K. Ingo Schuch

Armadeira


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wir am besten am Anfang. Sie kennen einen José Gabriel Tavares. «

      »José? Der alte Streber? Das kann man sagen. Wir waren einige Jahre eng befreundet. Was ist mit ihm? «

      »Er ist tot. Wahrscheinlich ermordet. Genauso wie ein gewisser Matheus de Oliveira. «

      Do Nascimento starrte abwechselnd Teixeira und Vanderlei an, als wäre ihm der Leibhaftige begegnet. Er verbarg seine Augen mit der Hand und schüttelte den Kopf. Er schien um Fassung zu ringen. Schließlich presste er hervor: »José ermordet? Was soll das? Was geht da vor? Was ist passiert, erzählen Sie doch! «

      Teixeira gab ihm einen Abriss über die Vorkommnisse und schloss den Bericht mit den Worten: »Und daher werden Sie verstehen, dass wir dringend mit Ihnen reden wollten. Natürlich hätten wir auch unsere Kollegen in Belém bitten können, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, aber das ist mein, unser Fall und ich will hier sehr schnell konkrete Ergebnisse vorlegen. «

      »Bitte warten Sie. «

      Der Forstwirt ging hinüber zu seinen Begleitern, die Indios aus der Gegend waren und rief ihnen in einem merkwürdigen Singsang etwas zu. Die Männer standen wortlos auf und machten sich auf den Weg flussaufwärts.

      »Ich habe sie beauftragt, nach Ihren Sachen und vor allem nach dem Caboclo Ausschau zu halten. Außerdem sollen sie versuchen, Osvaldos Boot wieder flott zu machen und uns dann nachkommen. «

      Vanderlei schaute fragend den Indianern nach, die schon im Unterholz verschwunden waren »Und was ist, wenn die das Boot vom Felsen herunter bekommen und irgendwie abdichten können, wie sollen sie es steuern? Ich denke, der Motor ist hinüber. «

      Do Nascimento schnaubte verächtlich. »Senhor, das sind Katuena. Die sind hier aufgewachsen. Machen Sie sich um die bitte keine Gedanken, die kommen schon klar. Man kann sich ganz schnell aus ein paar Ästen ein passables Ruder bauen, außerdem liegt da hinter den Bäumen in wenigen Kilometern schon die nächste Siedlung. «

      Teixeira und Vanderlei schauten sich betreten an. Offenbar hatten sie sich angestellt wie echte Großstädter, die sie ja waren. Sie setzen sich wieder auf den Baumstamm. Do Nascimento fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar.

      »Bom, lassen Sie mich von José erzählen. Nach dem Umweltgipfel in Rio von Zweiundneunzig gab es in Sachen Abholzung einen ziemlich drastischen Richtungswechsel. Auch wenn die Öffentlichkeit das damals noch nicht in dem Maße wahrgenommen hat wie heute, zogen die Vereinbarungen von Rio doch zum Beispiel für die Holzindustrie eine Reihe von Auflagen nach sich, die es in der Form vorher gar nicht gab.

      Ich arbeitete damals als Berater und bekam den Auftrag, bei Indústria Millers in einem Projekt das Absatzpotenzial alternativer Holzsorten zu ermitteln. Das Ziel war, in den bereits vorhandenen Brachflächen kontrolliert Eukalyptus zu pflanzen und nach neuesten Methoden zu bewirtschaften. Mein Hauptansprechpartner war José Tavares. Wir haben damals sehr intensiv zusammen gearbeitet, manchmal bis in die Nacht hinein, bis wir den Vorstand von unserem Konzept überzeugt hatten und er endlich die erforderlichen Mittel bewilligt hat.

      Mit der Zeit entstand zwischen uns eine richtige Freundschaft und wir haben in den folgenden Jahren viel zusammen unternommen, wenn ich in der Gegend war. Irgendwann hat sich das aber leider in die völlig falsche Richtung entwickelt. Ich habe herausbekommen, dass meine Frau, meine Exfrau, ich nehme an, Sie haben schon mit ihr gesprochen? «

      Teixeira nickte und do Nascimento fuhr fort: «Nun, wenn Sie schon mit Anna gesprochen haben, hat sie ihnen vielleicht auch erzählt, dass es zu einer dummen Sache gekommen war, die letztendlich zum Ende unserer Ehe und auch zum Ende unserer Freundschaft mit den Tavares geführt hat. «

      Vanderlei fragte sehr direkt: »Sie meinen Ihr Verhältnis mit Fany Tavares? «

      Do Nascimento schaute zunächst überrascht, dann lachte er schallend.

      »Das hat sie Ihnen erzählt? Mein so genanntes Verhältnis mit Fany war eine einmalige Sache, Neugier auf beiden Seiten, nichts Ernstes. Aber meine liebe Ehefrau Anna hat sich monatelang heimlich mit José getroffen und, glauben Sie mir, das war ein echtes Verhältnis. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich die Sache überhaupt realisiert hatte. Zuerst die üblichen Verdachtsmomente und irgendwann dann die Bestätigung. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal in einer so blöden Situation waren. Eigentlich mögen sich alle Beteiligten und versuchen lange noch, die Fakten einfach zu ignorieren. Irgendwann hat es dann endlich geknallt und wir haben uns alles an den Kopf geworfen. Danach waren beide Ehen und leider auch die Freundschaft am Arsch. «

      Er wurde wieder traurig. »Und jetzt ist José tot. Der dämliche Hund. Wissen Sie, ich habe ihn echt gemocht. «

      Der große Mann wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. »Delegado, was glauben Sie, ist der Hintergrund für die schrecklichen Morde? Haben Sie schon eine Spur? «

      Teixeira hatte nur zugehört. Er versuchte, sich mit seinem tropfnassen Taschentuch den Schweiß von der Stirn zu tupfen.

      »Senhor do Nascimento. Es gibt bislang nur Indizien, aber keine Spur von dem Täter. Theoretisch müssen wir natürlich auch in Betracht ziehen, dass es sich um mehrere Täter handeln könnte, aber Instinkt und Erfahrung sagen mir, dass es sich in allen Fällen um ein und denselben Mann handelt. Und die Opfer hatten alle etwas mit Indústria Millers zu tun. Sagen Ihnen folgende Namen etwas? Leonardo Alves, Lucimar Silva.« Er machte eine kurze Pause, dann nannte er noch, einer Eingebung folgend: »Dante Lopez. «

      Do Nascimento zögerte kurz, dann antwortete er: »Lopez? Ist das nicht dieser Sicherheitsmensch? Ich habe nur einmal mit ihm zu tun gehabt, als ich meine Zutrittsgenehmigung für das Betriebsgelände verlängern musste. Die anderen kenne ich nicht. Millers hatte damals bereits ungefähr fünfhundert Mitarbeiter in Manaus. «

      »Vergessen Sie es. Es ist nicht wichtig. Lassen Sie uns jetzt bitte zurück nach Belém fahren. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns und ich würde unterwegs gerne noch etwas mehr über Ihre Zeit bei Millers und über José Tavares erfahren. «

      Sie kletterten die Böschung hinunter zum Boot. Die Indios waren nirgendwo zu sehen. Der Außenborder sprang sofort an und do Nascimento steuerte das Boot geübt durch die sanften Wellen.

      Über ihnen zogen schwarze Vögel ihre Runden, wahrscheinlich urubu, die Totengräber Brasiliens. Am Ufer konnte Teixeira hier und da die Bewegungen von Tieren wahrnehmen. Do Nascimento meinte, es handele sich um Otter und Wasserschweine.

      Über das Knattern des Motors hinweg versuchte Teixeira, sich mit do Nascimento zu unterhalten. Nach anfänglichem Zögern begann der Mann immer lebhafter von seiner gemeinsamen Zeit mit José zu erzählen. Fast schien es, als helfe das Reden ihm, die Nachricht von dem gewaltsamen Tod seines ehemals besten Freundes zu verarbeiten. Vor Teixeiras geistigen Auge begann sich ein lebendiger, junger Tavares zu formen, der nicht zu dem toten Stück Fleisch passte, das in São Paulo auf dem Seziertisch gelegen hatte.

      Die Männer hatten einige Gemeinsamkeiten entdeckt. Beide stammten aus einfachen Verhältnissen und hatten ihre Chance ergriffen, durch Fleiß und Zähigkeit eine akademische Ausbildung zu erlangen und auszubrechen aus einer wenig erfreulichen Jugend am Stadtrand, die bei Francisco immerhin durch heimliches Bücherstudium nach dem Fußballspielen geprägt war, bei José eher durch Ohrfeigen von einem ständig betrunkenen Vater, wenn der gerade mal nicht auf Wanderschaft war, um sich irgendwo als Hilfsarbeiter zu verdingen. Tavares bei Millers und do Nascimento als Berater der Holzwirtschaft hatten ihre Herkunft irgendwann hinter sich lassen können und waren in den Neunziger Jahren dabei, sich in der so genannten bürgerlichen Mitte zu etablieren. Man konnte sich nette Appartements leisten, fuhr mehr oder weniger teure Autos - do Nascimento war stolz darauf, dass er nach wie vor seinen Fusca Baujahr 1985 hatte - und die beiden verbrachten ihre Freizeit mit allerlei kulturellen und sportlichen Aktivitäten.

      »José hatte sogar angefangen, Golf zu spielen. Sie können sich vorstellen, dass das für ihn als jüngstes von sechs oder sieben Geschwistern eine besondere Genugtuung gewesen sein muss. Mein Ding ist das nicht. Mir hat es immer mehr Spaß gemacht, mit José und ein paar anderen Freunden mit dem Kanu über den Fluss zu ziehen und abends