Annah Fehlauer

Worte wie wir


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kochen. Die Soße, die sie als einziges Erinnerungsstück all die Jahre in ihrer Nähe geduldet, ja zelebriert hatte.

      ...3...

      „Du, Catharina?“

      „Ja, Marie, was gibt’s“?

      „Du magst doch Kinder?“

      „Ja, ich mag Kinder sehr. Ich würde sogar sagen, ich liebe Kinder.“

      „Aber du hast keine.“

      „Nein, ich habe keine.“ Catharina war gerade dabei, Wasser für einen Tee aufzusetzen und fuhr mit langsamen Bewe­gun­gen fort.

      „Wolltest du keine haben?“

      „Doch, Marie, ich wollte eine Zeit lang sehr gerne Kinder haben. Eigene meine ich.“

      „Und warum hast du dann keine?“

      Auch ohne Marie anzusehen wusste Catharina, dass sich wieder einmal die liebenswerten Grübelfältchen auf Maries Stirn abzeichneten.

      „Weißt du, Marie, es läuft im Leben nicht immer alles so, wie wir es uns wünschen. Schon gar nicht so, wie wir es planen. Aber wir können lernen, damit glücklich zu sein, wie die Dinge nun mal sind.“ Sie stellte den Wasserkocher zurück auf die Anrichte und schaltete ihn ein.

      „Jetzt weiß ich aber trotzdem nicht, warum du keine Kinder hast.“

      Marie schien zu zögern. Doch nach einer kurzen Pause sprudelte die nächste Frage dennoch aus ihr heraus: „Kannst du keine bekommen?“

      „Das weiß ich nicht. Ich denke schon, dass ich welche hätte bekommen können, aber sicher weiß ich es nicht. Ich habe es gar nicht versucht.“

      „Und warum nicht?“

      „Weil es sich nicht ergeben hat.“

      „Wie meinst du das?“

      „In der Zeit, als ich gerne Kinder gehabt hätte und in einem Alter war, in dem man gut Kinder kriegen kann, war ich allein. Das Kind hätte also gar keinen Vater gehabt, und das wollte ich nicht. Außerdem wäre es mir seltsam vorgekommen, ein Kind von jemandem zu bekommen, den ich gar nicht liebe.“

      „Aber das Kind hätte sehr wohl einen Vater gehabt. Jedes Kind hat doch einen Vater und eine Mutter“, Marie klang etwas entrüstet.

      „Ja, da hast du recht, Marie. Aber ich meine, das Kind hätte keinen Vater gehabt, der da gewesen wäre, der Dinge gemacht hätte, die Väter eben tun, der das Kind auf seinen Schultern ge­tragen und in die Luft geworfen hätte, der ihm einen Ein­kaufs­laden zum Spielen gebaut hätte und mit ihm Drachen hätte fliegen lassen.“

      „Aber das hättest doch alles du machen können“, gab Marie zurück.

      „Das hätte ich vermutlich. Aber es kam mir damals eben seltsam vor, und so dachte ich: Das Leben wird mir schon zeigen, ob eigene Kinder für mich vorgesehen sind oder nicht.“

      „Und bist du deswegen jetzt manchmal traurig, weil du keine Kinder hast?“

      „Nein, Marie, traurig bin ich deshalb nicht. Jetzt erst recht nicht mehr.“

      Sie tauchte für einen Augenblick in die Erinnerung ein.

      „Es gab eine Zeit, da war ich deshalb immer mal wieder ein biss­chen traurig. Oft dann, wenn Freunde oder Bekannte Kinder bekommen haben. Aber auch das hielt nie lange an, weil ich mir immer sagte, wir werden sehen. Und ich war – auch wenn ich gerne Kinder gehabt hätte – immer der Mei­nung, dass ich auch ohne Kinder glücklich sein könnte. Da hatte ich es besser als viele andere Frauen, aber auch Männer. Ich kenne viele Paare, die sich ver­zweifelt Kinder wünschen, aber keine bekommen können. Einige werden dabei so traurig, dass sie nicht einmal mehr Freude an einander haben, Und manche trennen sich dann sogar.“

      „So wie Mama und Papa?“

      „Ein bisschen, aber nicht ganz, da deine Eltern sich aus anderen Gründen getrennt haben. Sie hatten dich ja schon bekommen – zum Glück!!“

      Catharina lächelte Marie an, und Marie strahlte bei diesen Worten zurück.

      „Ja, zum Glück! Aber ich find’s trotzdem schade, dass du keine Kinder hast, dann könnte ich mit ihnen spielen.“

      „Naja, wenn ich Kinder bekommen hätte, wären die jetzt aller­dings wahrscheinlich schon ein ganzes Stück älter als du, eher so um die zwanzig.“

      „Mit wem hättest du denn dann Kinder gemacht?“

      „Wie gesagt, zu der Zeit, als ich mir am allermeisten Kinder gewünscht hätte, war ich allein. Aber eigentlich hätte ich gerne Kinder mit der Person gehabt, die ich am meisten auf der Welt geliebt habe.“

      Catharina goss den Tee auf, bevor sie fortfuhr. „Bloß hätte auch das leider nicht funktioniert.“

      „Und warum nicht?“

      „Das, meine Süße, erzähle ich dir ein andermal. Oder....“, Catharina zwinkerte Marie verschwörerisch zu, „...du Super­schlaue kommst irgendwann einmal selbst darauf.“

      Marie schien darüber oder über irgend etwas anderes nach­zudenken. Jedenfalls sagte sie mehrere Minuten lang gar nichts mehr.

      Dann platzte es aus ihr heraus: „Meine Lehrerin sagt, wir sind auf der Welt, um Kinder zu bekommen.“

      „Nun, einige Menschen denken wohl so.“

      „Du nicht?“

      „Nein, ich bin da anderer Ansicht.“

      „Warum, glaubst denn du, sind wir auf der Welt?“

      „Ich bin davon überzeugt, wir sind hier, um Licht und Liebe zu verbreiten.“

      „Licht und Liebe?“

      „Ja.“

      „Mit Laternen?“

      „Nein, nicht mit Laternen. Jedenfalls nicht mit solchen, mit denen wir am St. Martinstag durch die Straßen ziehen, auch wenn die ebenfalls sehr schön sind. Eher so eine Art inneres Leuchten.“

      „Aber woher weiß man, ob jemand innen leuchtet, wenn es doch innen ist?“

      „Weil es von innen nach außen durchscheint.“

      „Also doch so ähnlich wie eine Laterne? Da scheint das Licht auch von innen nach außen durch.“

      „Stimmt, so hatte ich das noch nicht gesehen, aber irgendwie hast du schon recht damit. Das ist ein schönes Bild... Und du, meine Süße, wirst sehr viel Licht in diese Welt tragen. Das merke ich schon jetzt.“

      „Warum denkst du das?“

      „Weil ich dein inneres Leuchten sehen kann. Bei dir sieht man es ganz deutlich schon in den Augen leuchten.“

      „Bei dir auch“, gab Marie zurück und rutschte ein Stück näher. „Und wie kann man Liebe verbreiten?“

      „Oh, da gibt es unzählige Möglichkeiten! Eine Möglichkeit ist tatsächlich, ein Kind in die Welt zu setzen“ Wobei leider nicht jedes Kind aus Liebe entsteht, fügte Catharina in Gedanken hinzu. Und nicht aus jeder Liebe ein Kind entstehen kann. Aus unserer nicht, auch wenn wir wahrscheinlich großartige Eltern ab­ge­geben hätten.

      „Und wie kann man noch Liebe verbreiten?“

      „Da reichen schon Kleinigkeiten, Marie. Wenn wir zusammen hier sitzen und unseren Apfelkuchen backen und uns dabei so friedlich unterhalten, ist das eine Form von Liebe. Wenn deine Mama dir ab und zu abends noch eine Gutenachtgeschichte vorliest auch. Wenn du deiner Freundin Lou etwas von deinem Pausen­brot abgibst, auch.“

      „Und wenn ich sie die Mathehausaufgaben abschreiben lasse auch?“

      „Hmm. Ja, wahrscheinlich ist auch das eine