Fred Feining

Keine Nachricht für Schroeder


Скачать книгу

Freundlichkeit an.

      Er nickte, „ja, Schroeder mit oe“ und wurde in einen Flur gebeten, der groß wie ein Tennisplatz, mit einigen Sesseln bestückt war.

      „Warten Sie bitte einen Moment, Herr Borowski hat gerade noch einen anderen Bewerber drin!“

      Einen anderen Bewerber? Schroeder wurde unruhig. Klar, hätte er sich ja denken können, dass er nicht der Einzige auf der Welt mit Managementqualitäten war. Noch bevor er sich umsehen konnte, kam schon wieder die Blonde und führte ihn in ein winziges Zimmer.

      „Nehmen Sie Platz, Herr Borowski kommt gleich!“

      Der Raum: Ein enger Schlauch mit stumpfem Parkett. Nur ein Fenster. Auf dem Fensterbrett ein Strauß dunkler, bereits im Zustand des Vergehens befindlicher Rosen. Links hinter dem Eingang ein Schreibtisch aus Metall. Darauf eine kleine Lampe, ein PC, ein Telefon, ein Bierglas in dem diverse Schreiber standen und ein silbergerahmtes Foto einer jungen blonden Frau mit zwei ebenso blonden Mädchen. An der Wand ein Stadtplan von Berlin. Einige Straßen waren rot angekreuzt.

      „Borowski“, eine schmale Hand mit gut geformten Fingern streckte sich Schroeder entgegen. Er hatte ihn nicht kommen hören, wegen der Kreppsohlen, die jeden Laut erstickt hatten. Schroeder sprang auf und nannte ebenfalls seinen Namen. Sie taxierten sich. Schroeder, selbst eins achtzig groß, wurde von Borowski um einen halben Kopf überragt. Der Mann, Schroeder schätzte ihn auf vierzig Jahre, sah nach Tennisspieler aus. Alles war sehnig an ihm, bereit, auf jede Bewegung seines Gegenübers reflexartig zu reagieren. Borowski trug Jeans, Designerjeans, bemerkte Schroeder, der sich nur second hand Lee’s leisten konnte. Ein dunkelblaues Sweatshirt, an dessen linker Seite ein Wappen mit einer Krone darin prangte, unterstrich, genauso wie die Baseballmütze der San Francisco Giants, die sportliche Note. Borowski’s kantiges Kinn war glatt rasiert. Seine Nase schien etwas zu lang, aber gerade, der Mund darunter war schmal wie ein Lineal. Das störte die Proportion zur Nase. Was am meisten hervorstach, waren Borowski’s blaue Augen. So blau wie unterseeisches Eis. Schroeder kam die Titanic in den Sinn.

      „Nehmen Sie Platz“, er schwang sich auf seinen Stuhl, fast sprang er hinein. Da sie sich wegen der Enge des Raums nicht gegenüber setzen konnten, drehte sich Borowski mitsamt Stuhl zu Seite. Die Distanz von Gesicht zu Gesicht betrug weniger als eine Tischbreite.

      „Erzählen Sie mal, was Sie können!“

      Schroeder hatte sich einen Plan zurechtgelegt, um dieses Interview zu meistern, doch die knappe Impulsivität Borowski’s verwirrte ihn. Er begann sich zu verhaspeln.

      „Ähh, ich bin eigentlich freier Journalist, das heißt, eigentlich habe ich Marketing studiert, ist aber schon lange her...“

      Er hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen, was für ein Blödsinn, das sah man ja wohl, dass er schon vor langer Zeit studiert haben musste. Borowski’s blauer Eisbergblick ließ ihn nicht los. Zum Glück wurde Schroeders Gestammel unterbrochen, durch ein „Daddada dada dada“. Von irgendwoher kamen Klaviertöne. Schroeder sah Borowski fragend an. Der griff in die Tasche und holte ein handy heraus, drückte auf einen Knopf, und die Melodie erstarb.

      Was Borowski in den nächsten fünf Minuten sprach, konnte Schroeder nicht verstehen, bis auf zwei Wörter, die verrieten, dass hier Russisch gesprochen wurde: „Da“ und „Njet“, ja und nein.

      „Entschuldigung“, Borowski hatte das Gespräch beendet und wandte sich erneut seinem Gast zu. Der hatte zu alter Form zurückgefunden.

      „Ich habe lange in internationalen Werbeagenturen als Kundenberater gearbeitet!“

      „Gutt“, hörte er Borowski sagen.

      „Seit einiger Zeit arbeite ich aber als freier Journalist, ich verfasse Reisereportagen...“

      „Sehrr gutt!“ steigerte Borowski seine Zustimmung.

      „Ich spreche Spanisch und natürlich auch Englisch!“ Schroeder wartete auf eine weiteres gutt.

      „Noch besser!“ Borowski fing an, Interesse zu bekunden. „Ich zeig‘ Ihnen hierr etwas“, er nahm ein Blatt vom Schreibtisch und reichte es Schroeder. Es war ein Textmanuskript einer Angelgeschichte an irgendeinem Russisch klingenden See. Die Überschrift lautete: „Fischen fangen in wunderbaren Naturgebieten!“

      „Das ist eine Übersetzung aus dem Tschechischen“, Borowski nahm das Blatt wieder an sich, „ich weiß, die Übersetzung ist nicht korrekt, liegt am Computerprogramm. Können Sie solche Reportagen schreiben?“

      „Das ist genau, was ich immer mache,“ Schroeder begeisterte sich, „da bin ich genau der richtige Mann. Ich mach ja nichts anderes, schreibe für die FAZ, die Zeit, den....“

      „Wunderbarr“, Borowski stoppte Schroeders Begeisterung, „solche Aufgaben würden auf Sie warten!“ Borowski lehnte sich zurück, schaute auf das Foto im Silberrahmen.

      „Ich sage Ihnen jetzt, womit und mit wem Sie es zu tun haben. Hierr! Übrigens meine Frau und meine Töchter“, Borowski, auf einmal ganz Mensch, strich über das Foto.

      „Ich bin Gynäkologe. Mirr fehlt noch ein letztes Examen, das lege ich in Kürze in Moskau ab. Deshalb brauche ich in der Zeit hierr eine Vertretung.“ Er wechselte von „Ich“ auf „Wir“.

      „Wirr haben in Prag ein Reiseunternehmen, wirr machen Naturreisen, Angeln, Jagen in der Hohen Tatra und so was. Wirr haben ein eigenes Reisemagazin, das kann ich Ihnen noch zeigen, dafürr müssen wirr schreiben und natürlich auch unsere Reisen verkaufen. Dazu wären Sie derr richtige Mann, sie müssten auch überall hinreisen um sich vorr Ort zu informieren...“

      Schroeder konnte es kaum glauben. Hier lag der Job aller Jobs vor ihm, genau das hatte er immer gewollt. Unumschränkter Schreiber für ein Reisemagazin!

      „Wissen Sie, das ist aberr nur eine von vielen Aufgaben. Könnte sein, dass bald mehrr Arbeit auf Sie zukommt. Je nachdem, wie wirr zusammen uns verstehen!“ Borowski lüftete die Baseballkappe, es erschienen militärisch kurz geschnittene, blonde Haare. Er strich sich über den Kopf, setzte die Kappe wieder auf und nahm, als ob er vor einem sagenhaften Endspurt stehen würde, neuen Anlauf.

      „Ich habe nicht nurr ein Reiseunternehmen, ich bin auch im Kunstgeschäft tätig. Demnächst eröffne ich eine Galerie in Prag, moderne Kunst und so was. Daneben brauche ich auch eine rechte Hand fürr meine Teppichhandlung. Wussten Sie, dass es in Usbekistan herrliche Teppiche gibt?“

      „Das war doch eine Sowjetrepublik,“ warf Schroeder ein.

      “Macht nichts“, sagte Borowski, Teppiche gibt es immer noch da, ich kenn da ein paarr gute Leute....

      Dann gibt es noch was.“

      Schroeder kam es allmählich unheimlich vor, der Gynäkologe Borowski hatte wohl überall mit seinen Fingern drin, nicht nur in Frauenkörpern. Schroeder wartete auf die Fluglinie, die Borowski nun aus dem Hut ziehen würde. Aber es handelte sich nur um eine Tageszeitung, die er noch gründen wollte, zweisprachig, Russisch und Deutsch.

      Sie waren fast zum Abschluss gekommen, als Borowski sagte: „Ich glaube, Sie sind derr richtige Mann für mich. Ich werde das Thema mit Frau Büttner besprechen, sie ist meine Chefin, ich rufe Sie bald an. Sei denn, Sie haben jetzt noch Fragen...“

      Er wollte nicht gehen, ohne zum Abschluss dieses denkwürdigen Gespräches bei Borowski mehr zu hinterlassen, als dass er nur ein Schreiber war. Schließlich war er weit herumgekommen, Prag und Moskau, Kiew und Odessa, da war er schon gewesen, als Borowski wahrscheinlich noch gar nicht an Berlin gedacht hatte. Also fragte Schroeder, der gerade eine Biografie des in der Sowjetära umstrittenen Schriftstellers Jewtuschenko gelesen hatte, was er, Borowski, von Jewtuschenko halte.

      „Werr ist das?“ fragte Borowski.

      Und Schroeder berichtete, bereits mit sich anbahnender Begeisterung in der Stimme, von dem Dichterrebell.

      „Ohhh“, antwortete Borowski, „den kenn ich nicht. Ich kümmerr mich nicht um Politik, jeder soll leben wie err will.“

      Dann