Günter Holschbach

Raumstation ISS


Скачать книгу

Er war verschlossen. Rayhn drückte dennoch die Verschlusshebel nach unten, öffnete die Tür, schaute flüchtig hinein und drückte wieder sorgfältig die Verschlusshebel nach oben.

      Merkwürdig, dachte Rayhn, wo kann der sich denn verkrochen haben?

      Er schwebte zu den beiden restlichen Modulen, die während dieser Besatzungszeit nicht benutzt wurden und schaute hinein. Leer. Beide leer.

      Die Unruhe von Rayhn steigerte sich. Wo konnte John stecken?

      Die Bodenstation meldete sich über die allgemeine Sprechanlage, bei der jeder mithören und auch reden konnte. Rayhn erkannte Andrews Stimme. „Hallo Jungs und Mädel, wie ist euer Wohlbefinden?“

      „Bestens“, rief Lauren.

      „Haben dir Huhn und Reis geschmeckt?“, spöttelte Andrew ein wenig, „Branden hat mir erzählt, du wärest total begeistert gewesen.“

      „Die nächsten Hühner mit Reis werde ich hier aus dem Fenster werfen, damit sie für die nächste Ewigkeit euren Planeten umkreisen“, rief Lauren.

      „Naja“, entgegnete Andrew, „in drei Wochen ist es auch wieder dein Planet und du wirst bestimmt nicht erfreut sein, wenn du weißt, dass ihn tote Hühner mit Reis umkreisen.“ Er lachte. „Hallo Rayhn, alles okay?“

      „Nna, eigentlich schon“, entgegnete der etwas unsicher.

      „Was ist los, Rayhn?“, erkundigte sich Andrew sofort, „du hörst dich etwas besorgt an.“

      „Es geht um John.“ „Was ist mit ihm?“

      „Ich glaube, er spielt Verstecken mit uns.“

      „Das ist aber gar nicht die Art von John“, bemerkte Andrew. „Wo ist er jetzt?“

      „Ich denke, dass er vorne im Versorgungsraum ist und die Sprechanlage nicht gehört hat“, sagte Rayhn. „Es ist der einzige Raum, in dem er nicht nachgeschaut hatte und nur dort konnte er sein.“

      „Sag John, er soll sich mal kurz bei mir melden, damit wir wissen, dass alles okay ist.“

      „Wird gemacht“, entgegnete Rayhn.

      Andrew fragte Informationen ab von Alexej, Lauren und Rayhn und verabschiedete sich wieder.

      Rayhn schwebte zum Versorgungsraum und öffnete die Stahltür. Überwachungscomputer und Versorgungsgeräte summten und brummten. Von John keine Spur.

      Nun ergriff Rayhn die Unruhe. Er schwebte nochmals zu allen nicht benutzen Räumen und schaute erneut hinein. Nichts. Das konnte nicht wahr sein. Wer spielte hier mit ihm einen Streich? Als er bei Lauren gewesen war, hatte sie ihn mit ihren dunklen und frechen Augen so merkwürdig angeschaut. Bestimmt führte sie ihn an der Nase herum, beruhigte er sich selbst.

      Rayhn schwebte zu seinem Arbeitsplatz und begann wieder, seine Arbeit aufzunehmen. Sicher würden gleich Lauren und John hier erscheinen und Rayhn lachend den gelungenen Streich erzählen. Dennoch, die Art von John war es nicht, sich auf derartige Albernheiten einzulassen. Bei Lauren hingegen konnte sich Rayhn das gut vorstellen. Er beugte sich über die Schaltpläne und versuchte erneut, den Fehler zu finden. Die Konzentration bei Rayhn war

      dahin. Nach einer halben Stunde war seine Geduld zu Ende. Er rief Lauren über die Gegensprechanlage: „Lauren, ich mag zwar deinen Witz und deine Kapriolen, aber allmählich könntest du John wieder herausgeben.“

      Es folgten einige Sekunden Schweigen vom anderen Ende der Sprechanlage.

      „Rayhn, ich spiele hier keinen Streich oder was auch immer du denkst und John ist bestimmt nicht hier“, meldete sich nun Lauren mit ernster Stimme.

      Langsam wurde die gesamte Situation für Rayhn nervig.

      „Also gut“, und mit verärgerter Stimme kam die Anweisung, „dann werden wir jetzt sofort alle zusammen suchen. Komm bitte in den Gemeinschaftsraum!“

      Rayhn betätigte nochmals die Sprechanlage und forderte auch Alexej auf, sich auf den Weg zu machen.

      „Rayhn, haben das nicht einen Stunde Zeit? Ich gerade bin kurz vor einen Lösung.“

      „Nein, leider nicht“, erwiderte Rayhn. „Bitte komm jetzt her.“

      Lauren war die erste, die herein schwebte. Sie hakte sich an einer Metallstange ein. „Was soll das, Rayhn?“

      Bevor er antworten konnte, kam Alexej Droski herein, leicht verärgert, wie sein Gesichtsausdruck erkennen ließ. „Warum ist etwas so dringend“, fragte er. „Ich müssen wegen Unterbrechung mindestens eine Stunde länger an Lösung arbeiten.“

      Rayhn schaute beide Kollegen an.

      „Lauren, Alexej, bitte sagt mir jetzt, wo sich John befindet. Wenn ihr mir einen Streich spielen wolltet, okay. Dann betrachtet ihn als gelungen. Es wäre meiner Meinung nach zwar ein kindlicher, einfältiger Streich. Aber egal. Also, wo ist John?

      „Ich weiß es nicht“, antwortete Lauren.

      Alexej meinte etwas irritiert: „Seien er denn nicht aufgetaucht?“

      Rayhn schaute in die Gesichter der beiden, die Ratlosigkeit widerspiegelten.

      „Hast du im Versorgungsraum nachgeschaut?“, fragte Lauren.

      „Also, ich habe in allen Modulen, im Lager, im Versorgungsraum und auf den Toiletten gesucht und John bisher nicht finden können. Bevor wir uns in Houston lächerlich machen, werden wir jetzt gemeinsam suchen. Und zwar gründlich. Lauren, du nimmst dir den mittleren Teil vor. Alexej, du schaust dir die leeren Module und den Versorgungsraum an. Ich werde mir die restlichen Möglichkeiten vornehmen. Los gehts.“

      Lauren und Alexej schwebten davon.

      Rayhn schaute sich jede Ecke, jeden Winkel und jede nur erdenkliche Möglichkeit an. Nicht den geringsten Hinweis auf die Anwesenheit Johns konnte er entdecken. Nach etwa zwanzig Minuten kam Lauren zurück.

      „Nichts“, sagte sie beinahe tonlos.

      Schweigend warteten beide auf Alexej. „Habt ihr ihn gefunden?“, rief er bereits im Verbindungstunnel.

      „Nein, haben wir nicht.“ Eine leichte Wut stieg in Rayhn hoch. „Leute, es kann nicht sein, dass hier, vierhundert Kilometer über der Erde, in einer Raumstation, einfach jemand verschwindet. Das kann nicht sein. Das ist völlig unlogisch. Es sei denn, er begibt sich in die Schleuse, öffnet die Außentür und steigt aus der Station aus, wobei jeder hier weiß, dass eine solche Aktion nicht alleine und mal einfach so durchgeführt werden kann.“

      „Die Schleuse“, bemerkte Lauren, „die haben wir nicht geöffnet. Nur da kann er sein.“

      „Und was er sollen darin?“, fragte Alexej.

      Rayhn dachte nach. „Wir werden jetzt folgendermaßen vorgehen: Lauren, du kontrollierst den Bereich, den ich soeben durchsucht habe. Alexej prüft nochmals alles, was Lauren durchsucht hat und ich schau mir anschließend zusammen mit Alexej erneut den etwas unübersichtlichen Versorgungsraum, die leeren Module und die Schleuse an. Danach treffen wir uns wieder hier. Okay?“

      „Okay“, kam es von beiden.

      Rayhn flog hinter Alexej durch den Verbindungstunnel. Alexej kontrollierte wiederum die leeren Module mit größter Sorgfalt und kam dann zu Rayhn, der jede nur denkbare und nicht denkbare Möglichkeit im Versorgungsraum überprüft hatte. Alexej half ihm, einige Geräte aus der Verankerung zu lösen, um die Möglichkeit zu haben, hinter die Geräte zu schauen. Anschließend mussten die Geräte wieder sorgfältig verankert werden. Kein Hinweis auf John.

      „Dann bleibt nur die Schleuse. Aber das kann überhaupt nicht sein. Zumindest hätte ich vorne ein akustisches und optisches Signal erhalten müssen, sobald eine Veränderung hier vorgenommen worden wäre“, sprach Rayhn mehr zu sich selbst als zu Alexej. „Jeder hier an Bord weiß welcher Aufwand notwendig ist und welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen, um in diesen Bereich zu gelangen.

      Rayhn