglichen Sonne in unwiderstehlichem Glanz.

      Sie durchquerten das Kirchenschiff und gingen auf der rechten hinteren Seite durch eine kleine, unauffällige Türe. Das Büro, das sich dahinter verbarg, rundete den Eindruck, den er von dem jungen Pfarrer hatte, vollkommen ab. Ein Laptop befand sich auf seinem Schreibtisch, hinter dem ein großer, lederner Chefsessel stand. Für Besucher waren zwei bequeme Polsterstühle bereitgestellt und ein Flachbildfernseher hing an einer der Wände.

      So etwas würde es bei ihm nie geben, dachte sich Pfarrer Brahm. Ein Büro hatte respekteinflößend zu wirken, und nicht wie das Zimmer eines 15-Jährigen.

      Pfarrer Stolz setzte sich in seinen Chefsessel und wies seinen Besucher an, auf einem der Polsterstühle Platz zunehmen, was dieser aber nicht tat.

      „Ich stehe lieber, wenn es Ihnen nichts ausmacht“, sagte Pfarrer Brahm und sein Gegenüber zuckte nur mit den Schultern.

      „Wie es Ihnen recht ist. Nun, warum sind Sie heute hier?“

      „Ich möchte die Beichte ablegen.“

      Der junge Pfarrer runzelte seine Stirn und betrachtete sein Gegenüber ein paar Sekunden lang argwöhnisch.

      „Ich habe die Geschichten über Sie gehört. Also die von damals, aber auch einige von heute.

      Es ist wahrscheinlich nicht in meinem Interesse, dass ich sie hier nochmals genauer höre. Sie sollten zu Ihrem Kollegen, Pfarrer Steiner gehen, er kann das auch für Sie machen und zwar ohne in ein moralisches Dilemma hereingezogen zu werden.“

      Sebastian Brahm wurde bleich. Der Anblick seines Freundes, auf dem Boden seiner Kirche liegend, erschien ihm wieder vor seinem geistigen Auge. Er räusperte sich, um sich wieder zu fangen und erwiderte:

      „Pfarrer Steiner ist tot. Er wurde heute in der Nacht angefallen und umgebracht und ich habe berechtigte Sorgen, dass ich der Nächste bin.“

      Die Augen des jungen Mannes weiteten sich im Schock.

      „War es eine dieser Morde?“, stammelte er.

      Nun war es an Pfarrer Brahm, seine Stirn in Falten zu legen.

      „Was meinen Sie damit?“

      „Es gibt Gerüchte, dass in letzter Zeit vermehrt katholische Priester umgebracht werden. Aber das so etwas in unserer Mitte passiert!

      Woher wissen Sie das mit dem Mord überhaupt?“

      Unruhig ging der ältere Pfarrer vor dem Schreibtisch auf und ab.

      „Ich war heute Morgen bei ihm in der Kirche. Als ich das Gebäude betrat, befand sich schon die Polizei dort. Irgendwie habe ich es geschafft, mich an den ganzen Uniformierten vorbei zudrücken und stand auf einmal vor seiner Leiche. Er war wirklich schlimm zugerichtet. Und seitdem, verfolgt mich etwas.“

      „Was genau verfolgt Sie?“, fragte der junge Pfarrer.

      „Ein Geist … oder mehrere. Ich habe das Gefühl, sie beobachten mich. Sie sagen mir Dinge, die niemand außer mir wissen kann …

      Und versprechen mir, dass sie mich heute Abend als Nächsten holen werden.“

      Pfarrer Stolz schüttelte seinen Kopf.

      „Kann es sein, dass Sie einen Nervenzusammenbruch erlitten haben? Ich meine, es könnte ja sein, dass Sie sich das alles nur einbilden …“

      „Nein“, sagte der Besucher vehement. „Nein. Diese Dinger spielen mit mir. Sie können von Menschen Besitz ergreifen, und zumindest einmal hat es auch die Mutter eines Kindes miterlebt.“

      „Sie haben doch nicht etwa … Sie wissen schon …?“,