Maxi Hill

Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe


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Vor … ja, vor wem noch … wen kennt sie denn noch? Wo ist ihre Familie?

      Ich wusste nichts über Laila – aber sie wusste ja auch nichts von mir, von meinen Eskapaden und von meiner Schlampenwirtschaft. Jeder Mensch hat seine Geheimnisse und soll sie für sich bewahren. Sie ihre und ich meine, solange es geht. Ich wusste bis dahin selbst nicht, dass mit meinem Sexleben etwas nicht in Ordnung war, mit meinem Leben überhaupt. Laila kannte mich - mit einer unbedeutenden Ausnahme – nur gepflegt und anständig, glatt rasiert und akkurat gekleidet. Ich musste ihr also gefallen – schließlich war ich auch ohne diese spießigen Normen bei Frauen immer erfolgreich.

      In meiner stolzen Selbstbetrachtung erinnerte ich mich an ein Gespräch, das ich unlängst belauscht hatte – unfreiwillig. Es war ein Gespräch zwischen Conny und einer Kundin, die offenbar scharf auf mich war.

      »Ihr Kollege … ich meine … wie ist er denn so? «

      »In letzter Zeit hat er tolle Ideen. «

      »Ich meinte, als Mann. Ist er nett, ordentlich, fleißig? Oder eher so etwas wie …«

      »Eher so etwas wie«, beeilte sich Conny in voller Überzeugung.

      Selbst wenn sie sich für einen minimalen Zeitraum noch auf der Seite des Rechts befand, so etwas sagt man nicht zu einem Kunden. Jedenfalls nicht ungestraft. Ich wollte mich bei Gelegenheit an ihr rächen, aber dafür war Conny momentan zu innig mit Tarrach liiert.

      Nach dieser stillen Rückschau holte mich die kümmerliche Wahrscheinlichkeit aus meiner Ordnungsabstinenz, Laila könnte eines Tages vor meiner Tür stehen. Es fiel mir wahrlich schwer, denn jeder Mensch hat ein Recht auf Faulheit – das hat schon Paul Lafargue festgestellt, und das war kein Geringerer als der Schwiegersohn von Karl Marx. Seine Streitschrift sei neben dem «Kommunistischen Manifest» das wahrscheinlich populärste Buch der linken Bewegung, hatte Galle gesagt. Eigentlich müsste diese Weisheit an Galles Spiegel geschrieben werden: Arbeit sollte auf das nötigste Maß beschränkt werden. Muße ist dem Menschen viel angemessener. Arbeit ist Zwangsentfremdung von allem Schönen. Ich stöhnte, denn ich wusste, in welche Zeit ich hineingeboren war und stellte mich dem Seltenheitswert einer freiwilligen, wenn auch provokanten Mutation zum habitus correctus oder wie immer ein korrekter Mensch in gehobener Sprache heißen möge.

      Struppiges Haar, unrasiertes Kinn und brüchige Fingernägel, zerknittertes Sakko und ausgebeulte Hosen hatten, jedenfalls im Rausche meines momentanen Übermutes, der Vergangenheit anzugehören. Mama wäre überglücklich.

      Schwungvoll und mit größter Selbstüberschätzung häufte ich nach dem Musterbeispiel, das ich unlängst bei der G.U.T abgegeben hatte, allen herumliegenden Kram und Klamotten zusammen, um alles vorerst in einen der Schränke zu stopfen. Ich hätte drei davon gebraucht. Also schob ich den Rest unter mein Bett, Hauptsache es lag nichts herum. In einer der Schubladen lag eine Tischdecke, die mir Mama mitgebracht hatte. Ich befeuchtete sie, um sie so besser glätten zu können. Ich pustete die herumliegende Zigarettenasche vom Tisch und breitete das Textil darauf aus. Frappierend. Mein Zimmer sah plötzlich wie ein Salon aus. Ich brauchte mich wegen der saumseligen Einsicht trotzdem nicht zu schämen, es war ja niemand da. Am Problem erstarkt zelebrierte ich eine spontane Weisheit: Nur die Verdorbenen glauben unschuldig an ihrem Verderben zu sein.

      Ich war entweder noch nicht verdorben genug oder zählte mich bereits zu den Geläuterten.

      Der Morgen graute noch, doch die Dunkelheit hatte sich hinter die Stadtgrenzen verzogen. Vom Osten her lichtete sich bereits der Horizont, jene Zeit also, zu der ich mich bisher noch einmal auf die anderer Seite drehte und an nichts als an die zwei freien Tage dachte, die ich mir durch nichts und von niemand nehmen ließ. Nicht an diesem Samstag. So voller Vorfreude war ich noch niemals aus meinem Bett gehüpft. Gewöhnlich schlief ich bis zum Nachmittag. Fast eine Stunde lang saß ich in der Badewanne. Ich, der seit Jahren nur noch die rasche Dusche kannte, entdeckte die Erotik des Badens. Ich betrachtete meinen Körper und kicherte, wie klein und unbedeutend, dann aber wieder groß und mächtig er mir erschien, je nach der Wasserdichte, die meinen Durchblick brach. Alles ist relativ, schmunzelte ich und freute mich auf den sonnigen Tag, der es zu werden versprach.

      Nach dem Bade probierte ich all meine Duftwässerchen aus, um herauszufinden, welches Laila gefallen könnte. Ich trödelte gut gelaunt vor mich hin, doch die Uhr schien auch nichts Besseres zu tun zu haben. Um die Zeit zu überbrücken, fiel mir ein, auch meinen Alfa-Romeo von seinem unverwechselbaren Charme einer Mülltonne zu befreien, schließlich sollte Laila mit mir fahren. Ich war mächtig stolz auf meinen wiedergeborenen Ordnungssinn, dabei gebührte der Stolz eher ihr. Sie allein war die Ursache meiner Narrheiten, zu denen ich mich seit kurzem immer wieder hinreißen ließ. Natürlich musste ich nach der Säuberungsaktion noch einmal unter die Dusche.

      Schon zwanzig Minuten vor zwei Uhr brauste ich los. Die Altstadt war ätzend, wieder kein freies Plätzchen. Warum stand Laila nicht vor dem Haus? Wir hatten es so vereinbart. Ich hasste es, wie ein Freier auf eine der Bordsteinschwalben zu warten, weniger hasste ich, mein Prachtstück in eine begehrte freie Lücke zu stoßen. Ich blieb einfach in der zweiten Reihe stehen, schaltete auf Warnblinker und sauste die Treppen hinauf, immer zwei Stufen überspringend. Zu meinem Erstaunen wurde schon vor meiner Annäherung die Tür zu Lailas Wohnung aufgerissen. Doch es war nicht die ungeduldige Laila, es war Lizzy. Sie thronte zwischen dem Türrahmen und reckte mir ihre halbentblößten Pampelmusen entgegen, ohne den Weg frei zu machen. Lasziv benetzte ihre Zunge die Oberlippe bevor sie verführerisch lächelte: »Du weißt nicht, was du tust, Matti.«

      »Doch. Ich hole Laila ab«, entfuhr es mir, obwohl ich ahnte, dass so kein Weg an Lizzy vorbei führte. Ich setzte meine gierigste Miene auf und schnippte über die Knubbel unter ihrem Pullover. Das zumindest öffnete mir zur Hälfte den Durchgang in den Flur. Lizzy konnte es nicht lassen und schubberte ein wenig nach, als ich mich an ihr vorbei zwängte. Auf meinem direkten Weg hin zu Lailas Zimmer hörte ich, wie sie giftete:

      »Sieh an, man kennt sich aus.«

      Laila saß still in ihrem Zimmer am Schreibtisch und arbeitete noch. Sie trug weiße Jeans und ein weißes T-Shirt mit verschieden breiten Querstreifen in leuchtendem Mintgrün. Ihr langes, dichtes Haar fiel glatt über die Schulter und wellte sich erst über ihrer festen Brust. Als sie mich sah, schreckte sie auf, schaute auf ihre silberne Armbanduhr und schien sich zu wundern.

      »Ich komme«, hauchte sie und zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht, das dem sonnigen Tag um nichts nachstand.

      »Ich stehe im Parkverbot«, drängelte ich.

      Laila lief zur Küche und verglich die Zeit ihrer Uhr mit dem Regulator an der Wand.

      »Gibt es heute besondere Strahlungen?«

      »Noch nicht, Schätzchen«, flötete Lizzy. Sie hatte sich an der Küchentür aufgepflanzt und grinste merkwürdig. Die Uhr in der Küche stand auf 13.30 Uhr und wie sich später herausstellte, auch Lailas Armbanduhr. Jemand wollte nicht, dass Laila rechtzeitig am vereinbarten Platz stand. Jemand, der wusste, dass ich mich von keiner Frau vertrösten ließ.

      Für den Moment hoffte ich nur, Laila würde sich beeilen. Lizzy versuchte es derweil mit ihren Verführungskünsten.

      »Vorsicht«, hauchte sie, während eine Mohrrübe wollüstig zwischen ihren kunstvoll lackierten Lippen rein und raus rutschte. »Bei Laila wirst du erst vorbohren müssen.«

      Ich wendete mich ab. Warum widerte mich plötzlich an, was mir bisher Spaß gemacht hätte. Ich kam zu dem Schluss, Laila wirkte auf mich wie diese modernen Antisuchtmittelchen. Wenn man die konsumierte, sollte die einst begehrteste Droge einen Würgereiz erzeugen.

      Etwas Neues fesselte mich und ich war drauf und dran, es zu ergründen.

      Endlich kam Laila über den Flur. Sie trug flache, sehr biegsame weiße Schuhe mit einer winzigen mintgrünen Applikation. Jedes Detail an ihr stimmte. Ich freute mich über den charmanten Unterschied. Jedes andere Mädchen hätte sich für das erste Rendezvous mächtig aufgemotzt. Nicht Laila. Das Weiß ihrer Kleidung hob die Muskathaut wohltuend hervor. Sie brauchte kein aufreizendes Dekolleté - alles an ihr sah appetitlich aus. Lizzy war kalt