Dr. Wolfgang Lipps

Das Leben findet während der Fahrt statt


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ganz selten selbst zu verlieben, was wir natürlich auch nicht wollten, weil wir das als ausgesprochen unfair und nicht gentlemenlike angesehen hätten. Die Idee war also, den Damen klarzumachen, dass sie es wären, die die „unverbindliche Probefahrt“ mit uns wollten.

      Meine Methode dafür, wie gesagt oft erfolgreich und insgesamt unter meinen Freunden ganz vorne, war die Folgende:

      Ich zog schwarze Hosen, ein weisses am Hals hochgeschlossenes Hemd und einen schwarzen Pullover an sowie eine einfache schwarze Jacke, aus deren Brusttasche ich ein kleines goldenes Kreuz herausbaumeln liess, wie man es als Kettchen um die Heiliggeistkirche herum für Fünf Mark kaufen konnte. Die Haare sind akkurat gescheitelt und schon flach angelegt. So ausstaffiert und mit einem Exemplar der „täglichen Losungen“ oder einer schlanken Taschenbibel ausgerüstet erschien ich an Wochentagen, nie am Wochenende (!) und immer ziemlich früh nach der Öffnung, also so um 17 Uhr herum, in einer der zahlreichen Bars in Ludwigshafen oder Mannheim, die meist neben einem kleinen Musiktrio und teuerem Fusel die Aufmerksamkeiten zahlreicher im plüschverzierten Schaufenster in unzüchtigen Stellungen textilarm abgebildeter Ladies versprachen.

      Da komme ich also aus dem hellen Sonnenlicht; in den samtverhangenen Etablissements ist es duster, riecht nach altem Rauch, altem Bier und frischem Eau de Cologne, an der Seite steht eine lange Bar und hinter derselben mindestens eine attraktive Blondine. Die anderen lümmeln mit billigen Drinks – die teuren müssen dann die Freier kaufen – an eben derselben Bar rum. Für Kunden ist es noch zu früh.

      Alle Bars sehen mehr oder minder so aus.

      Ich trete also ein, sehe mich scheu um, und lasse ein schüchternes „Grüss Gott meine Damen“ ertönen und setze mich bescheiden fast an das Ende der Bar und sage zu der Schönen: "Ein Glas Tonicwasser bitte".

      Die Damen sehen mich an, sehen sich an und kichern. Die Schöne bringt mir ein Glas Tonic.

      Ich nehme ein kleines Schlückchen und sage: „Verzeihung, ich will nicht unhöflich sein. Aber ich bin sehr interessiert. Ist das eigentlich hier das, was man gemeinhin ein Bordell nennt oder nur ein Bewirtungsetablissement?"

      Dann geht, meist so oder auch mal anders, die Unterhaltung wie folgt:

      „Na, was glaubst Du denn?“

      „Ja, ich weiss nicht so recht. Eigentlich ist es ja sehr hübsch hier drin. Und Sie sehen ja alle toll aus. Aber die Bilder vor der Tür, und dann, wie die Damen angezogen sind. Ich kenn´ mich ja nicht aus. Ich war noch nie in so einem Etablissement. Aber was man so hört...“

      „Was hört man denn so, Süsser?“

      Von dem Moment an, wo eine von den Damen „Süsser“ sagt, bist Du auf der Gewinnerstrasse, denn dann will sie Dich anmachen.

      „Na ja, also dass einige der Damen hier – ich will doch hoffen, keineswegs Sie alle – also dass Sie gegen Geld und wenn Herren das wollen … ich bin ja nicht weltfremd, wir wissen ja, dass Jesus das sogar mal verteidigt hat. Lukas 7 sagt uns, dass Jesus sich nicht zu schade war, sogar mit einer - ich bitte um Verzeihung – also, äh also na ja in der Bibel heisst sie eben so, also mit einer Hure zu reden. Nun hat die ja offensichtlich ihr Leben bereut, sie hat geweint und Jesus die Füsse gewaschen und da hat er die Sünden von ihr genommen“.

      Die Damen rücken näher und finden mich noch eher nett als süss. Und ich sage ganz ernsthaft:

      „Also ich finde, man muss sich ja von der Hure nicht verführen lassen. Sondern man muss ihr, wie ich Ihnen sage, man muss ihr das Sündige ihres Lebens vor Augen führen. Seid Ihr denn glücklich mit diesem Leben, Kinder? Denn Kinder Gottes seid Ihr alle, und deshalb sage ich das.“

      „So“, sagt dann sicher eine von ihnen, „Du hältst das also für Sünde und Dir kann das nicht passieren wie vielen Männern, dass Du einfach zu Frauen wie uns kommst, weil Du es unbedingt willst?“

      Und ich: „Aber nein, ich bin ganz schön gefestigt, wenn ich auch noch jung bin. Aber der Herr ist mein Hirte. Nicht umsonst sagen wir ja in unserem grossen Gebet „und führe uns nicht in Versuchung“. Nein, dem Alkohol und der Sünde muss man einfach widerstehen! Ich denke ich kann das. Vor allem muss man sich rein halten für die Ehe, das ist ganz wichtig!“

      Alle grinsen sich Eins.

      Dann kommt der Moment, wo eine sagt: “wie, Du hast noch nie Alkohol getrunken?“ und Du “na ja ein kleines Bier aber das hat mir nicht mal geschmeckt“. Dann gibt eine Dir ihr Glas und sagt „hast Du schon mal Sekt probiert“ und Du weigerst Dich voller Entrüstung, dann reden sie auf Dich ein und dann nimmst Du ein ganz kleines Schlückchen und dann kommt die sizilianische Eröffnung in der Botwinnik-Variante, denn Du bist schliesslich nicht zum Vergnügen hier, sondern hast was vor, und Du sagst mit fröhlichem Gesicht: „Mhm, das schmeckt ja wirklich ganz gut. Ist das auch nicht gefährlich?“

      Die Damen meinen unisono, das sei mehr sprudelige Limonade und ganz ungefährlich und ob Du nicht mal ein ganzes kleines Gläschen probieren willst. Du willst und trinkst etwas und sagst dann so etwas wie:

      „Also das ist wirklich keine Sünde, und Sie sind alle so zauberhaft, und ich wäre so glücklich wenn ich Sie auf den Pfad der Tugend zurückbringen könnte!“.

      Dann spielst Du den immer Beschwipsteren, wirst immer lockerer, erzählst von Deiner Zeit in Jerusalem und fängst vorsichtig, nachdem Du sie alle taxiert hast, an, mit der frechsten aber auch interessiertesten von denen so ganz unschuldig zu flirten, daneben natürlich noch mit den nächsten Auffangschönen, schon um den Wettbewerb nicht zu unterbinden. Manchmal ist auch eine Unscheinbare dabei, die es im Konkurrenzkampf schwer hat, die ist dann ein ganz besonders lohnendes Objekt Deiner Aufmerksamkeit und stellt sich zudem später meist als „Pfeffermäuschen“ heraus, wenn Sie verstehen, was ich sagen will. Du fragst nach ihren Lebensgeschichten und sie wurden alle im zarten Kindesalter vom bösen Onkel verführt oder was die gängigen Stories so sind und Du bist voller Mitleid und Bekehrungswillen. Nach einer Weile finden Dich alle süss, und wenn Du in Form warst schlägt Dir erst die eine und dann die andere vor, doch mal ein bisschen „nach hinten“ zu gehen, nur mal so in die Separé-Ecke, und wenn Du richtig in Form warst, dann kommt sie mit leuchtenden Augen zurück und sagt „Mädels der ist wirklich süss und gar nicht schlecht und ich sage Euch der hat …“

      Schluss an dieser Stelle, den Rest können Sie der einschlägigen erotischen Literatur entnehmen, Boccaccio, King Pin Meh und dergleichen.

      Und wenn Du in Bestform warst dann hast Du mehrere der Damen beglückt, Dich auch, bist keine Mark losgeworden und schleichst Dich knickebeinig zu Deinem Auto.

      Nur die Bar musst Du Dir merken, zweimal läuft das nicht.

      Das Duell

      Aber ich bin etwas abgeschweift. Ich war eben auch zu längeren Zeiten Erstchargierter einer Studentenverbindung, die zwar nicht mehr focht, aber sonst sehr angesehen war.

      Deshalb wurde ich oft zu Festlichkeiten auch der schlagenden Verbindungen eingeladen. So kam es zu einer Episode, die ich als Nächstes erzählen will, weil Heidi darin vorkommt, die ich schon erwähnt habe.

      Ein alt eingesessenes Corps – ich glaube es war Suevia, die wegen ihrer gelben Mützen die „Schneepisser" genannt wurden, aber das weiss ich nicht mehr genau – gab seinen grossen Semesterball im und um sein imposantes Corpshaus herum. Alle Corpsbrüder und Gäste, soweit sie Verbindungen angehörten, toll uniformiert, im Fachjargon also "im vollen Wichs", nur yours truly im dunklen Anzug mit dem schwarz-gelben Bändchen des Heidelberger Kreises im Revers. An meiner Seite – der Ringelpietz fand natürlich mit Damen statt – Heidi, meine heisse Studentenliebe, eine grosse rassige leicht dunkelhäutige Frau, fast so gross wie ich, mit dunkelbraunen Haaren, riesigen Augen, einem selbstgeschneiderten Seidenkleid ohne Unterwäsche bis auf ein winziges Höschen – sie konnte sich das echt leisten – Beine bis zum Hals und einem Sexappeal, dass die Kerle sich schon am Eingang reihenweise auf die Zunge bissen.

      Kennen