George Tenner

Monet und der Tod auf der Insel


Скачать книгу

      Die Aufregung war verständlicherweise groß.

      Noch während die Männer der Spurensicherung und der Tauchergruppe das Opfer von allen Seiten fotografierten, wurde Larsson durch den Kriminal-Dauerdienst zur Fundstelle geschickt.

      Larsson begrüßte seinen Kollegen, den Leiter der Tauchergruppe Kurt Salomon. »Ich habe nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen werden.«

      Sie gaben sich die Hand.

      »Vielleicht sollten wir hier eine Dependance einrichten«, frotzelte Salomon mit einem Augenzwinkern. Er öffnete das Fahrerhaus des Taucher-Basisfahrzeuges, das bis an den Ermittlungsort herangefahren war. Neugierige Urlauber standen herum und mussten immer wieder auf Distanz gebracht werden.

      Hauptkommissar Salomon klappte den Laptop auf, der im Führerhaus auf dem Sitz lag. »Ich zeige Ihnen, was meine Leute vorgefunden haben.« Nacheinander rief er einige Bilder ab.

      »Das ist eine inszenierte Hinrichtung«, sagte er.

      »Hast du das Gesicht in einer Großaufnahme?«

      Wieder klickte der Hauptkommissar einige Bilder an und vergrößerte dann das Bild, das das Gesicht des Toten optimal zeigte.

      »Wow!«, sagte Larsson. »Das Gesicht kenne ich.«

      *

      Larsson wählte die Handynummer von Kriminalkommissar Rolf Andresen.

      »Andresen, guten Tag.« Natürlich musste er es auf dem Display längst gesehen haben, wer ihn zu erreichen versuchte.

      »Es ist etwas eingetreten, was mich veranlasst, dich zu bitten, schnellstmöglich zurückzukommen.«

      »Nichts ist so wichtig, dass es mich von meinem wohlverdienten Kurzurlaub abhalten könnte«, sagte Andresen, und Larsson konnte unschwer heraushören, dass seinem Mitarbeiter die Störung absolut nicht passte.

      »Du erinnerst dich an Smirnov?«

      »Der Kerl, der an einem Puff in Greifswald beteiligt ist?«

      »Kein Puff, an einem Escort-Service.«

      »Das ist doch dasselbe.«

      »Beinahe.«

      »Du kannst nicht verwinden, Lasse, dass du den Fall nicht aufgeklärt hast«, maulte Andresen. »Wie hieß sie gleich, die Kleine, mit der wir ihn in Verbindung gebracht hatten?«

      »Anastasija Saizew«, las Larsson den Namen vom Bildschirm seines Computers.

      »Anastasija Saizew«, Andresen ließ den Vornamen der ermordeten Frau langsam auf der Zunge zergehen. »Das war mal ein verdammt hübsches Frauenzimmer«, sagte er.

      »Deine Frau scheint nicht in der Nähe zu sein«, sagte Larsson.

      »Sie feilscht vor dem Boot um einen Fisch, den wir zu Abend machen wollen.«

      »Smirnov ist tot.«

      »Ermordet«, stellte Andresen sachlich fest, als wüsste er bereits über den Fund Bescheid.

      »Mit einem Pfeil aus einer Harpune aufgespießt an die Planken eines Fischerbootes.«

      »Huuiiiiii«, entfuhr es Andresen.

      »So ähnlich habe ich auch reagiert. Wo bist du eigentlich?«

      »In Polen.«

      »Witzbold.«

      »Du willst mich nicht etwa fragen, wann ich in Heringsdorf sein kann?«

      »Genau das möchte ich. Ich brauche jetzt jeden Mann und ganz besonders deine Mitarbeit. Du warst ganz dicht an dem Mann dran.«

      Einen Augenblick blieb es still.

      »Bist du noch da?« , fragte Larsson.

      »Ja, ich überlege gerade, wie ich am schnellsten im Kommissariat sein kann … Ich bin in Gmina Wolin. Bis Heringsdorf sind es ungefähr 40 Kilometer. Schneller als mit dem Boot geht es mit dem Auto«, antwortete Andresen.

      »Dann nimm dir bitte ein Taxi auf Staatskosten.«

      »Und das Boot?«, widersprach Andresen.

      »Ja, das Boot. Es hat doch einen Motor.«

      »Natürlich hat es das. Avinrude – Außenbordmotor, sechs PS. Schließlich ist ein Jollenkreuzer ein Segelboot«, sagte Andresen dozierend.

      »Dann kann doch deine Frau …«

      »Vergiss es. Sie hat keinen Bootsführerschein. Aber mir wird schon etwas einfallen.«

      Es ist der Zeitpunkt, der darüber entscheidet, ob ich deine Beförderung vorantreibe, dachte Larsson, der Punkt auf dem i!

      Andresen wiederum dachte einen Augenblick darüber nach, wie er seinen mit dem erstandenen Fisch auf den Jollenkreuzer kommenden Drachen zu einem Abbruch der kleinen Reise bewegen könnte.

      »Ich muss jetzt auflegen, komme aber so schnell, wie ich irgend kann.«

      »Hast du gesehen, wie ich den Polen abgehandelt habe?« , fragte seine Frau triumphierend, als sie wieder an Bord war. »Den ganzen Kerl habe ich für sieben Euro gekauft.« Stolz zeigte sie einen großen Dorsch, der in braunes Packpapier eingewickelt war.

      »Ist er frisch?«

      »Schau auf die roten Kiemen und die Augen!« Seine Frau lächelte kurz. Dann hatte sie bereits spitzgekriegt, dass irgendetwas nicht stimmte. »Was ist los?«

      Andresen schaute zum Steg. Der polnische Fischer stand nun da und handelte mit einem anderen Kunden, der ebenfalls an einem seiner Fische interessiert war und mit seinem Boot ganz am Ende des Steges lag. »Was soll schon sein?«

      »Du brauchst dich nicht zu verstellen, Rolf. Ich kenne dich zu genau, um nicht zu wissen, dass etwas faul im Staate Dänemark ist.«

      Obwohl Andresen seine Frau liebte, hasste er es, so schnell durchschaut zu werden. »Ich muss zurück ins Kommissariat.«

      »Larsson pfeift, und mein Mann kuscht«, stellte sie lakonisch fest. »Wie stellst du dir das vor? Willst du mich hier allein sitzen lassen? Mit dem Boot? Du weißt, dass ich mich allein fürchte.«

      Sie kokettiert wieder mit ihrer Furcht, dachte er. Und dann in diesem Ton? Als wenn das noch zöge.

      »Larsson braucht jeden Mann, und ich bin derjenige, der das Opfer am besten kannte.« Er dachte an die Bootsnachbarn, mit denen sie seit einigen Jahren befreundet waren und mit denen sie sich trafen, wann immer ihnen das möglich war. »Lass uns Karol fragen, ob ihm etwas einfällt, wie unser Boot nach Neppermin kommen könnte.«

      *

      Kurz nachdem Larsson die Leitung zu Andresen unterbrochen hatte, kam Simons in sein Büro.

      »Was mir überhaupt nicht schmeckt, Lasse«, begann er das Gespräch, »ist der Ton, den dieser Luan Halmer angeschlagen hat. Vor allem gegenüber seiner Frau war das mehr als nur unangebracht.«

      »Wir haben jetzt andere Sorgen«, sagte Larsson. »Ich finde das auch nicht richtig, aber …«

      »Luan … Luan … Ich habe mal gegoogelt. Ein Boxer heißt so. Luan Krasniqi, ein Kosovo-Albaner.«

      »Karl«, mahnte Larsson.

      »Ein Boxer ist genauso aggressiv, wie es Halmer war, und umgedreht.«

      »Karl!« Larsson begann allmählich die Geduld zu verlieren. »Krasniqi ist ein Muster an Fairness.«

      »Woher weißt du das?«

      »Weil ich mir hin und wieder sonnabends Boxen im TV ansehe.«

      »Du?« , fragte Simons entgeistert.

      »Vor etwa vier Jahren gewann Krasniqi den Europameistertitel im Schwergewicht durch einen knappen Punktsieg über den deutschen Rechtsausleger René Monse.«

      »Du