Robert Klotz

Sünder


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Sie sich doch“, forderte ihn die Frau auf, und zeigte auf die Couch, aber der Pfarrer schüttelte nur den Kopf und trat hinter ihr in eine kleine Küche ein. Auf einer der 4 Herdplatten stand ein Topf, indem eine undefinierbare, rote Masse vor sich hin köchelte, während die Frau anscheinend schon Nudeln in ein Sieb abgeseiht hatte.

      „Was genau kann ich für Sie tun?“, fragte die Wahrsagerin nachdem er ein paar Minuten lang schweigend hinter ihr gestanden war, ohne sich umzudrehen.

      „Jemand … nein, etwas ist hinter mir her. Es hat gestern Nacht meinen Freund ermordet und als ich ihn heute besuchen wollte, hat es mir gesagt, dass ich der nächste bin. Ich brauche jemand, der mit übernatürlichen Wesen kommunizieren kann. Vielleicht können Sie für mich einen Aufschub erwirken, oder mir zumindest sagen, wie ich es aufhalten kann.“

      Kassandra hielt ihm den Rücken zugewandt während sie überlegte.

      „Okay. Machen wir es gleich. Danach will ich Sie aber aus meiner Wohnung haben“, sprach sie, drehte sich um und führte ihn ins Wohnzimmer.

      Sie setzten sich an den kleinen Tisch und sie bat ihn, seine Hände auszustrecken, was er auch prompt tat. Als Nächstes nahm sie seine Hände in ihre und fing an etwas vor sich hin zu murmeln. Pfarrer Brahm schaute während der Prozedur verloren durch die Wohnung, nicht mehr sicher, was genau er hier eigentlich zu suchen hatte.

      Nach etwa fünf Minuten des Schauspiels schaute sie auf, lächelte ihn an und sprach:

      „So. Ich habe die Wesen um Sie herum besänftigt. Nun würde ich Sie bitten, dass Sie auch ihr Versprechen halten und mich alleine lassen.“

      Verdutzt starrte der Pfarrer die junge Frau an.

      „Sind Sie sich sicher?“, fragte er.

      „Ja. Absolut sicher. Sie müssen sich keine Sorgen mehr vor heute Abend machen, niemand wird Ihnen etwas antun. Ich habe alle bösen Energien um Sie herum verscheucht.“

      Herr Brahm schloss die Augen und konzentrierte sich. Er fühlte sich tatsächlich besser. Die Blicke, die ihm seit dem Morgen immer im Genick zu haften schienen konnte er nun nicht mehr spüren. Vielleicht hatte sie wirklich ein Wunder für ihn vollbracht.

      Vorsichtig stand er auf und sie folgte seinem Beispiel.

      „Eigentlich hätte ich mir mehr erwartet“, sagte er, als er sich unruhig mit der Hand im Nacken kratzte, „Kerzen und Beschwörungen und dergleichen.“

      Ein befreites Lächeln war auf seine Lippen getreten.

      „Die Kerzen hole ich nur für Leute raus, die eigentlich nur eine kleine Aufmunterung brauchen. Die wirkliche Macht kommt von innen.“

      Die Frau imitierte sein Lächeln und klopfte ihm nun leicht auf die Schulter.

      „Ach ja, bevor ich’s vergesse“, sagte Sebastian Brahm und zog seine Geldtasche heraus. Er legte der jungen Frau 200€ auf den Tisch, seinen Führerschein und ihr Handy dazu.

      „Ich hab’s Ihnen ja versprochen. Den Führerschein können Sie mir entweder zusenden oder der Polizei übergeben.“

      Damit drehte er sich um, ging in Richtung des Ausgangs und wäre fast in ein kleines Mädchen gelaufen, das sich hinter der Türe versteckt hatte.

      Der erwachsene Mann bückte sich runter, so, dass er fast auf Augenhöhe mit ihr war, tätschelte ihren Kopf und sprach:

      „Mein Name ist Sebastian. Ich bin ein Freund deiner Mutter, und wie heißt du?“

      Das Mädchen starrte ihn weiter mit ihren großen, kindlichen Augen an und erwiderte in einer monotonen Stimme:

      „Du wirst sterben, Brahm. Sie kann dir nicht helfen. Niemand kann dir helfen. Bald sind wir bei dir. Du gehörst uns. Aber keine Sorge, es wird nicht wehtun“, die nächsten Worte sprach der Pfarrer mit dem Kind im Einklang:

      „Und wenn doch, dann nur ein kleines Bisschen.“

      Er verlor im gleichen Moment die Balance, als das Mädchen aus seiner Trance erwachte und einen ohrenbetäubenden Schrei ausstieß.

      Die Mutter war in Sekundenbruchteilen bei ihrem Kind und schloss es in ihre Arme.

      „Sophie!“, schrie sie, um ihr Kind zu übertönen, „es wird alles wieder gut. Was zur Hölle war das gerade?“

      Die Frage schien sie dem Pfarrer, der nun auf seinem Rücken lag, gestellt zu haben, aber er brachte kein Wort heraus.

      Stattdessen starrte er aus seiner Position weiter ungläubig das Kind an.

      Als es sich endlich beruhigt hatte, hatte auch er seinen Entschluss gefasst. Er erhob sich schnell und verließ die Wohnung, die panischen Fragen der Mutter ignorierend.

      Der Weg zu seinem Auto verlief ereignislos. Sebastian Brahm war viel zu sehr damit beschäftigt, über das Gehörte nachzudenken. Dieses Ding, was auch immer es war, kannte ihn persönlich. Er hatte keine Ahnung, wie es in das Kind gefahren war, aber dieses Detail war nun nebensächlich.

      Früher, bevor er nach Südamerika ins Exil geschickt worden war, hatte er den Kindern immer versprochen, dass es nicht wehtun würde, und wenn doch, dann nur ein kleines bisschen.

      Als dann die Eltern ihm mit diesem Satz zur Rede stellen wollten, hörte er damit auf und hatte ihn seitdem nie wieder verwendet. Nicht einmal Franz hatte davon gewusst.

      So schlimm wie ihn diese Information auch getroffen hatte, nun konnte er sich zumindest eine Vorstellung von diesem Geist machen.

      Außerdem war ihm jetzt eine neue Idee gekommen:

      Beichten. Er musste jemand finden, bei dem er die Beichte ablegen konnte, bevor es zu spät war. Alle seine Sünden würden vergeben werden und dieses Ding konnte ihm dann sicherlich nichts mehr anhaben.

      Gedankenverloren stieg er in sein Auto und ignorierte dabei die Bewegungen, die in den Schatten um ihn herum stattfanden.

      Auf dem Weg heim würde er genug Kirchen finden. Die Pfarrer dort schienen ihn zwar nicht sonderlich zu mögen, aber sie konnten ihm seinen Wunsch kaum verweigern. Er startete den Motor und fuhr auf die Straße hinaus, während unzählige Augen ihn aus den Schatten hasserfüllt anstarrten.

      Kapitel 14

      Markus fand sich vor einem kleinen, unscheinbaren Häuschen wieder, als er aus dem Taxi stieg. Die graue Farbe schien speziell gewählt worden zu sein, um das Anliegen möglichst unauffällig zu machen, aber er wusste, was sich darin verbarg.

      Ein Monster, anders konnte und wollte er den hier ansässigen Pfarrer nicht bezeichnen. Jemand der sich seit Jahrzehnten an unschuldigen Kindern verging konnte auf keinerlei Mitgefühl von ihm hoffen.

      Wenn er nicht den Auftrag bekommen hätte, die ganze Sache genauer unter die Lupe zu nehmen, wäre er bereits wieder am Weg zurück in den Vatikan. So aber würde er sich jetzt mit diesem Pfarrer Brahm an einen Tisch setzen müssen, und versuchen, irgendwelche Informationen aus ihm herauszubekommen.

      Er atmete nochmals tief durch, ging dann die drei kleinen Stufen zur Haustüre hoch und betätigte die Klingel. Er musste viermal läuten, bevor die Tür vor ihm einen Spalt geöffnet wurde und eine viel zu junge Person zu ihm aufblickte.

      „Ja?“, fragte eine weibliche Stimme.

      „Grüß Gott“, antwortete er, „Ich bin auf der Suche nach einem gewissen Sebastian Brahm. Laut meinen Unterlagen sollte er hier wohnen.“

      Die junge Frau erwiderte: „Er ist aktuell nicht hier. Da müssen Sie später wiederkommen.“

      Und schloss die Türe vor seinem Gesicht.

      Genervt klingelte Markus erneut und der Eingang öffnete sich wieder einen Spalt.

      „Was wollen Sie hier noch?“, fragte die Frau wieder.

      „Ich