Robert Klotz

Sünder


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einfach auf den Weg machen, ein wenig durch die Gänge spazieren würde ihm sicher weiterhelfen.

      Als er die Augen wieder öffnete, brauchte er ein paar Sekunden, bevor er wieder sehen konnte.

      „Seltsam“, dachte er sich nur und setzte sich auf.

      Sein Zimmer war, bis auf das Bett und den Schreibtisch, leer. Kein Laptop, keine Bücher, nicht einmal sein Teppich war noch vorhanden. Statt eines großen Fensters mit einem Ausblick auf alte Häuser sah David nur eine graue Wand.

      Die Glühbirne in diesem Raum hing ungeschützt an einem Kabel und baumelte so, trostlos, von der Decke.

      Ein Knall ertönte und die schwere Holztür, die sein Zimmer von der Außenwelt trennte, flog wie von Geisterhand auf.

      Ein vielleicht 16-jähriger Junge mit braunen Haaren und einem südländischen Teint trat in den Raum und blickte zu David hinüber.

      „Gute Morgen, David“, grüßte er emotionslos und die Türe fiel unberührt hinter ihm ins Schloss.

      „Wer sind Sie und was wollen Sie hier?“, fragte der junge Assistent nervös.

      „Ich bin der, den du hergeholt hast. Du hast so lieb gebettelt. Jetzt bin ich hier und du wirst mir dabei helfen, dir zu helfen.“

      David schaute verdutzt zu dem Jungen hoch, der sich auf ihn zubewegte und fühlte sich zusammenschrumpfen.

      „Weißt du, du bist nicht der Erste, der hinausgerufen hat, ohne darüber nachzudenken, wer dich hören könnte. Aber zum Dank zeige ich dir jetzt meine Heimat“, sprach er, packte David am Hals und starrte tief in seine Augen.

      Der schwarzhaarige Assistent fing an zu schreien.

      Kapitel 8

      Je mehr er über das Erlebte nachdachte, desto klarer wurde Sebastian Brahm, dass ihm die Zeit davonlief. Er war sich sicher, dass es nicht nur Halluzinationen gewesen waren.

      Die Ausgeburt der Hölle würde ihr Wort halten und heute Nacht das Gleiche mit ihm anstellen, was sie Franz angetan hatten.

      Der Blick auf seine Armbanduhr zeigte 09:45, also blieben ihm noch gute 10 Stunden Zeit, eine Lösung zu finden. Normalerweise würde er jedem, der mit so einem Problem zu ihm kam, anweisen, in einer Kirche die Nacht im Gebet zu verbringen, aber er hatte selbst gesehen, dass Kirchen ihm keinen Schutz bieten würden.

      Maria, die ihm selbst mit einem Kaffee am kleinen Küchentisch gegenüber saß, musterte ihn weiterhin besorgt.

      „Also du glaubst wirklich, dass irgendwelche Geister hinter dir her sind?“, fragte sie erneut.

      „Ja“, war seine Antwort, wieder.

      Sie hatten das ganze Szenario bereits drei Mal durchgekaut und langsam ging ihm die Geduld aus.

      „Kannst du nicht den Bischof anrufen?“, fragte die blonde Frau.

      „Hab ich schon versucht, er wird mich in den nächsten Tagen zurückrufen“, entgegnete er ihr.

      In Wahrheit würde er keine Rückmeldung bekommen. Der Bischof wusste mehr über die Situation, als er selbst und da er nicht erfreut gewesen war, einen pädophilen Pfarrer in seinem Umfeld zu haben, würde er auch keinen Finger für ihn krumm machen.

      Er zermarterte sich weiter das Hirn, während er nach einem Ausweg aus dieser Situation suchte.

      „Kannst du nicht jemanden direkt im Vatikan erreichen?“

      Maria schien das Ganze nicht sonderlich ernst zu nehmen.

      „Als kleiner Pfarrer? Ich hätte eine größere Chance, von Gott persönlich eine Antwort zu bekommen“, gab er entnervt zurück.

      Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er wieder den Jugendlichen vor sich, der ihm mit einem widerlichen Grinsen folgte.

      Pfarrer Brahm stand auf und verließ das Zimmer. Er konnte den Anblick von Maria, wie sie so halb verträumt dasaß, nicht mehr ertragen.

      Schnurstracks marschierte er die Stiegen des kleinen Hauses hinauf und ließ sich in den großen, bequemen Sessel in seinem Büro fallen. Von da aus ließ er seinen Blick über sein Bücherregal streifen. Die Sammlung an theologischen Werken schien ihm nutzlos, gleich wie die Krimis, die er als Abendlektüre gerne las, aber sie brachten ihn auf eine Idee.

      Drei der Bücher hatten das Wort „Geist“ im Titel, und wer kannte sich mit Geistern aus?

      Sebastian brauchte ein Medium. Es klang wie eine der halbgaren Schnapsideen, die hin und wieder von Maria kamen, aber zumindest war es eine Idee.

      Er klappte den Laptop, der ihm zu Weihnachten geschenkt worden war, auf und ließ die Maschine hochfahren.

      Das Erste, was er in die Suchmaschine eingab war „Medium“ und zu seiner Überraschung kamen lauter Suchbegriffe über die Größeneinheiten und der Rest waren Artikel über Datenträger.

      Frustriert löschte er die Eingabe und versuchte es mit „Medium“, „Geist“ und den Namen der nächstgrößeren Stadt.

      Diesmal erschienen sinnvollere Ergebnisse, unter anderem auch eine Liste von Damen und Herren, die von sich behaupteten, mit Geistern in Verbindung treten zu können.

      Die Bilder auf den Webseiten ließen seine aufkeimende Hoffnung aber wieder sinken. Jeder Einzelne von ihnen könnte problemlos im Wörterbuch unter dem Begriff „Scharlatan“ abgebildet sein.

      Aber wenn Geister real waren, musste es doch zumindest irgendwo Leute geben, die sich mit ihnen auskannten. Pfarrer Brahm zog sein Handy aus der Tasche, spürte, dass er immer noch das Bündel an Fotos darin verstaut hatte, und wählte die erste Nummer.

      Kapitel 9

      Papst Gregor XVII, dessen bürgerlicher Name Georg Pkat war, saß seit mittlerweile über 24 Stunden wie angewachsen an seinem Schreibtisch.

      Auch wenn einige seiner Berater versucht hatten, ihn vor der Wahrheit zu schützen, schlechte Nachrichten schienen dennoch immer einen Weg zu ihm zu finden.

      Ein Stapel alter Manuskripte und persönlicher Tagebücher längst toter Päpste lag vor ihm auf seinem Schreibtisch und er durchstöberte sie alle, um zumindest einen Anhaltspunkt auf die aktuelle Situation zu finden.

      Soweit er wusste, befand sich die Kirche in ernster Bedrängnis. Überall auf der Welt wurden Priester attackiert und umgebracht und seine Untergebenen schienen keinen Plan zu haben, was sie dagegen unternehmen konnten.

      Er selbst hatte auch keinen genauen Plan, aber in solchen Situationen war es das Beste, die Gedankengänge seiner Vorgänger eingehend zu studieren. Er war gerade bei den Aufzeichnungen des Papstes Innozenz XII, als ihm eine bestimmte Passage ins Auge sprang.

      Die Tagebücher berichteten von Menschen in Italien, die in Häusern und Kirchen zu Tode geprügelt aufgefunden worden waren. Die Leichen waren schlimm zugerichtet und die Kirche stritt sich darum, ob der Täter ein Mensch oder Tier war.

      Der Pontifex notierte sich die Jahreszahl auf einen Zettel und wollte schon nach seinem Diener klingeln, als ihm auffiel, wie sehr ihn sein Rücken und Nacken schmerzte.

      In seinem Alter war das beileibe nicht ungewöhnlich, aber er nahm sich trotzdem vor, selbst aufzustehen und nachschauen zu gehen.

      Die Muskeln, die ihm 87 Jahre lang den Dienst nicht versagt hatten, würden ihm auch jetzt beistehen, dessen war er sich sicher. Er öffnete die Türe zu seinen privaten Gemächern und spürte einen ungewöhnlich kühlen Windzug durch die Gänge des Apostolischen Palastes ziehen. Georg Pkat glaubte kurz, Stimmen vernehmen zu können, die ihn aus der Dunkelheit anschrien, schob aber auch diese Geräusche auf ein wohl unachtsam