George Tenner

Monet und der Tod auf der Insel


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habe gegoogelt«, bohrte Simons nach.

      »Krasniqi, ich weiß es jetzt.«

      Simons schüttelte den Kopf. »Luan … Luan Halmer … er war irgendwann einmal bei Facebook. Aber eigentlich war er nur dort, um Werbung für die Versicherung zu machen, bei der er angestellt ist. Dann fand ich ihn aber bei Yasni.«

      »Und?«

      »Dort steht im Eintrag Versicherungsagent«, stellte Simons fest.

      »Ist er das nicht?«

      »Ich denke eher nicht. Eine Versicherungsagentur ist ein selbstständiges Unternehmen, das für eine Mutterversicherung arbeitet. Er aber ist Angestellter, also Versicherungsangestellter.«

      Larsson dachte einen Augenblick nach. »Ja, da ist etwas dran. Aber was besagt das schon? Vielleicht war er ja mal selbstständiger Versicherungsagent.«

      »War er nicht.«

      Beinahe hätte Larsson die Geduld verloren, aber irgendetwas warnte ihn, dass Simons mit seinem Misstrauen recht haben könnte. »Na schön, Karl, schau halt, ob etwas im Computer über ihn steht.«

      »Das habe ich schon gemacht. Es gibt einige Einträge über evidente Geschwindigkeitsübertretungen mit dem Auto. Mit den Eintragungen in Flensburg ist er dicht an der Grenze, seinen Führerschein zu verlieren. Außerdem war er an einer Schlägerei beteiligt. Es wurde gegen ihn geklagt, aber die Anklage wurde niedergeschlagen. Das heißt, dass er in seiner Explosionskraft gewissermaßen ein kleiner Krasniqi ist.«

      Larsson nickte. »Das kann durchaus sein. Dennoch ist für uns der Fall abgeschlossen, sobald die Suche nach dem Leichnam des Kindes beendet wird und der Abschlussbericht vorliegt.«

      Karl Simons wollte noch etwas sagen, doch Larsson unterbrach mit einer Handbewegung. »Abgeschlossen, Karl, ist abgeschlossen.«

      Verstimmt verließ Simons das Büro seines Chefs.

      Larsson holte sich wieder das Piktogramm vom Ermittlungsvorgang des Frühjahrs. Man hatte Anastasija Saizew gefunden, eine Russin, die für einen Begleitservice gearbeitet hatte. Parallel holte sich Larsson ein Foto der Frau auf den Bildschirm. Andresen hatte recht. Sie war ausgesprochen schön mit braunen Augen und dunklen Haaren.

      Bei einer Drückjagd wurde sie gefunden. Es war kalt im Winter 2005 und in den ersten Monaten des Jahres 2006 gewesen. Schnee hatte gelegen und die Frau, die möglicherweise bis zu drei Wochen unter der Schneedecke begraben war, zugedeckt.

      2. Kapitel

      7. Januar 2006

      Die russische Weihnacht ist etwas ganz Besonderes.

      Erst kamen Weihnachtslieder aus den Boxen, intoniert vom Moskauer Kathedralchor. Anschließend russische Weihnachtsmusik von Alfred Reed, gespielt von der SHW-Bergkapelle unter der Leitung von Philip Walford. Es war eine Liveübertragung aus dem Dreikönigskonzert in der Stadthalle Aalen.

      »Ich habe etwas aus Petersburg für dich mitgebracht, Anastasija«, sagte Fedor Artjomowitsch Smirnov. Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie flüchtig auf den Mund. »Eine Belohnung für deinen unermüdlichen Einsatz fürs Vaterland.«

      Anastasija gab ihre Liegestellung auf und setzte sich. Smirnov ließ sich neben sie auf die Couch fallen. Er zog ein kleines Kästchen aus der Tasche und öffnete es.

      »Oh … Was für ein schönes Stück!«

      »Es gefällt dir?«

      »Was für eine Frage. Der Ring ist wunderschön.«

      Smirnov nahm den Ring aus dem Kästchen. »Er wird noch viel schöner, wenn er erst an deinem Finger steckt. Juwelen aus der Fabergé-Werkstatt waren über alle Jahre beliebte Sammlerobjekte.«

      »Er ist von Fabergé?« , fragte Anastasija entgeistert. Sie schaute auf den geschliffenen Rubin, der von kleinen Brillanten eingefasst war. Die Farbe des roten Steines passte ausgezeichnet zu ihrem Lippenstift.

      »Keines von den wundervollen Eiern, die bis 1916 entstanden sind. Aber er datiert aus dem Jahr 1916 – schau mal auf den Innenrand.«

      »Мой Anastasjia до 16 день рождения – meiner Anastasija zum 16. Geburtstag«, sagte Anastasija leise. Sie war kreidebleich geworden.

      »Es war zwei Jahre vor der Ermordung der Zarenfamilie«, stellte Smirnov fest, und er ist wie für dich gemacht.«

      Sie wollte den Ring zurücklegen, doch Smirnov zog die Hand mit dem Kästchen weg.

      »Mashka und Alyosha hat man ermordet. Aber von Anastasija fehlt jede Spur. Und da steht dein Name. Also nimm ihn, und bewahre ihn in Ehren auf«, sagte er.

      Anastasija Saizews Augen wurden nass.

      Grade habe ich das Gefühl, alles auf einmal stürzt auf mich ein. Versuche abzuschalten, mich abzulenken, aber mein Kopf ist nur noch am Arbeiten, wenn ich es schaffe, das Thema Geldverdienen wegzuschieben, dann kommt gleich das nächste, wie löse ich mich von diesem Mann? Er ist mein Untergang. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel. Doch Fedor Artjomowitsch wird mich vernichten, wenn ich ihn hängenlasse. Die vielen Reize bei der Betreuung zahlungsbereiter Kunden, gegen die ich mich immer schwerer abgrenzen kann, beschaffen mir ein gutes Auskommen, machen mich aber zur Edel-Hure. Ich habe keine Kraft mehr dazu, obwohl ich wieder im Funktionsmodus bin, wo ich doch nie mehr sein wollte, aber ich weiß mir einfach nicht mehr zu helfen …

      »Du musst nicht gleich weinen. Oder sehe ich da Freudentränen? Übrigens, dazu gibt es noch ein wunderschönes Armband und ein Collier. Beides ist für dich reserviert.«

      »Ich kann das nicht«, sagte Anastasija.

      »Was kannst du nicht?« , fragte Smirnov eine Spur zu scharf.

      »Der Ring gehört doch zum Zarenschatz, und dieser ist Eigentum unseres russischen Vaterlandes. Es wäre Diebstahl.«

      Smirnov lachte auf. »Wir kaufen deutsche Expressionisten an und verkaufen sie mit großem Gewinn an die Oligarchen, die sich damit schmücken. Unsere Galerie macht Gewinn. Und du profitierst angemessen von diesem Gewinn.« Er legte das Foto eines Ölbildes auf den Couchtisch.

      »Was ist das?«

      »Ein Monet von 1867. ›Frau im Garten‹. Öl auf Leinwand.«

      »Und?«

      »Es hängt in der Eremitage in Sankt Petersburg. Wir haben einen Sammler aus Tokyo, der sich überaus für dieses Bild interessiert.«

      »Und nun suchst du einen Kopisten, der das fertigbringt?«

      »Ja.«

      »Wenn der Japaner ein Sammler ist, wird er sicher schon ein oder zwei Werke das Malers besitzen.«

      »Ja. So sagte er.«

      »Und du glaubst, du könntest ihm eine Fälschung unterjubeln?« Jetzt war Anastasija Saizew nicht mehr das kleine, verletzliche Wesen, das sie eben noch zu sein schien.

      »Genau das glaube ich nicht. Er will das Original, und das wird er bekommen.«

      »Aus der Eremitage?« , fragte sie entsetzt. »Das wird nie im Leben klappen.«

      »Dein Ring hat doch auch geklappt, oder?«

      »Er ist klein. Und das Bild?«

      »82 x 100 Zentimeter … Man wird es vorsichtig rollen. Dann kommt es mit einer Diplomatenmaschine nach Köln oder Berlin. Und dort holen wir es ab. Doch zuerst brauchen wir die Kopie. Sie muss nach Sankt Petersburg. Dort erfolgt der Austausch durch einen leitenden Mitarbeiter des Museums.«

      »Du bist verrückt. Dieser Größenwahn kann verdammt teuer werden«, stellte Anastasija fest.

      »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, mein Täubchen.«

      Die Übertragung der russischen Weihnachtsmusik aus der Stadthalle Aalen war zu Ende gegangen. Wenig später erklang