K. Ingo Schuch

Armadeira


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das ist im Grunde genommen schnell erzählt. José Gabriel Tavares kam nach seinem Studium 1991 als Mitarbeiter in der Produktionsplanung zu Indústria Millers do Brasil. Dem damaligen Produktionschef fiel er bald durch sein Organisationstalent und seine kommunikativen Fähigkeiten auf und nach kurzer Zeit bekam er die Leitung der Abteilung. Nach wenigen Jahren wechselte er ins Vertriebsressort und stieg dort rasch auf. 2002 wurde Tavares ins Direktorium berufen. Wie Sie sicher wissen, war er zu der Zeit noch verheiratet. Seine Ex-Frau lebt inzwischen in irgendeinem anderen südamerikanischen Land und es gab wohl keinen Kontakt mehr. José Tavares war ein angesehener Bürger der Stadt Manaus und nicht nur in unserem Unternehmen hoch geachtet.

      Wir haben aus der Presse von seinem Ableben erfahren. Mir fehlt die Fantasie, um mir vorstellen zu können, warum ihm jemand so etwas antun sollte. War er nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Seine Sekretärin hat ihm den Flug nach São Paulo gebucht, auf seine Kosten, versteht sich. Er hat ihr gegenüber nichts Näheres über seine Pläne erwähnt. Warum auch? Er hatte sich die paar freien Tage zu Weihnachten gegönnt, weil im Büro um diese Zeit nicht viel ansteht. Delegado, Sie haben angedeutet, dieser de Oliveira ist auf ähnliche Weise ums Leben gekommen und Sie vermuten auch hier eine Gewalttat? «

      Teixeira nickte. »Senhor Porter, wir haben zwei Todesfälle innerhalb kurzer Zeit. Beide Male Spinnengift, beide Male aktive oder ehemalige Mitarbeiter von Millers. Und die Recherchen unseres Kollegen Bonfim hier haben zwei weitere Todesfälle von Mitarbeitern Ihres Unternehmens ans Licht befördert, bei denen Spinnengift im Spiel war. Sollten das wirklich Zufälle sein? Então. Alves und Silva sind bereits 1998 ums Leben gekommen. Wie Sie richtig sagten, Sie leben hier am Rande des Dschungels. Ich glaube aber nicht an Zufälle. Es muss ein verbindendes Element geben. Hatte Tavares Feinde? «

      Der Manager lachte und lies dabei seine makellos weißen Zähne aufblitzen.

      »Feinde? Sie meinen, bedingt durch seine Tätigkeit in unserem Unternehmen? Holzindustrie vertreibt Ureinwohner und vernichtet den Regenwald? Glauben Sie mir: Es gibt weltweit kaum einen Wirtschaftszweig, der so viel für den Erhalt der Ressourcen tut wie die Holzindustrie. Ich denke nicht, dass Millers oder Direktor Tavares selbst irgendeiner dieser Gruppierungen Anlass für Anfeindungen gegeben hat, ob das nun die Indios oder die so genannten Umweltschützer sind. Wenn Sie mich fragen – in Ihrem Staat ist ein Wahnsinniger unterwegs und ich erwarte, dass Sie ihn bald dingfest machen. Die anderen beiden sind wahrscheinlich tatsächlich unvorsichtig gewesen und wurden von einer Giftspinne gebissen. Ich habe gehört, in Australien sollten Sie sogar in guten Hotels erst einmal unter Ihr Bett schauen, ob da nicht irgendetwas Giftiges krabbelt oder schlängelt. Und in meiner Heimat tut man gut daran, nach Klapperschlangen Ausschau zu halten, wenn man durch hohes Gras geht. Deshalb trage ich die hier. «

      Er zog lachend ein Hosenbein hoch und zeigte seine sündhaft teuren Cowboystiefel.

      Teixeira wollte sich mit dem Mann nicht streiten und sprach jetzt den Sicherheitschef an: »Senhor Lopez, wie lange sind Sie schon im Unternehmen beschäftigt? «

      Der Mann straffte die Schultern und sah Teixeira feindselig aus seinen fast schwarz wirkenden Augen an. »Warum interessiert Sie das? Ist die Polizei von São Paulo hier überhaupt zuständig? Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, ich arbeite hier schon seit Anfang der Neunziger. Indústria Millers ist ein guter Arbeitgeber und ich hatte nie Veranlassung, woanders hinzugehen. « Er blickte auf seine Uhr und erhob sich. »Senhores, ich muss Sie jetzt leider verlassen. Wir haben hier zu tun. Ich schlage vor, Sie halten mich über Ihre Ermittlungen auf dem Laufenden. Wenn ich Ihnen noch mit weiteren Informationen dienen kann, zögern Sie nicht, mich anzurufen. Meine Kontaktdaten haben Sie ja. «

      »Senhor Lopez. Wie Sie richtig bemerkt haben, sind wir in diesem Bundesstaat nicht zuständig. Ich denke aber, dass Delegado Bonfim uns gerne unterstützen wird, falls wir noch Fragen an Sie haben sollten. «

      Er wendete sich an Porter, hielt dabei aber Lopez im Auge: »Ach ja, eine Frage hätte ich noch. Sagt ihnen der Name Francisco do Nascimento etwas? «

      »Sie fragen nicht ohne Grund. Hat der Mann etwas mit Direktor Tavares zu tun? «

      Diesmal hatte sich der Sicherheitschef an die Nase gefasst und kurz zu Boden geschaut. Lopez wusste etwas, dessen war Teixeira sich sicher.

      »Do Nascimento hat in den Neunziger Jahren als Berater für Ihr Unternehmen gearbeitet. Zudem war er gut mit dem Ehepaar Tavares befreundet. «

      Porter schien nichts davon zu wissen oder aber er war ein grandioser Schauspieler. »Delegado, ich fürchte, da kann ich Ihnen ebenfalls nicht helfen. Über das Privatleben von José Tavares ist mir nicht viel bekannt. Ich gehöre dem Vorstand von Indústria Millers seit nunmehr fast fünf Jahren an, aber mein Kontakt zu den Mitgliedern der zweiten Führungsebene war und ist rein dienstlicher Natur. Ein Konzern wie Millers beschäftigt natürlich eine Reihe von Beratern. Wenn es Ihnen weiter hilft, kann ich gerne veranlassen, dass in den Archiven nach Unterlagen gesucht wird. Was ist mit dem Mann? Doch nicht etwa auch tot? «

      Teixeira erwiderte: »Nein, nein. Do Nascimento geht es gut. Das war nur so eine Frage. Ich danke Ihnen. Falls es noch Aufzeichnungen gibt, können Sie diese bitte Delegado Bonfim zur Verfügung stellen. Senhor Porter, wir wollen Sie nicht länger von der Arbeit abhalten. Sobald wir eine eindeutige Spur haben, werden wir Sie informieren. «

      Ganz bestimmt werde ich das nicht tun.

      Porter geleitete sie zur Tür. Lopez hatte vor ihnen bereits wortlos den Raum verlassen.

      Auf dem Weg zum Auto fiel es Teixeira endlich ein. Blade Runner. Der Typ sah aus wie dieser eine Replikant. Nicht Roy Batty, den Rutger Hauer gespielt hatte, der andere, der gleich am Anfang durch den Test gerasselt war. Er wollte gerade Vanderlei darauf ansprechen, da erinnerte er sich daran, dass der Junge filmtechnisch ja einzig im Star Wars-Universum lebte. Gut, die alten Teile waren Kult und er hatte sich tatsächlich auch Episode III im Kino angesehen. Zumindest technisch gut gemacht aber nun mal kein Vergleich mit einem seiner absoluten Lieblingsfilme.

      Sie schlenderten am Hafen entlang. Am späten Nachmittag wollten sie mit einer lokalen Fluggesellschaft weiterfliegen nach Belém und sich bei der dortigen Vertretung des Conselho Brasileiro Florestal nach dem Verbleib von Francisco do Nascimento erkundigen. Am Telefon hatten sie Teixeira gesagt, Francisco sei auf einer Tour und werde für morgen oder übermorgen zurück erwartet.

      Vanderlei setzte sich auf einen Stapel Bananenkisten. »Chefe, was halten Sie von Lopez? Der machte auf mich den Eindruck, als wisse er irgendetwas. «

      Teixeira stand am Ufer und schaute über den braunen Fluss. Weiß und blau gestrichene Ausflugsschiffe drängten sich am Steg und spuckten mit Waren beladene Einheimische und Touristen aus.

      »Der verbirgt was. Hast du gesehen, wie der bei do Nascimentos Namen gezuckt hat? Ich mag mich täuschen, aber ich denke, dass er auch de Oliveira sehr gut kennt. Wie viele Mitarbeiter mag seine Abteilung haben? Da erinnert man sich doch an jemanden, der bis vor drei Jahren da gearbeitet hat. Wenn wir aus Belém zurück sind, soll Bonfim ihm noch mal auf den Zahn fühlen. Sicherheitschef und schon so lange in dem Unternehmen. Da ist er sicher schon mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dass ich diese arrogante Fresse schon mal irgendwo gesehen habe. Und dieser Porter. Ein aalglatter Typ. Den kriegst du nicht zu fassen. Komm, jetzt suchen wir uns erst mal ein vernünftiges Restaurant. Ich habe gehört, hier kann man ganz ausgezeichnet Flusskrebse essen. «

      Sie hatten den Hauptgang gerade beendet, als Vanderleis Smartphone klingelte. Er nahm ab und Teixeira merkte schnell, dass etwas passiert war.

      »Wo, sagst du? Vixe Maria! Hört das denn nie auf! Buchstabiere bitte. Wann? Und der Junge? Ja, ich sag´s ihm, danke. Natürlich, wir fliegen in ein, zwei Tagen direkt von Belém zurück, wenn wir mit do Nascimento gesprochen haben. Ja, halte uns auf dem Laufenden, danke. « Vanderlei beendete das Gespräch.

      »Chefe, das war Fernanda. Es gab einen versuchten Mord. Diesmal konnte die Zielperson gerettet werden, weil sein Sohn ihn rechtzeitig fand und den Notarzt rief. Das Ganze ist in Santos passiert. Das Opfer liegt auf der Intensivstation. Er hat eine