Fred Feining

Keine Nachricht für Schroeder


Скачать книгу

dada dada...“ Zum ersten Male grinste Borowski: „Ist Rachmaninovs zweites Klavierkonzert, das Allegro Scherzando. Vielleicht mach‘ ich noch ‘mal ein Musikgeschäft auf...“

      „Oder einen handy Laden“ grinste nun Schroeder, ermuntert durch Borowski’s menschliche Seite. Sie verabschiedeten sich mit einem komplizenhaften Nicken.

      Im Flur saß ein Mann mit Bart. Wahrscheinlich ein Bewerber für die „Vertretung im Bereich Management“. Die ultracoole Blonde mit dem falschen Lächeln begleitete ihn zur Tür.

      Draußen holte er die Visitenkarte heraus, die Borowski ihm gegeben hatte. Die Hälfte der Karte war von rot gedruckten Buchstaben FC bedeckt, die großspurig zwischen „Import-Export“ und „International BBC“ prangten. Es folgte, „Sergej Borowski“. Darunter eine Anschrift in Odessa. Odessa? Ja, Odessa. Die Karte, so sagte sich Schroeder, ist so aussagefähig wie einen abgestempelte Briefmarke, und er begann, das geführte Gespräch kritisch zu sehen. Es gab einige Ungereimtheiten, besonders die verschiedenen Geschäftsbereiche Borowski’s kamen Schroeder nicht geheuer vor. Kunsthandel und Teppichhandel gingen ja noch zusammen, der Gynäkologe passte nicht ins Bild. Und wer war jene mysteriöse Frau Büttner, Borowski’s Chefin? Ob womöglich die russische Mafia hinter allem steckte?

      Für Schroeder begann eine Zeit des Wartens. Wohin er auch ging, selbst zu seiner morgendlichen Sitzung auf der Toilette, sein handy hatte er immer dabei. Auch im Tejo hielt er sein handy nun in Hörweite, er legte es neben die Flasche Capataz.

      „Was’n mit dir los? Haste ‘ne neue Frau, oder was?“ fragte Luis.

      „Klar“, meinte Schroeder lässig, „sie heißt Borowski!“

      „Hört sich nach Osten an“, erwiderte Luis.

      „Nee, oder ja, ist Russin!“ und er schob sein handy von einer zur anderen Seite. Doch im Tejo klingelte es nicht.

      Ausgerechnet, in der U-Bahn, er war auf dem Wege zum monatlichen Treffen der InPla, begann das Ding zu läuten. Schroeder, vertieft in ein Gespräch zweier Latinas in engen Pullis, wovon sich die eine beschwerte dass ein gewisser Juan ein Lahmarsch sei, nestelte nach seinem handy. Da war’s. Auf dem Display erschien Borowski’s Nummer. „Schroeder...“, er versuchte die richtige Lautstärke in seine Stimme zu legen, Zeugen seines Gesprächs waren ihm peinlich. Vom anderen Ende kam ein Hüsteln.

      „Herrr Schroeder?“

      „Ja, hier Schroeder, Herr Borowski?“

      „Ja, Borowski. Wie geht’s Herrr Schroeder?“ Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr Borowski fort: „Herrr Schroeder, noch ist nichts entschieden. Nurr eine Formsache noch. Frau Büttner...ich melde mich nächste Woche wieder...Also, auf Wiederhören Herr Schroeder!“

      Dann machte es „klack“ und das Gespräch war beendet. Schroeder’s Blick verhakte sich in die engen Pullis der Latinafrauen ohne wirklich zu sehen. So ein Scheiß, dachte er, wie lange will der mich denn noch hinhalten!

      Das Treffen der InPla war spärlich besucht. Er setzte sich neben Constanze und griff zur Teekanne. „Was macht die Jobsuche?“ Constanze blickte ihn herausfordernd an.

      „Hör bloß auf“, maulte Schroeder, „da wirste nur verarscht!“

      Leise erzählte er Constanze von Borowski. Als die Sitzung begann, musste Schroeder sich konzentrieren, er war dran mit dem Protokollschreiben. Das Herausragende war die Klage von Herrn Rademann, der sich wieder einmal beschwerte, zu wenig Unterstützung für die Betreuung seiner drei Roma Familien zu bekommen.

      „Ich schaff das nicht mehr, und alles ohne Geld...“

      Nun, Geld gab es nicht, hier saßen nur Ehrenamtliche, oder, wie es neuerdings hieß, Leute mit „Bürgerschaftlichem Engagement“.

      Später, nebenan beim Italiener, brüteten Schroeder und Constanze über eine Idee. Die EU war erweitert worden. Polen, Tschechien, die Slowakei und die Baltischen Länder waren jetzt an Bord.

      „Da gibt’s Arbeit“, meinte Constanze, „was hältste denn davon, wenn wir eine Beratungsstelle für Arbeitssuchende aus den neuen Mitgliedsländern aufmachen, Du im Marketing, ich im Rechtswesen!“

      Er war skeptisch. Die hatten bestimmt kein Geld für Beratungen. Außerdem, sie sprachen keine der neuen Sprachen. Wie sollten sie an Kunden herankommen? Und da war noch die offene Akte Borowski.

      Nach einigen Bieren sah die Sache indes anders aus. Constanze berichtete von einer kleinen Messe für polnische Unternehmer, die demnächst in einem Einkaufszentrum der Stadt stattfinden sollte.

      „Da treffen wir unsere potentiellen Kunden!“ schwärmte sie.

      „Bist ja richtig gut im Marketingdenken“, sagte Schroeder gnädig.

      Sie verabredeten sich zu einem Brainstorming mit dem Ziel, mögliche Kunden auf der polnischen Messe anzubaggern.

      Im Tejo war Hochbetrieb. Luis hatte alle Hände voll zu tun und keine Zeit für kurzweiliges Geplänkel. „Ist’ne Geburtstagsfeier hier“, er deutete auf eine platinblonde Frau, die am Kopfende einer langen Tafel saß. Sie war um die fünfzig, drall, mit aufgeworfenen roten Lippen, braunem Teint. Aus ihrem Angorapullover stachen spitze Brüste hervor, jedenfalls wollte Schroeder es so sehen, weil plötzlich aus der Tiefe seines Frusts die Lust auf eine schnelle Affäre hochstieg. Der Wunsch, Borowski’s langen Entscheidungsprozess etwas Erfolgreiches entgegenzusetzen. Der ging ihm nicht aus dem Kopf. Was hatte der bloß noch zu zögern? Hatten sie nicht ein einvernehmliches Gespräch gehabt?

      Das blonde Geburtstagskind streifte an ihm vorbei. Als sie von der Toilette zurückkam, sprach er sie an. „Ich hörte, Sie haben heute Geburtstag, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich!“

      „Oh“, seufzte sie, „hier bleibt ja wohl gar nichts geheim! Aber danke, möchten Sie nicht an unseren Tisch kommen?“

      Schroeder sah sich in eine neue Zielgerade einbiegen, diesmal in einer ganz anderen Disziplin als der Jobsuche. Er rückte einen Stuhl heran, nahm Platz neben einer jungen Frau, die ihn mit verschleiertem Blick ansah.

      „Ach“, meinte sie, „Sie erinnern mich an meinen zukünftigen Mann!“

      „Wieso zukünftig?“

      Sie erzählte ihm von dem Portugiesen, den sie im Sommer kennen gelernt habe und nun demnächst heiraten werde.

      „Er ist Weinhändler!“ betonte sie in einer Art, als sei dieser Beruf Garantie für eine erfolgreiche Ehe. Schroeder erfuhr, dass die Hochzeit nach einem vierwöchigen Urlaub an der Algarve beschlossen worden war.

      „Ich kenn‘ ihn zwar noch nicht genau, aber das wird schon noch kommen! Er war so lieb und aufmerksam...!“

      Da mischte sich das Geburtstagskind ein: „Du spinnst, meine Liebe! Wie kannst Du nach vier Wochen heiraten, noch dazu einen Portugiesen! Ich kenne meine Landsleute zur Genüge, nach vier Wochen Ehe wirst du dem Macho die Schuhe putzen müssen, und der Schwiegermutter gleich mit!“

      Damit war ein Thema eröffnet und die pros und contras schossen über die Tafel. Am Ende blieb die künftige Braut voller Zweifel zurück und der Abend ertrank in Wein und Fadomusik. Schroeders Lust auf eine schnelle Affäre ließ angesichts der mehr und mehr nach saurem Wein riechenden Eheaspirantin nach, und er schlich nach Hause.

      Im Briefkasten fand er zwei Umschläge, einen davon ohne Absender. Mögliche überfällige Post schoss ihm durch den Kopf. An wen hatte er Artikel verschickt, wo stand eine Antwort noch aus? An wen Bewerbungen? Letzteres lag lange zurück, er erinnerte sich nicht mehr. Beim Treppensteigen öffnete er den Umschlag. Tatsächlich, es war die Antwort auf eine Bewerbung, und nun erinnerte sich Schroeder. Eine Eventagentur hatte einen Marketingexperten gesucht, der auch „sicher im Umgang mit Printmedien“ sein sollte. Lag Wochen zurück, Schroeder überflog die vier Zeilen, die mit „..wir wünschen Ihnen viel Erfolg auf Ihrem weiteren Berufsweg“ endeten. Die können mich ‘mal, dachte er und warf den Brief in den Papierkorb.

      Der andere Umschlag enthielt einen Scheck. Rückzahlung