George Tenner

Monet und der Tod auf der Insel


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      »Das würde jetzt nichts helfen, Frau Halmer. Die Fachleute der Polizei werden das machen. Bitte setzen Sie sich wieder.«

      Die Damerow hatte ein Beiboot ausgesetzt, mit dem zwei Besatzungsmitglieder zum Strand fuhren. Quer vor dem Land fahrend, fingen sie an, nach dem verschwundenen Kind zu suchen.

      Als Larsson hochschaute, sah er Kriminalkommissar Karl Simons kommen. »Mein Kollege wird hier vor Ort bleiben. Wir werden ins Kommissariat fahren, denn hier wird es mit der Zeit zu kalt.« Er deutete auf das Kind.

      »Ich kann hier nicht weg!«, schrie Maria Halmer auf. Als sie bemerkte, dass sie so laut geworden war, sagte sie leise: »Ich kann doch meinen Sohn nicht allein hier lassen.«

      Larsson beobachtete sie. Er recherchierte immer nach allen Richtungen, auch nach ambivalentem Selbstverschulden. Aber nichts im Wesen der Frau verriet ihm, dass sie schuldhaft gehandelt hatte.

      Simons war inzwischen dazugekommen.

      »Nimm dir einen oder zwei der Kollegen, Karl, und befragt die Menschen in den umliegenden Sandburgen, ob sie etwas gesehen haben. Und Karl …«

      Simons drehte sich noch einmal um.

      »Bestell bitte einen Psychologen zur Dienststelle. Und fordere die Tauchergruppe an.«

      Simons ging zu den Schutzpolizisten, und Larsson sah, wie er erst kurz telefonierte, dann mit den Polizisten sprach und mit ihnen ausschwärmte.

      »In welchem Ort wohnen Sie?«

      »Auf der Insel?«

      »Ja.«

      »Gleich hinter der Promenade. In einer Ferienwohnung in der Villa Barbara, Maxim-Gorki-Straße.«

      »Und wo sind Sie zu Hause?«

      »In Berlin.«

      Larsson fragte nach der Adresse. »Wie lange sind Sie schon hier?«

      »Wir sind erst heute Morgen gekommen«, sagte Maria Halmer und brach wieder in Tränen aus.

      »Sind Sie gleich mit den Kindern an den Strand gegangen?«

      »Nachdem ich das Nötigste ausgepackt hatte. Die Kinder haben mir keine Ruhe gelassen. Sie wollten unbedingt ans Wasser.«

      Karl Simons kam zurück und schüttelte den Kopf.

      »Gar nichts gesehen?« , fragte Larsson.

      »Es sind ja nicht mehr alle Burgnachbarn hier. Aber ein Ehepaar hat die Familie baden sehen. Irgendwann am späten Nachmittag. Erst als sie die Frau am Strand später schreien hörten, haben sie ihr suchen geholfen. Dabei wäre beinahe das nächste Unglück geschehen.«

      »Wieso?«

      Simons deutete mit dem Kopf auf die Frau, die aufgestanden war und zum Wasser hinschaute. »Sie wäre beinahe selbst …«

      Larsson schüttelte den Kopf.

      »Ich habe die Adressen, wo wir die Leute finden können.«

      Larsson schaute zur Uhr. »Ich glaube nicht, dass ich Sie jetzt einfach nach Hause entlassen kann«, sagte er zu Maria Halmer. »Ich habe Angst, dass Sie es mental nicht allein verkraften.«

      »Mein Mann«, stammelte sie. »Was sage ich meinem Mann?«

      »Lassen Sie uns zur Dienststelle fahren. Ich werde mit Ihrem Mann telefonieren.«

      Sie nahm das Kind hoch. »Komm, Laura. Wir müssen jetzt gehen.«

      »Magnus?« , fragte das Mädchen schlaftrunken.

      Ihre Mutter sagte nichts. In Gedanken legte sie die Decke zusammen.

      Auf dem Weg zum Auto rief Lasse Larsson Monika an. Er hatte sie im Vorjahr im schwedischen Ort Mellerud in der historischen Provinz Dalsland in Südschweden, etwa 45 Kilometer nördlich von Vänersborg an der Westseite des Vänern-Sees gelegen, geheiratet. Es war ihr Wunsch gewesen, dort zu heiraten, wo Larssons Wurzeln lagen; Larsson hatte alles heimlich vorbereitet, und auf der Reise hatte er sie überrascht. Auf den Spuren seiner Vorfahren hatten sie dann tatsächlich geheiratet.

      »Ich komme später, Monika«, sagte er. »Es hat einen Badeunfall gegeben, den ich jetzt aufnehme.«

      »Ja«, sagte Monika nur, »pass auf dich auf.«

      Larsson schloss den Wagen auf. »Am besten setzen Sie sich mit Ihrer Tochter zusammen auf den Rücksitz.«

      Während der kurzen Fahrt sprachen sie nicht miteinander.

      Larsson dachte: In ihrer Haut möchte ich nicht stecken. Ein solches Unglück, wenn es denn eines war, und daran wollte er in diesem Augenblick glauben, konnte zweifellos verheerende Auswirkungen haben.

      »Wir sind da.« Er stellte den Wagen ab, stieg aus und hielt der Frau die Wagentür auf. Das Kind an der Hand, folgte sie Larsson ins Gebäude.

      »Wie ist Ihre Ehe?« , fragte er, als sie in seinem Zimmer waren. Er schob ihr einen zweiten Stuhl heran, auf den sie das Kind setzen konnte. Ihm war klar, dass er etwas würde entscheiden müssen. Das kleine Mädchen war am Ende seiner Kräfte.

      »Muss ich das beantworten?«

      »Nein«, stellte Larsson sachlich fest.

      »Wie meinen Sie das?«

      »So wie ich es gesagt habe. Sie müssen es nicht beantworten, wenn Sie es nicht wollen.«

      Als Maria Halmer ihn unschlüssig ansah, fasste er nach. »Führen Sie eine glückliche Ehe? Ich muss Sie das fragen. Wenn Sie nicht darauf antworten, muss ich meine Schlüsse ziehen.«

      »Ich habe nichts zu verbergen … Nicht glücklicher als andere Paare, und auch nicht unglücklicher.«

      »Das heißt was?«

      »Es gab schon mal Diskussionen, wie sie in jeder Ehe vorkommen.«

      »Zum Beispiel?«

      »Über einen Krippenplatz, den wir nicht finden konnten. Wir haben das so geregelt, dass ich aufhörte zu arbeiten. Eigentlich wollte ich gerne weiterarbeiten.«

      »Haben Sie auch über Geld gestritten?«

      »Sicher auch mal über Geld, als wir in eine größere Wohnung umziehen mussten, weil die alte Wohnung für vier Personen zu klein geworden war.«

      »Als was arbeitet Ihr Mann?«

      »Er ist Versicherungskaufmann, Abteilungsleiter.« Sie nannte ihm eine große, international tätige Versicherung.

      Larsson nahm seine Notizen heraus, die er am Strand gemacht hatte, und ergänzte sie durch ihre Daten.

      »Zuerst können Sie mir sagen, was Sie noch über den Vorfall wissen, und anschließend werde ich noch einige Fragen stellen. Ich mache mir zwischendurch Notizen. Lassen Sie sich dadurch nicht irritieren. Zum Abschluss werden wir alles schriftlich protokollieren.« Nun wird sie wissen, was auf sie zukommt, dachte Larsson.

      »Wo soll ich da anfangen?«

      »Am besten am Anfang.« Larsson lächelte ihr aufmunternd zu.

      »Wir sind an den Strand gekommen, haben die Burg zusammen gebaut, aber die Kinder wollten dauernd ins Wasser. Ich hatte Mühe, sie zurückzuhalten. Dann haben wir mit einer Frau und ihrem Sohn Ball gespielt und sind zwischendurch ins Wasser gegangen.«

      »Das ist doch schon mal ein Anfang«, sagte Larsson.

      »Laura hatte dann genug vom Wasser. Nur Magnus …« Sie hielt einen Augenblick inne. »Magnus war kaum zu halten. Er liebt das große Wasser. Als die Frau mit ihrem Sohn nach Hause ging, wollte ich auch zurückgehen. Laura musste mal, und Magnus wollte unbedingt wieder ins Wasser. Ein letztes Mal. Ich verbot ihm das. Ich sagte, er solle warten, bis Laura ihr Geschäft gemacht hat …«

      »Aber der Junge hat nicht gewartet«, sagte Larsson.

      »Nein.«

      Larsson