Maxi Hill

Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe


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Ich machte mir darüber wenig Gedanken, ob sie etwas entrüstet haben könnte. Laila war eben anders als wir. Ich bemerkte nur, wie toll es aussah, als der leichtfließende Stoff ihrer Jacke den Blick auf ihr ansehnliches Hinterteil freigab.

       Aber was macht Laila in der Eule? Was macht ihr Nervenkostüm? Was macht sie überhaupt. Was ist sie von Beruf?

      So viele Fragen und nicht eine konnte ich beantworten. Lizzy war schließlich nicht gekommen und erst jetzt begriff ich, welchen Dusel ich damit hatte. Ich hielt es nicht mehr aus, ging unter einem Vorwand zum Tresen und bestellte einen Magenbitter. Ich redete mit dem Barkeeper über das letzte Fußballspiel unserer hochgejubelten Abstiegsmannschaft, der man nach kontroversen Diskussionen und klaffendem Haushaltsloch doch noch eine bombastische Osttribüne ins Stadion gesetzt hatte, die in Anbetracht des energielosen Unvermögens wohl bald die gleiche gähnende Leere aufweisen würde, wie der städtische Haushalt.

      »Ist doch purer Betrug, das mit den Fördergeldern«, winkte der Mann ab, verzog den Mund und wischte sich den Schaum von den Lippen. Ich konnte dem Dicken nur beipflichten.

      »Aber clever angestellt. Wenn den Herren Pensionsberechtigten etwas in den Kram passt, dann finden sie schlaue Begründungen«, gluckste er.

      »Bauernschläue. Auf die deutsch-polnische Begegnungsstätte bin ich ja mal gespannt«, gab ich ihm Recht. Über mehr sprachen wir nicht, aber jeder wusste, was kommunalpolitisch gespielt worden war. Eine Investition listig zu begründen und dafür Bundesgelder zu lockern, dafür reichten die Iden unserer Volksvertretern noch immer. Beinahe derselbe Betrug wie alles in der Werbung.

      Die Abwechslung durch meine Anwesenheit am Tresen schien dem Mann zu gefallen, seine Schimpfkanonaden nahmen kein Ende: »Rasenkomiker! Grottenschlecht wird einem dabei. Weißt du, was meine Gerti gesagt hat? Warum gehst du noch dahin? Miste den Hühnerstall aus, danach hast du das gleiche beschissene Gefühl. Recht hat sie.« Beinahe rutschten ihm die Gläser, die er ins Spülbecken tauchte, aus den aufgeregten Fingern. Doch er wetterte weiter. »Diese Großkotze. Und das für so viel Knete. Und unsereiner…?«

      »Ja, ja, ich glaube es hackt mächtig«, erwiderte ich Fußballignorant gelangweilt. Ich musste höllisch aufpassen, dass sich der Mann nicht in Ekstase redete. Schließlich sollte er mir noch eine entscheidende Frage beantworten. Während er noch wetterte und mir mit vollem Körpereinsatz die lausigsten Szenen vor dem gegnerischen Tor schilderte, betete ich heimlich zu Gott: Bitte lass Laila nicht zurückkommen. Nicht jetzt. Hier am Tresen wäre ich ihren Blicken ungeschützt ausgesetzt gewesen. Der Mann bezeichnete mich plötzlich als Kumpel und fragte: »Noch einen? «

      »Danke«, grinste ich ihn an und nutzte blitzschnell die Gelegenheit. »Sag mal, wer war die Kleine vorhin. «

      »Welche Kleine? Die Chefin meinst du, oder?«

      »Nein, die zierliche Frau in dem blauen Anzug. «

      »Ist doch die Chefin. Den Namen kann ich nicht sprechen – Elhabib oder so…«

      »Das ist deine Chefin?«

      »Nein. Nicht meine.« Er griente und reckte seinen Oberkörper in eine erhabene Position, die mir wieder einmal die Augen öffnete, warum man Bier «Molle» nennt. Den Dicken müsste ich für meinen neuesten Auftrag ködern, der wäre der ideale Typ für das Motiv, das ich suchte. «Das Bier im Manne»

      »Ich bin selbständiger Pächter«, prustete er. »Die Sahib ist die Managerin vom Kino. «

      Er rollte mit seinen verklärten Augen, als müsse jeder Mensch dieser Stadt wissen, was jeder Mensch dieser Stadt tut.

      Die Managerin vom Kino also. Ich glaubte zu träumen. Hätte mir jemand gesagt, Laila sei Abstauberin in einer Bibliothek, das hätte ich sofort geglaubt. Aber Managerin? Kann eine Nervenkranke überhaupt Managerin sein? Diese Laila wurde immer rätselhafter. Ich schlich zurück zum Stammtisch und setzte mich still wieder dazu.

      »Matti hat heute seine Tage«, hörte ich Ottmar frotzeln.

      »Nein, ihm ist nur kalt am Kinn«, nuschelte Cora, die schon vor einiger Zeit angedeutet hatte, heute wäre ein schadloses Kuscheln mit Matti möglich. Es fiel sofort auf, wenn ich einmal rasiert war. Spätestens zu dieser Zeit wusste ich, dass ich sie an jedem anderen Tag abschleppen würde. Cora war blond, hatte große dunkle Augen und sehr dünne Brauen. Alles andere an ihr war eher üppig. Sie war eine, die sehr viel Zeit damit verbrachte, jeden Zentimeter ihres Körpers zu beobachten. Wie weh ihr das tat, verrieten ihre giftigen Anfeindungen gegen jede potentielle Konkurrentin, die ohne ständige Diät auskam. Aber Cora war … nun ja, keine Perle, eher ein zu scharf geschliffener Diamant. Die Männer gafften ihr nach, wenn sie mit ihrem schwingenden Ganzkörper-Schritt provozierte. Niemand kam mit so hohen Absätzen und so engem Rock so schnell vorwärts wie Cora, und wie keine Andere beherrschte sie es, Männer einzufangen und sei es nur durch ihre Art, wie sie mit ihren Hüften schwang. Sie brauchte männliche Blicke wie den Sauerstoff zum Leben. Heute aber übertrieb sie ein wenig. Wie eine Ikone saß sie da, zückte den Lippenstift, wandte sich zu mir und schlug die langen Beine übereinander, wie eine von der leichten Sitte, die nicht mehr zu bieten hat, als ihren Körper. Ich hatte keine Lust auf Cora, schließlich hatte ich mir geschworen, für eine einzige Liebesnacht mit Laila notfalls eine gewisse Zeit blonde Frauen zu meiden. Man muss sich schließlich auf Veränderungen einstimmen.

      Ich rauchte viel zu viel und paffte die Kringel in den fetten Dunst der «Eule». Und was machte das für einen Sinn? Ich sah in jedem Kringel Laila auf dem Boden hocken und still vor sich hin summen. Langsam wurde auch ich verrückt – Laila hatte mich auf rätselhafte Weise infiziert.

      »Die weiße Unschuld- 1.20 €« stand auf dem Schild, das sich über die Blüten erhob. Im Blumenshop gleich hinter der Lindenpforte standen zu später Stunde noch Eimer und Schalen vor der Tür, prall gefüllt mit Rosen, Lilien, Rittersporn und allerlei farbenprächtigen Blüten, deren Namen ich nicht kannte. Die Kirchenglocken läuteten weit hin vernehmbar den Abend ein. Also war es kurz vor Ladenschluss und ich wunderte mich wie schon tausendmal zuvor über die Fülle der kurzlebigen Ware. Ob die Blüten je rechtzeitig an den Mann gebracht werden können, ehe sie verdorben sind? Auf den südamerikanischen Plantagen ruinierten sich die Feldarbeiterinnen für ein paar Pesos ihre Gesundheit, und wie ich unlängst gehört hatte, mit dramatischen Auswirkungen, nur um uns materialistisch orientierten verwöhnten Ästheten ein kurzes, sinnloses Vergnügen zu bereiten.

      Mir war damals schon klar, dass ich einer von denen war, die den falschen Idolen der heutigen Welt dienten – dem Profit. Jeder mitfühlende Arbeitnehmer weiß natürlich, warum die Besitzenden heutzutage die unglücklichsten Menschen unter der Sonne sind. Geld ist ein falsches Idol, Geld macht nicht glücklich - Sex ist kein falsches Idol, er ist ein gutes – er macht glücklich.

      Ich stand dazu, auch wenn ich wusste, dass Begierde schnell zur Gier werden kann, doch kann begehren auch bekehren, wie es Oma Hannah immer sagte. Sie war die Frau in meinem Leben, die mich behutsam dazu brachte, etwas dafür zu tun, um etwas anderes zu bekommen.

      In diesem Moment begehrte ich Laila. Etwas zu begehren gehört zur menschlichen Natur. Wenn man nichts mehr will, ist man vermutlich schon im Vorstadium des Todes.

      Also zog ich einen der prächtigen Stängel aus dem Bündel, zahlte und lief die verbleibenden einhundert Meter über den Neumarkt bis hin zur Marktgasse 27. Diese Blüte war zu lang, um sie unter dem Jackett zu verbergen. Außerdem trug ich keine Jacke. Jemand hatte die Haustür offen gelassen und ich sauste die Treppen empor, bis ich zaudernd auf einem der Zwischenabsätze stehen blieb, um über einen vielleicht meine Ehre vernichtenden Angriff oder den feigen Rückzug zu entscheiden. Noch niemals in meinem Leben war ich so unentschlossen, ja geradezu unsicher. Traurig? Memmenhaft?

      Nicht einmal die Geländerköpfe, mit ihren drallen Kugeln und vorwitzigen Nippeln darauf, konnten mich erheitern. Ich schlich weiter. Von oben herunter kam pfeifend ein Bursche gesprungen. Die Stufen zitterten unter der Wucht seiner athletischen Kraft. Er grinste und schlug einen Haken um mich. Unterhalb rief er mit einem kleinen Jauchzen in der Stimme zu mir zurück:

      »Lizzy ist nicht zu Hause! «

      Aha,