Annah Fehlauer

Worte wie wir


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ist irgendwie eine Form von Liebe.“

      „Liebst du Jule?“

      „Ja, auf eine gewisse Weise liebe ich Jule sehr.“ Jule schien zu verstehen, dass von ihr die Rede war, denn sie begann, behaglich eine Pfote nach der anderen zu strecken, stand dann auf, sprang von der Küchenbank, auf der sie zuvor zu­sam­men­gerollt ge­schlafen hatte, und suchte die Nähe Catharinas, die noch immer an der Anrichte lehnte und darauf wartete, dass der Tee fertig gezogen hatte.

      „Und wen liebst du noch?“

      „Na für dich empfinde ich natürlich auch eine Form von Liebe.“

      Marie wurde ein bisschen rot und sah auf den Boden.

      „Das ist etwas sehr Schönes“, Catharina spürte Maries Ver­legen­heit und wollte sie beruhigen.

      „Aber ich bin doch noch ein Kind.“

      „Ja, und zwar ein ganz wundervolles Kind bist du, Marie! Und du wirst eine tolle Frau werden, voller Licht und Liebe.“

      Marie schien diese Entwicklung des Gesprächs ein wenig unangenehm zu sein, denn sie begann, auf ihrem Platz hin und her zu rutschen.

      „Und in der Nacht, gibt es dann gar keine Liebe?“

      „Doch natürlich, weshalb sollte es nachts keine Liebe geben?“

      „Aber du hast doch gesagt, Liebe ist das Gegenteil von Dunkelheit.“

      „Ach so, ja, da hast du natürlich recht. Wobei ich nicht die Dunkel­heit in der Nacht gemeint habe. Eher so eine Art andere Dunkel­heit, wie ein dunkler Zauberer.“

      „So wie Gargamel?“

      „Wie wer bitte?“

      „Gargamel, der Böse bei den Schlümpfen!“

      „Ach der, den hatte ich vergessen. Aber: ja, wahrscheinlich. Ist der nicht auch so böse, weil er alleine ist und niemanden hat und die Schlümpfe beneidet, weil sie in einer so tollen, so liebe­vollen Gemeinschaft leben?“

      Marie nickte bestätigend.

      „Oder wie du-weißt-schon-wer?!“, Maries Stimme hatte einen eben­so beunruhigten wie verschwörerischen Tonfall an­ge­nom­men.

      „Wie wer?“

      „Na Voldemort, der dunkle Lord aus Harry Potter!“, hörte Catharina ein leises Flüstern und sah, wie zwei empörte graue Augen zu ihren eigenen empor schauten.

      „Ah ja, genau. Das ist sogar ein richtig guter Vergleich, meine Süße. Ist das in Harry Potter nicht auch so, dass Voldemort so dunkel ist, weil er keine Liebe empfinden kann?“

      „Das weiß ich nicht, aber Harrys Mutter rettet ihn doch, und da heißt es, dass sie ihn durch ihre Liebe gerettet hat. Und er hat deswegen diese Narbe auf der Stirn.“

      Catharina lächelte ihrer kleinen Freundin anerkennend zu. „Du hast wirklich ein tolles Beispiel gefunden, Fräulein Hübsch und Fein.“

      Marie nickte erneut, strich sich allerdings gleich darauf etwas verlegen eine Haarsträhne aus der Stirn, wie sie es so oft tat, wenn Catharina sie lobte.

      „Gibt es in Wirklichkeit denn auch dunkle Menschen?“

      „Oh ja, leider sogar ziemlich viele.“

      „Sind die auch so böse wie Gargamel?“

      „Nun, ich glaube die wenigsten von ihnen wollen Schlümpfen an den Kragen. Aber erinnerst du dich Marie, dass wir dir schon ein paar Mal von Energien gesprochen haben?“

      „Ja, na klar.“

      „Und es gibt eben Energien, die positiver, also heller und liebe­voller, sind, und dann gibt es Energien, die belastend, also dunkler oder weniger liebevoll, sind. Du hast doch sicherlich auch schon gespürt, dass du manchmal auf Menschen triffst, bei denen du das Gefühl hast, dass sie dir in irgendeiner Form nicht gut tun?“

      „Hmm.“ Marie schien tief in Gedanken zu sein.

      Nach einer Weile erkundigte sie sich: „Gibt’s das denn auch bei Kindern?“

      „Ja, schon. Ich habe zwar den Eindruck, es kommt öfter vor, dass einem Erwachsene begegnen, deren Energien man als belastend erlebt, aber doch, es kommt auch hin und wieder vor, dass einem dies bei einem Kind widerfährt.“

      „Und warum ist das so?“

      „Das ist eine sehr gute, aber auch sehr schwierige Frage. Und ich weiß gar nicht, wie ich das erklären kann. Ich weiß nicht einmal, ob ich es überhaupt weiß.“

      Catharina überlegte.

      „Vielleicht könnte man es so erklären, dass es viele Menschen gibt, die eine große Sehnsucht nach Liebe in sich tragen. Aber weil sie das Gefühl haben, diese Sehnsucht wird nicht erfüllt, werden sie immer egoistischer, und sie beginnen, Liebe mit Eigen­nutz zu verwechseln. Neben den Energien gibt es auch noch etwas, was man das Ego nennt. Hast du davon auch schon mal gehört?“

      „Ich glaub nicht.“ Marie schüttelte den hübschen Kopf.

      „Nun, das Ego wohnt in jedem Menschen. Es ist ein Teil, ein wichtiger Teil, eines jeden Menschen. Da gibt es den Körper, den Geist, die Seele...“

      „Und das Herz“, unterbrach eine Stimme Catharina.

      „Ja, das Herz kann man wohl auch dazu zählen. Und eben das Ego. Das Problem ist, dass viele Menschen das Ego mit ihrem Herzen oder sogar mit ihrer Seele oder auch ihrem Geist ver­wechseln. Sie sind dann zum Beispiel der Meinung, wenn sie sich mit jemandem streiten, müssten sie unbedingt gewinnen.“

      „Wenn ich mich mit Lou streite, möchte ich auch gewinnen.“

      „Das verstehe ich, Marie. Es ist aber wichtig zu wissen, dass man nicht gewinnen muss. Manchmal, nein oft sogar, scheint es sogar überhaupt nur so, als könne man gewinnen. In den meisten Streits gibt es aber gar keine Gewinner, sondern nur Verlierer, weil meist beide Seiten ziemlich große Mengen belastender Energie abgeben und auch abbekommen.“

      „Aber wenn ich nicht gewinne, fühle ich mich hinterher ganz klein. Dann denkt Lou ja, sie ist toller als ich.“

      „Und genau das versuche ich dir gerade klarzumachen, nämlich dass es keinen Grund dafür gibt, dass du dich dann klein fühlst. Das ist dein Ego, das dann schreit. Aber du, liebe Marie, du bist viel mehr als nur dein Ego. Du bist auch mehr als dein Körper, dein Geist, dein Herz und dein Ego zusammen genommen, denn in dir wohnt eben, wie in jedem Menschen, eine Seele. Und diese Seele braucht in einem Streit kein Recht zu haben. Die Seele will auch gar nicht streiten. Die Seele ist das in jedem, was sich nach Frieden sehnt und was dafür verantwortlich ist, dass man von innen leuchtet.“

      „Aber dann müsste doch jeder Mensch von innen leuchten. Denn du hast doch vorhin gesagt, jeder Mensch hat eine Seele.“

      „Du hast wie immer sehr aufmerksam zugehört, das habe ich tat­säch­lich gesagt. Nur ist es eben so, dass manche Seelen sich sozusagen verlaufen. Sie verlieren das Licht aus den Augen und wählen stattdessen die Dunkelheit.“

      „So wie Gargamel und Voldemort?“

      „Ja, so ähnlich wie Gargamel und Voldemort.“

      „Und warum tun sie das?“

      „Noch eine sehr gute und sehr schwierige Frage. Darüber haben schon viele, viele Menschen nachgedacht, aber soweit ich weiß, hat bislang noch niemand eine überzeugende Antwort gefunden. Es gibt auch unterschiedliche Meinungen über Licht und Liebe und Dunkelheit. Viele Menschen sind davon überzeugt, dass im Grunde jeder Mensch sich nach Licht und Liebe sehnt.“

      „Aber was ist mit den Bösewichtern und den Mördern in den Krimis und den Monstern?“

      „Das ist eben eine der rätselhaften Fragen. Ich für meinen Teil denke, dass auch ihre Seelen sich im Grunde genommen nach Liebe sehnen und dass