Günter Holschbach

Raumstation ISS


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der Sauerstoff herausgepumpt. Erst danach war es möglich, durch eine zweite Öffnung in die Sektion 2 zu gelangen, in der sich dann wiederum die Luke für den Ausstieg aus dem Raumschiff befand.

      Rayhn und Alexej schauten in beide Sektionen. Sie waren leer.

      „Dann kann ihn nur Lauren vorne gefunden haben. Was anderes ist nicht möglich.“

      Die Schleusenöffnung wurden von Alexej wieder verschlossen und die Signale erloschen.

      Rayhn dachte insgeheim immer noch an einen Scherz. Aber das wäre ein schlechter Scherz, den er eigentlich weder Lauren, noch John und ganz bestimmt nicht dem arbeitswütigen Alexej zugetraut hätte.

      Rayhn und Alexej flogen zurück zu Lauren. Sie hatte sich an der Raumdecke in Ruhestellung begeben und schaute voller Spannung auf die zurückkehrenden Kollegen.

      „Und“, rief sie, „war er also, wo wir ihn vermutet haben?“

      Rayhn und Alexej schwiegen zunächst, bis ein leises „Nein“ von Alexej zu hören war.

      „Ich habe Angst“, flüsterte Lauren.

      „Es bleibt keine andere Wahl. Ich muss Houston informieren. Außerdem kann sich jeden Moment Houston melden und die achtstündige Situationsmeldung abrufen“, sagte Rayhn.

      „Ja“, meinte Alexej. „In zehn Minuten wir haben 0:00 Uhr Houston-Zeit vor Ort.“

      Rayhn griff zum Mikro, betätigte die Sprechtaste: „Hallo Houston, bei uns besteht ein Problem.“

      „Hallo Rayhn, den Satz kennen wir“, rief Branden. „Er wurde von dir aber nicht korrekt zitiert. Du hättest sagen müssen ‚Hallo Houston, wir haben ein Problem. Was also kann ich für euch tun? Alle Systeme arbeiten einwandfrei, so wie ich das hier an den Monitoren erkennen kann. Jemand von euch ist in Sektion 1 gewesen und hat die Schleusentür geöffnet. Auf meinem Monitor hatte ich eine entsprechende Anzeige. Gibt es dort ein Problem?“

      „Nein,“ entgegnete Rayhn.

      „Ah, ich weiß, Lauren hat die Suppe heute nicht geschmeckt.“

      „Branden, es ist verdammter Ernst. Wir haben ein Problem.“

      „Also raus damit. Wie kann ich euch das Leben dort oben angenehmer gestalten?“

      Rayhn schwieg für einige Sekunden und dachte nochmals kurz nach. Hatten sie hier alle Möglichkeiten in Betracht gezogen? Hatten sie wirklich nichts übersehen, ausgelassen oder vergessen?

      „John ist verschwunden“, sagte Rayhn leise.

      „Hallo Rayhn, ich habe hier etwas nicht verstanden. Kannst du das mal wiederholen?“

      „John ist verschwunden“, wiederholte Rayhn etwas lauter.

      „Und morgen kommt zu euch der Osterhase. Nun gut, da wir gerade auf Sendung sind, hätte ich von euch gerne die Situationsmeldungen.“

      „Branden, du hast richtig verstanden. John ist verschwunden!“, rief Rayhn in das Mikro.

      „Rayhn, habt ihr alle heimlich Alkohol getrunken? Hat Alexej Wodka in die Raumstation geschmuggelt?“

      „Nein“, meldete sich Lauren. „Branden, du hast richtig gehört. John ist nicht mehr auffindbar.“

      „Also Leute. Jetzt mal ganz langsam. Ihr habt John längere Zeit nicht gesehen. Richtig?“

      „Richtig“, bestätigte Rayhn.

      „Dann habt ihr John gesucht. Und wo kann er jetzt sein? Er ist einfach dort, wo ihr nicht gesucht habt.“

      „Branden“, meldete sich Rayhn, „so einfach ist das nicht. Wir haben die Station auf den Kopf gestellt. Wir haben gesucht, in jedem verdammten Winkel. Das Ganze mit wechselnden Personen und anschließend sind wir alles nochmals durchgegangen einschließlich Schleuse. John ist nicht auffindbar. Er ist weg. Einfach verschwunden.“

      Es entstand eine Pause.

      Dann meldete sich Branden: „Ich habe zwischenzeitlich sämtliche Kameras an Bord eingeschaltet. Alexej, ich geh davon aus, dass du ebenfalls die Geschichte bestätigen kannst.“

      „Selbstverständlich, wir haben alles wirklich über den Kopf gestellt. John ist nicht auffindbar. Einfach weg.“

      „Seit wann vermisst ihr ihn?“, fragte Branden.

      „Das können wir nicht so genau sagen“, erklärte Rayhn. „Wir haben ihn zuletzt vor Mittag gesehen. Jeder ist hier bekanntlich mit seinen Aufgaben beschäftigt. Ich suchte ihn, weil er mir helfen sollte, eine Faser in einen Kabelkanal zu bugsieren. Ich konnte ihn nicht sofort finden und da habe ich die Suche wieder aufgegeben, weil ich davon ausging, er hätte sich in seinem Modul ‚hingelegt zu einem Schläfchen. Ernsthaft vermisst haben wir ihn einige Stunden später.“

      „Leute, ihr wisst, dass Ton und Bild aufgezeichnet werden.“ Die Stimme von Branden war jetzt konzentriert und ernsthaft.

      „Ihr wisst ebenfalls, dass wir hier jetzt nach Mitternacht haben. Könnt ihr es verantworten, wenn ich in dieser Minute Alarm auslöse? Ihr wisst, was dann hier passiert. Es werden duzende Leute aus dem Schlaf gerissen. Hier wird in kurzer Zeit der Teufel los sein. Soll ich vor mir auf meinem Schreibtisch die Glasabdeckung heben und den roten Knopf drücken? Könnt ihr das verantworten?“

      „Ich möchte hier nochmals sagen, dass wir alles, wirklich alles überhaupt nur Mögliche getan haben, um John zu finden. Wir könnten nochmals ganz von vorne mit der Suche beginnen. Es würde uns nicht weiter bringen. Wir kämen zum gleichen Ergebnis.“

      „Der Raum der Station, in der ihr euch befindet, ist sehr begrenzt. Wenn ihr ihn dort nicht finden könnt, dann kann es aber wohl auch nicht sein, dass John ausgestiegen ist. Oder?“

      „Nein“, bestätigte Rayhn.

      „Denn wenn es so wäre, dann hättet ihr es bemerkt. Sowohl akustisch als auch an optischen Signalen und hier bei mir hätten ebenfalls die Alarmglocken geläutet. Richtig?“ „Richtig!“

      „Ich hatte eben die Anzeige, dass die Schleusentür geöffnet worden ist. Hat Rayhn die Tür geöffnet, um nachzuschauen, ob sich John dort befindet?“ „Ja, habe ich.“

      „John muss also in der Station sein“, erklärte Branden entschieden.

      „Nein“, entgegnete nun Lauren mit dünner Stimme, „hier ist er nicht. Es sei denn, es gibt Ecken, die wir nicht kennen. Und das ist wohl nach der langen Zeit unseres Aufenthalts hier kaum vorstellbar.“

      „Okay“, seufzte Branden, „ich werde jetzt nicht den großen Alarm auslösen, sondern werfe zunächst Frank, unseren Chef, aus dem Bett. Bleibt bitte auf Empfang.“

      Kapitel 3

      Susan registrierte einen Piepton in schneller Folge, der allmählich immer lauter wurde. Sie konnte das Geräusch nirgendwo zuordnen – hatten die Kinder einen neuen Handyton? Darüber hätten sie bestimmt erzählt. Dann stellte sie fest, dass der penetrante Ton hier in ihrem Schlafzimmer war. Gleichzeitig bemerkte Susan am Spiegelschrank ein rot blinkendes Licht.

      „Frank!“ Sie schubste ihren schlafenden Mann an. „Frank, was ist das für ein seltsames Geräusch? Woher kommt das? Und da blinkt was. Hast du eine Alarmanlage einbauen lassen?“

      „Wahrscheinlich spielen uns die Kinder mal wieder einen Streich“, knurrte ihr Mann ganz schlaftrunken.

      „Frank! Tu endlich was! Das Ding wird ja unausstehlich.“

      Nun erst nahm Frank Random bewusst den inzwischen unerträglich lauten Geräuschpegel wahr, öffnete langsam die Augen und sah gleichzeitig das rot blinkende Licht auf der Kommode.

      Alarm im Raumfahrtzentrum! Mit einem Satz sprang er aus dem Bett. Susan konnte gerade einen Schrei unterdrücken. Frank griff zu seinem Handy, stoppte den Alarmton und wählte die für solche Fälle eingespeicherte Nummer.