K. Ingo Schuch

Armadeira


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Mordkommission São Paulo. Arbeitet bei Ihnen ein Francisco do Nascimento? Ja? Wo ist er? Im Wald? Was macht er denn da? Ja, ich weiß, was die FSC macht. Ach so, ja verstehe. Haben Sie seine Mobilnummer? Hm. Hm. Hm. Ich danke Ihnen. Nein, er hat niemanden umgebracht. Tschau. «

      Am nächsten Morgen tauchte Vanderlei wieder auf.

      »Bom dia, Chefe. « Sein aktuelles T-Shirt trug die Aufschrift Não complique!

      Teixeira brummte: »Ich hoffe, du hast nicht vor, deine frisch erlernten Theorien gleich hier anzubringen. Echte Ermittlungsarbeit ist nämlich nur in der Praxis zu erlernen. Hier. Auch wenn es deinem Spruch da entgegensteht, könntest du dich mal über die neuesten Entwicklungen schlau machen. « Er schob dem Ermittler die Fotos und die schmale Mappe mit der neu angelegten Akte de Oliveira hin. »Die haben etwas miteinander zu tun und du solltest besser herausfinden, was. «

      Vanderlei blätterte den Autopsie Bericht durch und besah sich dann die beiden Fotografien. »Noch ein Fall? Hm. Stimmt. Das könnte dieselbe Stelle sein. Man kann die Gesichter nicht gut erkennen, aber der Kleine hier und auf dem Foto von do Nascimento sehen sich verdammt ähnlich. Das sind Holzarbeiter, nicht? De Oliveira wurde auch von einer Spinne gebissen. Hier ist doch nicht auf einmal eine Spinnenplage ausgebrochen? Eingeschleppt von so einem Holztransport aus dem Norden? «

      »Que absurdo. Die wurden umgebracht und der Mörder hält es für eine besonders gelungene Masche, es als Begegnung mit einer Giftspinne darzustellen. Solange du die Schulbank gedrückt hast, habe ich ein wenig herum telefoniert. «

      Er hielt Vanderlei triumphierend ein Blatt vor die Nase, das mit Telefonnummern und Notizen vollgeschrieben war. »Rate mal, wo de Oliveira gearbeitet hat, bevor er hier bei dieser Sicherheitsfirma angeheuert hat? «

      »Sie werden es mir gleich sagen. «

      »Matheus De Oliveira arbeitete bis vor drei Jahren bei Indústria Millers. Mach den Mund wieder zu und klemm dich hinter den Computer. Druck das Dienstreiseformular aus. Wir verreisen für ein paar Tage. «

      Vanderlei legte seine Umhängetasche ab und setzte sich. »Wo fahren wir denn hin, Chefe? «

      »Pack ausreichend Mückenspray ein. Wir gehen auf Spinnenjagd in den Regenwald. Und vergiss die Gummistiefel nicht. Da oben ist es ziemlich feucht. «

      Auf dem Rio Moju

      Sie waren morgens mit der ersten Maschine der TAM von Guarulhos abgeflogen. Knapp drei Stunden später landete der Airbus A330 auf dem Aeroporto Internacional de Manaus - Eduardo Gomes.

      Vor dem Terminal hatten die Flughafenbetreiber einen Teich angelegt, in der Mitte eine künstliche Insel. Etliche Wasserschildkröten hatten sich darauf zusammengedrängt, um unter einer Gruppe von Palmen der Mittagshitze zu entfliehen. Teixeira hatte sein Hemd schon wieder durchgeschwitzt. »Incrível« brummte er.

      Die Dienststelle schickte einen Ford, um sie abzuholen. Sie verstauten ihre Reisetaschen im Kofferraum des Geländewagens. Vorbei an der Universität und dem Sportstation ging es Richtung Altstadt. Der Polizist überfuhr in kurzer Folge eine Katze und zwei Hühner; sie schlugen mit einem dumpfen Geräusch in den Radkasten und landeten als blutiger Brei auf der Straße. Die beiden Kriminalisten aus São Paulo enthielten sich jeglicher Kommentare. Das Fahrzeug hielt vor der lokalen Hauptvertretung der Policia Civil.

      Drinnen verschaffte ihnen Teixeiras Ausweis Zutritt zu delegado Bonfim, einem kleinen, sonnengebräunten Mann Mitte Vierzig. Er lehnte in einem abgesessenen Lederstuhl und nahm die Füße von seinem abgenutzten Schreibtisch, als sie eintraten. Natürlich verfügte das Büro nicht über Besucherstühle, also blieben sie stehen. Vanderlei blickte sich scheinbar interessiert in der kargen Amtsstube um, deren einziger Wandschmuck aus einem Foto Lulas und dem Kalender eines Reifenherstellers bestand. Hier im Norden hatte man offenbar noch nicht mitbekommen, dass das Land eine Präsidentin hatte. Teixeira zündete sich eine Mentholzigarette an, woraufhin Bonfim ihm gleich den riesigen Aschenbecher zuschob und sich selbst eine Filterlose ansteckte.

      Teixeira kam gleich zur Sache: »Bonfim, was kannst du uns über Millers erzählen? «

      »Kollege, ich war selbst dabei, als etliche Holzfirmen vor zwei Jahren während der Operation Arco de Fogo durchsucht wurden. Hier und da wurde was gefunden, aber der erhoffte große Schlag gegen die Holzmafia war es nicht. Millers scheint sauber zu sein. In den allermeisten der überprüften Fälle konnte man die erforderlichen Papiere vorweisen. Ausfuhrgenehmigungen, Nachweise, wo die Bäume geschlagen wurden etc. Was den Zwischenfall mit dem Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung anbelangt, Aranjo …«

      Er machte eine Pause, dann fuhr er fort: »Der Mann wollte sich der Durchsuchung der Büroräume widersetzen. Wollte wohl den Helden spielen. Es gab ein Handgemenge und dann hat sich ein Schuss gelöst. Die Waffe konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Das hat aber sicher nichts mit den Ermittlungen in eurem Mordfall zu tun. «

      Teixeira beugte sich zum Aschenbecher. »Und warum wurde der Fall geschlossen, obwohl der Täter nicht ermittelt werden konnte? «

      Bonfim drückte seine Kippe aus und zupfte einige Tabakkrümel aus dem Mund. »Natürlich hat der Anwalt seiner Witwe ihr geraten, sich an die beiden Kontrahenten zu wenden. Die IBAMA hat die Operation angeordnet und ihr Mann hat sich sozusagen im Auftrag seiner Firma dagegen zur Wehr gesetzt. Also hat Senhora Aranjo beide auf fahrlässige Tötung verklagt. Wie ich schon sagte, die Waffe konnte nicht ermittelt werden. Das Kaliber sprach für eine Automatik, wie sie unter anderem vom Militär eingesetzt wird. Nun, die Militärs waren nicht gerade sehr kooperativ. Aber Millers hat sich schließlich sehr nobel gezeigt und sich zur Zahlung einer Rente an die Witwe entschlossen. «

      Der Polizeikommissar stand auf und sah aus dem Fenster. Dann drehte er sich abrupt um und fragte: »Teixeira, du hast die weite Reise doch nicht angetreten, um mich nach einem Todesfall im Rahmen einer Operation gegen die Holzmafia zu befragen. Was willst du von Millers wirklich? Geht es um diesen Tavares? «

      Ihr Kollege sah zwar aus wie Sancho Pansa, aber auf den Kopf gefallen war er nicht. Teixeira beschloss, ihn einzuweihen.

      »Bonfim, wir haben in São Paulo mittlerweile zwei Todesfälle, die exakt dasselbe Muster aufweisen und müssen davon ausgehen, dass es einen Zusammenhang gibt. Das verbindende Element könnte Millers sein. Wir wissen noch nicht, warum jemand Mitarbeiter dieses Unternehmens um die Ecke bringt und können nur spekulieren, dass es etwas mit der Holzmafia zu tun haben könnte. Mich wundert aber insbesondere, dass beide Morde in meinem Bundesstaat passierten. Ich will verdammt noch mal herausfinden, was da faul ist. «

      Bonfim griff nach zwei schmalen Aktenordnern, die auf seinem Schreibtisch lagen und reichte sie Teixeira. Er blickte bedeutungsvoll auf die dürftigen Pappdeckel.

      »Das hier dürfte dich interessieren. Nach dem Anruf deines Mitarbeiters hier habe ich unser Archiv durchforstet. Hier gibt es nahezu alle paar Monate einen oder mehrere Todesfälle in Zusammenhang mit Spinnen- oder Schlangenbissen. Üblicherweise wird in jedem Fall eine kurze Untersuchung durchgeführt und eine Akte angelegt. Zum Glück mussten wir letztes Jahr auf Geheiß des Polizeipräfekten alle alten Akten einscannen und elektronisch archivieren, sonst wäre ich bei der Recherche niemals hierauf gestoßen. Schau dir die Einträge unter "letzter Arbeitgeber" an, bitte. «

      Teixeira griff nach den Aktendeckeln und blätterte etwas irritiert in den wenigen Seiten. Dann hatte er es gefunden. Wortlos reichte er die Akten an Vanderlei weiter. Der machte große Augen. »Alves, Leonardo Mateus. Silva, Lucimar. Millers. Die haben beide bei Millers gearbeitet. Und beide sind laut Autopsie Bericht 1998 durch Spinnengift gestorben. «

      Teixeira sagte: »Bonfim. Es wäre sehr freundlich, wenn du uns zu Indústria Millers begleitest. Du kennst noch den Weg? «

      Sie fuhren in Bonfims nagelneuem Dienstwagen die knapp zwei Kilometer zum Hafen. Teixeira schaute interessiert in die Gassen. Manaus war so völlig anders als São Paulo. Sicher, es war auch eine Millionenstadt, aber es gab deutlich weniger Hochhäuser und alles war grüner. Linker