Problem“, antwortete Stephan und ging hinaus. Die Tür ließ er offen.
Stephan setzte sich an seinen Schreibtisch und dachte nach. Dann griff er zum Telephon.
„Hallo Patrizia“, sagte er, als sich die andere Seite meldete. „Hast Du nachher mal ‘n Moment Zeit für mich? Ich müßte was mit Dir besprechen?“
Sie verabredeten sich für zwölf Uhr im Stadtcafé. Zufrieden legte Stephan auf. Er wußte, er würde juristische Hilfe brauchen. Und Patrizia war Anwältin. Außerdem waren sie befreundet. Sie würde Zeit für ihn haben, auch wenn sie sonst ziemlich beschäftigt war.
***
Als es Zeit wurde, in die Stadt zu fahren, ging er noch einmal nach oben, um nach dem Jungen zu sehen. Kevin schlief. Er hatte die Milch ausgetrunken und die Plätzchen aufgegessen. Lächelnd betrachtete Stephan ihn. Er legte ihm einen Zettel hin und machte sich auf den Weg.
Er besorgte Kevins Medikamente aus der Apotheke und kaufte Lebensmittel ein, bevor er pünktlich zur verabredeten Zeit ins Stadtcafé ging. Patrizia wartete bereits auf ihn. Sie saß allein an einem Tisch im hinteren Bereich des Lokals und hatte ein Kännchen Kaffee vor sich stehen. Wie immer sah sie umwerfend aus. Stephan verkniff sich allerdings eine Bemerkung dazu, weil er wußte, daß sie diese Art von Komplimenten nicht besonders schätzte. Er gab ihr einen Kuß auf die Wange und setzte sich zu ihr.
„Schön, daß Du Zeit für mich hast“, sagte er.
Sie tätschelte seine Hand. „Mußte ich ja wohl. Du hast Dich angehört, als seist Du in Schwierigkeiten. Was hast Du denn angestellt?“
„Ich hab zwei Kinder gekriegt“, antwortete er.
Patrizia sah ihn völlig konsterniert an. „Du hast was?“
Stephan erzählte ihr die ganze Geschichte. Sprachlos schüttelte sie den Kopf, als er zu Ende war. Nach einer Weile meinte sie: „Du bist ja total durchgeknallt.“
„Das brauchst Du mir nicht zu sagen. Das wußte ich schon. Sag mir lieber, was ich jetzt machen soll. Ich hab die Kinder jetzt, und sie tun mir unendlich leid.“
Patrizia lehnte sich zurück und dachte nach. „Als erstes mußt Du Dir eine Vollmacht von den Eltern geben lassen“, antwortete sie schließlich. „Du kannst in Teufels Küche kommen, wenn Du die beiden einfach so bei Dir behältst. Dann mußt Du damit rechnen, daß der Alte Dich anzeigt. Körperverletzung und so. Du hast ihn ja anscheinend ziemlich übel zugerichtet. Auch die beiden Burschen, denen Du die Knochen gebrochen hast, können Dir noch ziemlichen Ärger machen. Aber das kriegen wir schon hin. Da mach Dir mal keine Sorgen. Mit den Kindern wird das schon schwieriger. Gut jedenfalls, daß Du mit diesem Lehrer gesprochen hast. Der kann uns notfalls auch helfen. Wenn es stimmt, was die Kinder Dir erzählt haben, von wegen Mißbrauch und so weiter, dann kann es gut sein, daß sich das Jugendamt einschaltet. Die Ärzte haben ja die Verletzungen festgestellt, bei dem Jungen zumindest. Das müssen sie melden. Und dann kann alles Mögliche passieren. Schlimmstenfalls werden die beiden in ein Heim eingewiesen. Wir müssen also dafür sorgen, daß sie bei Dir bleiben können. Hast Du die Putzfrau noch und den Gärtner?“
„Na klar“, antwortete Stephan. „Ohne die käme ich doch in dem großen Haus gar nicht zurecht.“
„Das ist sehr gut. Das bedeutet nämlich, daß Du nachweisen kannst, daß Du in geordneten Verhältnissen lebst und regelmäßig Kontakt zu anderen hast. Genug Geld hast Du ja auch. Ich hab gesehen, daß Du Zweihunderttausend aus Singapore geholt hast. Ich hab mich schon gewundert, warum. Jetzt kann ich mir das auch erklären. Trotzdem, es wird nicht so einfach werden. Aber das schaffen wir schon.
„Du willst mir also helfen?“
Patrizia sah ihn überrascht an. „Was hast Du denn gedacht? Stephan, nach allem, was wir beide schon zusammen gemacht haben, werd ich Dich doch jetzt nicht hängen lassen. Wie lange kennen wir uns jetzt schon?“
„Etwas über drei Jahre. Ich dachte nur, weil ich Dich doch…“
„Überlaß das Denken gefälligst mir“, unterbrach sie ihn. „auch wenn wir beide jetzt nicht mehr zusammen sind, bin ich doch immer noch Deine Freundin. Wir arbeiten zusammen, und wir mögen uns.“ Sie legte ihre Hand auf seine. „Also, auf mich kannst Du zählen.“
Er drückte ihre Hand. „Patrizia, ich weiß gar nicht, wie ich Dir danken soll.“
„Och, Dir wird schon was einfallen“, sagte sie und grinste. „War’s das jetzt?“
Er schüttelte den Kopf. „Nee, eine Sache hätt ich noch.“
„Was denn nun noch? Noch so ’ne Katastrophe?“
„Ich hab Dir ja erzählt, was passiert ist, als ich das Mädchen am ersten Tag mit zu mir genommen habe. Als sie auf einmal nackt in der Küche stand, hab ich sie mir angesehen. Sie sieht ziemlich übel aus und müßte dringend mal zum Arzt. Ich vermute auch, wegen der Verletzungen an den Stellen, die ich nicht so gut sehen konnte. Also zu einem Gynäkologen am besten. Aber sie will nicht. Wärst Du eventuell bereit, mit Ihr dahinzugehen?“
„Ja natürlich“, antwortete Patrizia sofort. „Am besten zu meiner Gynäkologin, Frau Doktor Mälzer. Wenn Du willst, mach ich gleich nachher einen Termin aus.“
„Nee, laß erst mal. Ich will vorher nochmal mit Nicole reden. Ich muß unheimlich vorsichtig sein mit ihr. Sie hat eine Wahnsinnsangst, vor allem und jedem. Ich sag Dir dann Bescheid.“
„Tu das“, sagte Patrizia und sah auf die Uhr. „Du, sei mir nicht böse, aber ich muß jetzt wieder. Ich hab den ganzen Nachmittag voller Termine. Aber ich werd mich auf jeden Fall um Dich kümmern. Kannst Dich drauf verlassen. Und bitte ruf mich an, wenn was ist.“
Sie standen beide auf. Patrizia umarmte ihn. „Du bist einfach die Größte“, sagte er.
Sie gab ihm einen Kuß auf die Stirn. „Papperlapapp“, lachte sie und ging hinaus. Nicht nur Stephan sah ihr nach. So manch anderer Gast des Stadtcafés wandte den Kopf nach ihr um. Sie war einfach eine Schönheit. Groß, schlank, gepflegt und selbstbewußt. Stephan fragte sich, warum er sie je hatte gehen lassen. Energisch schlug er sich den Gedanken aus dem Kopf. Es war Zeit, Nicole von der Schule abzuholen.
***
Sie wartete schon auf ihn, als er an der verabredeten Stelle ankam.
„Tut mir leid, ich hab mich ein bißchen verspätet“, entschuldigte er sich. „Aber ich hatte noch zu tun, und es hat länger gedauert als ich dachte.“
„Macht ja nix, ich steh ja kaum fünf Minuten hier“, antwortete das Mädchen. Unterwegs fragte sie: „Was macht Kevin?“
„Der liegt bei uns zu Hause in seinem Bett und pennt.“
„Wie sich das anhört, ‚bei uns zu Hause’ und ‚sein Bett’. Irgendwie komisch.“
„Aber es ist jetzt unser zu Hause, meins und Euers. Und dort liegt er eben auch in seinem Bett. Gewöhn Dich ruhig dran. Es geht ihm übrigens besser, aber noch lange nicht gut. Du mußt mit darauf achten, daß er Ruhe hält und nicht rumturnt.“
„Versprochen“, sagte sie. „Ich will ja auch, daß er wieder in Ordnung kommt.“
Zu Hause lief sie gleich in Kevins Zimmer. Stephan ließ die beiden allein. Er holte derweil seine Einkäufe aus dem Auto und brachte sie in der Küche unter. Danach setzte er sich in sein Arbeitszimmer und blätterte in seinen Zeitungen.
Es dauerte eine Weile, bis Nicole wieder herunterkam. „So, alles klar. Kevin hat ausgeschlafen und brav seine Milch getrunken und die Plätzchen aufgefuttert. Ich hab ihm erklärt, was das alles hier ist. Jetzt ist er ziemlich von der Rolle. Er will’s gar nicht glauben. Aber das geht mir ja genauso.“
Stephan sah sie an. Dann deutete er auf den Sessel neben seinem. „Setz Dich mal dahin.“
Gehorsam setzte sie sich.
„So, meine