er ist gerade gekommen.”
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Sie waren mit dem Red Eye gekommen, sahen aber ganz frisch aus: Der Chef (CEO), sein Finanzchef (CFO) und der Investor-Relation-Mann. Alle etwa Mitte bis Ende dreissig. Sie hatten vor zirka 8 Jahren in San Diego eine Firma gegründet, die CALO Solutions, Inc., die mit großem Erfolg eine Business Software vertrieb, die auf individuelle Belange bestimmter Branchen ausgerichtet war. Ihr Börsengang war seinerzeit sehr erfolgreich gewesen, und die Aktie notierte inzwischen an der elektronischen Börse NASDAQ. Die rasante Expansion machte nun eine weitere Finanzierungsrunde erforderlich. Dieses Projekt wollte man Engelhard Capital übertragen.
Nachdem Bergstraesser Engelhard vor etwa 20 Jahren gekauft hatte, machte die Firma sich bald einen Namen, junge, erfolgversprechende Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley mit intelligenten Finanzierungsmodellen im Markt zu etablieren. Dies war in erster Linie seinem Partner Thomas Kirsten zu verdanken, den er kurz nach Übernahme der Firma angeheuert hatte. Kirsten war ein erfahrener und kreativer Deal Maker.
Bergstraesser, Kirsten, ihr Finanzchef Jeff Cohan und ihr Anwalt Bob Ziegler verhandelten bis in den späten Nachmittag mit einer kurzen Pause für Sandwiches und Diet Coke. Es ging um einen dreistelligen Millionenbetrag.
5.
Eigentlich gibt es keinen richtigen Frühling in New York. Es konnte recht frisch und wechselhaft bis Ende Mai sein, wenn dann mit einem Schlag der lange, warme Sommer einsetzt. Natürlich gab es schon mal den einen oder anderen Tag, an dem die Sonne einen Vorgeschmack auf die warme Jahreszeit gab.
So ein Tag war heute.
Jennifer hatte sich in der Mittagspause mit ihrer Freundin Laura verabredet. Mit ihrem Lunch in einem Plastikbehälter von der Salatbar im Deli um die Ecke setzten sie sich auf eine Bank im Central Park, der nur drei Straßen vom Büro entfernt war. Jennifer hätte auch im Four Seasons oder bei Michael’s lunchen können, sie hatte genug Geld, aber Laura verdiente nicht so viel. Außerdem gehörte es unter New Yorker Professionals – insbesondere den jüngeren, zu denen sie sich noch zählten – quasi zu einem Ritual, bei schönem Wetter sein Lunch im Freien einzunehmen; sei es im Central Park oder im Bryant Park oder in den öffentlichen Vorhöfen bzw. Atrien vieler Bürogebäude, die mit wetterfesten Tischen und Stühlen ausgestattet waren.
Jennifer war eine attraktive junge Frau von vierzig. Mit ihren langen dunkelblonden Haaren, die sie abwechselnd offen, in einem Pferdeschwanz oder hochgesteckt trug, sah sie deutlich jünger aus. Sie kleidete sich chic und teuer. Ins Büro trug sie meistens Kostüme oder Hosenanzüge, die sie bei Barneys, Bergdorf & Goodman oder den europäischen Designern in der Fifth Avenue oder in der Madison Avenue kaufte. Sie strahlte Selbstbewußtsein aus.
Laura hingegen war der ‘Junior Partner’ in ihrer freundschaftlichen Beziehung. Kurze schwarze Haare, vielleicht ein paar Pfunde von ihrem Idealgewicht entfernt und immer frech gekleidet. Sie sah sexy aus. Ein paar Jahre jünger als Jennifer, hörte sie gerne auf den Rat ihrer Freundin, ohne sich jedoch unterzuordnen. Beide waren single, wie so viele in New York. Und nicht unbedingt unglücklich darüber.
“Was macht unser Big Boss?” eröffnete Laura das Gespräch und fummelte ihr Plastikbesteck aus der Cellophanhülle.
“Ich weiß nicht, irgendwie hat er sich verändert. Er ist jetzt manchmal richtig stinkig; reagiert gereizt bei kleinen Anlässen. Gestern zum Beispiel raunzte er mich an ‘mach’ ich selber !’, als ich ihn um seinen Führerschein bat, der verlängert werden musste. Ich hatte mir dies vorgemerkt und wollte das Formular ausfüllen und an das Verkehrsamt (DMV) schicken”. Jennifer spießte mit ihrer Plastikgabel ein Stück Avocado auf. “Und Du weißt, wir hatten immer ein ganz tolles Verhältnis.”
“Ja, Du hast eigentlich immer nur von ihm geschwärmt”, sagte Laura und nahm einen Schluck aus der Snapple-Flasche. “Und nicht zu vergessen, dass ihr vor ein paar Jahren auch romantisch miteinander verbunden wart,” fügte sie mit einem vielsagenden Lächeln hinzu.
“Romantisch würde ich es nicht nennen. Aber ich war ungebunden und er nahm mich mit auf Reisen nach Europa, wo wir in den besten Hotels logierten. Ich konnte mir alles ansehen, wenn er den ganzen Tag in Meetings war. Du kennst mich. Sex ist, was es ist. Nicht mehr und nicht weniger. Die Welt geht nicht unter, wenn man ihn hat oder wenn man ihn nicht hat.”
Die Affaire mit ihrem Chef, die viele Jahre zurücklag, spielte sie gerne herunter. Aber ganz so unromantisch veranlagt war sie eigentlich nicht. Daher fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu:
“Was nicht heißen soll, dass Liebe und Sex nicht gleichermaßen eine Einheit bilden können. Das ist die ideale Kombination, kommt aber nicht so häufig vor.”
“Wie lange bist du jetzt bei Engelhard ?”
“Im nächsten Jahr werden es 20 Jahre. Gleich nach dem College. Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass ich solange bei einer Firma bleiben würde. Aber immer, wenn ich einen Wechsel durchblicken ließ, hat Bergstraesser mich mit einer stattlichen Erhöhung von Gehalt und Bonus zum Bleiben überredet.”
“Was nicht gerade zum Nachteil für dich war. Du hast den rasanten Aufstieg von Engelhard von Anfang an mitgemacht.” Laura schaute zu den Pferdekutschen herüber, die hier darauf warteten, Touristen durch den Central Park zu fahren. Gerade hatten sich vier ausgelassenen japanischen Mädchen in einer der Kutschen niedergelassen. Mit ihren hohen Stimmen kichernd begannen sie sofort, sich gegenseitig zu fotografieren.
“Bergstraesser braucht sein eingespieltes Team, auf das er sich verlassen kann. Fremden gegenüber ist er eher misstrauisch.”
Jennifer dachte daran, wie ihr Chef sie von Anfang an auf äußerste Diskretion eingeschworen hatte. Vor allem sollte sie alles, was seine Person betraf, für sich behalten. Sie hielt sich weitgehend daran. Auch Paula erzählte sie nicht alles.
“Was hältst Du von einem Kaffee ?” wechselte Laura das Thema, stand auf und warf die fast leere Plastikschachtel in den großen Abfallbehälter neben der Bank .
“Gute Idee.”
Sie überquerten Central Park South und steuerten auf Le Pain Quotidien in der Seventh Avenue zu, wo sie sich an einen der langen Holztische setzten und einen “Latte” bestellten. Dieser belgischen Bio- Imbisskette, die handgebackenes Brot und Gebäck in rustikaler Umgebung zu erhöhten Preisen anbot, gaben New Yorker Professionals eindeutig den Vorzug vor Starbucks. Beides waren jedoch nur Ersatzlösungen für die in Amerika komplett fehlende Kaffeehauskultur europäischen Zuschnitts.
Sie blieben nicht lange. Laura fummelte ein paar Dollarscheine aus ihrer Handtasche und legte sie auf den Tisch.
“Bleibt es bei Freitag im “Carlyle” ?”
“Ja, so gegen halb sechs. Wenn es bei mir später werden sollte, rufe ich dich an.”
6.
Das Rindercarpaccio war vorzüglich. Wie gewohnt saßen sie an einem Tisch in der Ecke mit Blick auf den Innenhof, wo sie sich – für New Yorker Verhältnisse – einigermaßen ungestört unterhalten konnten. Heute, am Freitag, war es noch voller als sonst. Sie kamen ziemlich häufig mittags zu “Michael’s”. Es war bequem um die Ecke, exzellentes Essen und professioneller Service.
“Was hältst Du von CALO Solutions ?” Bergstraesser schob seinen Teller beiseite und nahm einen Schluck Wasser. Er sah Thomas fragend an.
“Die Jungs sind smart. Ihre Gewinne sind in den letzten 5 Jahren ständig gestiegen, und ihr Marktwert hat sich seit ihrem Börsengang vervierfacht. Wenn unser Due Diligence keine negativen Überraschungen bringt, sollten wir uns da voll reinhängen.”
“Das Timing scheint nicht gerade ideal”.
“Das stimmt, aber vielleicht liegt darin auch eine Chance”. Thomas war meistens optimistisch, musste aber zugeben, dass das wirtschaftliche Umfeld derzeit eher Anlass zur Sorge gab.
“Beim Dow sind wir etwa 10 % von seinem Höchststand