K. Ingo Schuch

Armadeira


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den Indios verwickelt. Die lokale Polizei war personell völlig mit der Situation überfordert, daher hat die Provinzverwaltung das Militär angefordert. Ich habe das Bild an den Kommandanten gemailt und ihn um Unterstützung gebeten. Vielleicht haben sie noch die alten Akten und können herausfinden, wer der Mann auf dem Foto ist. «

      Der Kommissar rückte näher, drückte die Kippe in einer herumliegenden Pappschachtel aus und besah sich den Abzug. Die Vergrößerung war gestochen scharf. Man konnte die Bartstoppeln im Gesicht von do Nascimento zählen.

      »Was war denn damals das Problem der Indios? Holzindustrie oder Goldsucher? Welches Volk lebt dort? «

      Vanderlei tippte etwas in den Computer, der eigentlich Teixeira gehörte. Man musste sparen, also hatte Vanderlei keinen eigenen PC bekommen. »Hauptsächlich noch Kayapó, Ticuna und ein paar versprengte Zo’é. Vor dreißig Jahren war es vor allem die Holzindustrie, die den Eingeborenen den Lebensraum wegnahm. Es gab einige heftige Scharmützel, bis die Indios mithilfe der Armee schließlich verdrängt wurden. Heute leben die meisten von ihnen in Reservaten. « Er legte den Ausdruck zur Seite. »Übrigens konnten unsere Kollegen in Bertioga noch mal mit dem Hausverwalter sprechen. «

      »Mit wem? «

      »Dem Hausverwalter aus Juquehy. Er sagt, Tavares sei eindeutig ohne Begleitung bei ihm gewesen, als er die Schlüssel abgeholt hat. «

      »Irgendwas ist da mit Tavares und do Nascimento. Strapaziere bitte noch mal deinen Computer. Mich interessiert insbesondere diese Holzfirma, Millers. «

      »Puta! Wer hat denn schon wieder die Fernbedienung versteckt? Das kann doch nicht sein. Einmal in der Woche will ich mir die Nachrichten ansehen und dann ist diese scheiß Fernbedienung weg! «

      Teixeira stapfte ungehalten durch das Fernsehzimmer und hob auf der Suche nach dem technischen Utensil Kissen, Zeitschriften und Magazine hoch. Der Schäferhund sah Schwanz wedelnd zu und fand das neue Spiel interessant. Silvana steckte kurz den Kopf ins Zimmer und deutete zum Fernsehgerät. »Ernesto. Sie liegt auf dem Fernseher. Wie immer.«

      Brummelnd schnappte er nach dem Gerät und zappte sich genervt durch die Programme, bis er endlich GLOBO TV gefunden hatte, das natürlich auf dem ersten Sendeplatz programmiert war.

      Der dicke Nachrichtensprecher gab mit seiner Maschinengewehrstimme die Fakten zu den alltäglichen Verbrechen durch. In Morumbi hatten ein paar Typen einen Juwelier überfallen und Schmuck im Wert von einigen Hunderttausend Reals erbeutet, Leider waren sie im Stau stecken geblieben und konnten auf der Marginal hochgenommen werden.

      Teixeira stopfte sich Paranüsse in den Mund und spülte sie mit einem eiskalten Brahma hinunter. Hatte der Geral ihm vorhin auf dem Flur bereits zugerufen. Die Typen waren echt zu blöd.

      Der Teaser versprach ein weiteres Highlight nach einer kurzen Werbeunterbrechung. Teixeira ging hinüber zum Kühlschrank und nahm sich eine weitere Dose Bier. Nach den üblichen endlosen Spots für Automarken, Biersorten, Fitnessgeräte und Eigentumswohnungen ging es weiter.

      Bahia. Ein dreiunddreißig-jähriger Drogenermittler und Koordinator von Spezialeinsätzen war mit seiner Frau in Camaçari im Bundesstaat Bahia im Auto unterwegs, als er einem Journalisten eines Lokalsenders per Handy ein Interview gab. Man sprach unter anderem über die Sicherheit in der Stadt, als plötzlich Schüsse und die verzweifelten Rufe der Ehefrau zu hören waren.

      Wie sich später herausstellte, wurde der Polizist in seinem Ford von drei Kugeln getroffen. Die Frau blieb bei dem Attentat unverletzt. Die schockierten Radiomoderatoren baten noch in der laufenden Sendung um Hilfe. Ein Mitschnitt des Interviews war kurze Zeit später bei YouTube abrufbar. Die Polizei nahm kurz nach dem Überfall drei Tatverdächtige fest. Einer von ihnen sollte der Polizei bekannt sein und die Tat bereits gestanden haben, berichtete GLOBO TV.

      Fußball. Ganso war zu spät zum Training erschienen und der Vereinspräsident hatte sich gegen eine Strafe ausgesprochen, weil...

      Teixeira griff zur Fernbedienung und schaltete das Gerät aus. Nachdenklich kraulte er dem Schäferhund den Kopf. Er wusste nicht, was er mehr verabscheute. Die Schweine, die den armen Bullen hingerichtet hatten oder die Arschlöcher, die die Bluttat postwendend ins Internet gestellt hatten. Neue Zeiten. Jeder war immer und überall dabei. Live-Bericht von der Bluttat. Fehlte nur noch, dass die Täter freundlich in die Kamera winkten.

      Er trank das Bier aus und trat hinaus auf die Terrasse. Die Welt war wirklich sehr krank.

      Am nächsten Morgen überraschte Vanderlei den Kommissar mit ersten Ergebnissen: »Chefe! Es gab vor zwei Jahren in Manaus einen Toten. Ein gewisser Leandro Aranjo. Und jetzt kommt es. Wissen Sie, wo dieser Aranjo beschäftigt war? Bei Indústria Millers. «

      Teixeira blickte seinen Ermittler unter seiner Brille hindurch an, als zweifele er an dessen geistiger Gesundheit. »Olha só! Haben die in ihren Arbeitsverträgen eine Klausel, dass sie unsterblich sein müssen? «

      »Chefe. Natürlich ist nicht die Nachricht, dass der Mann gestorben ist, sondern wie. Dieser Aranjo hat in der Sicherheitsabteilung von Millers gearbeitet. Millers und etliche andere Holzfirmen in Pará sind vor zwei Jahren während der Operation Arco de Fogo auf den Kopf gestellt wurden. Die Inspektoren der Umweltbehörde haben keinen Hinweis darauf gefunden, dass Millers irgendetwas mit illegaler Ausfuhr von Tropenholz zu tun hat. Die sind sozusagen Vorreiter der neuen Ökowelle und pflanzen im ganz großen Stil nachwachsende Hölzer an. Ich denke nicht, dass es da was zu holen gibt. Aber über den Zwischenfall mit dem Mitarbeiter der Sicherheitsabteilung gibt es eine Polizeiakte. «

      »Kannst du das für mich zusammenfassen? «

      »Então. Arco de Fogo war ja eine gemeinsame Operation der IBAMA mit der örtlichen Polizei und dem Militär. In dem Bericht von einem Kommissar Bonfim steht, dass es bei der Durchsuchung der Verwaltungsgebäude von Millers in Manaus ein Handgemenge mit den Sicherheitsleuten gab und sich dabei ein Schuss gelöst hat. Aranjo war sofort tot. Die Kugel war vom Kaliber .380 ACP, wie es die Streitkräfte verwenden, also richtete sich die Untersuchung zunächst gegen die beteiligten Militärs. «

      Er überflog den Text und fuhr fort: »Es wird Sie nicht überraschen, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ob der Schuss von einem der an der Aktion beteiligten Militärpolizisten ausgelöst wurde. Der Fall wurde zu den Akten gelegt. «

      »Vanderlei, ruf diesen Bonfim in Manaus an. Vielleicht kann er uns was zu Millers sagen. Der Geral will, dass wir schnellstmöglich herausfinden, wer Tavares umgebracht hat und diese ganze Holzmafia da oben stinkt mir sowieso. Jetzt sind sie alle die großen Ökos, weil sie scheinbar keine illegale Abholzung mehr betreiben. Dafür wird jetzt legal gerodet, um Anbaufläche für Biosprit zu schaffen. Wenn du mich fragst, ist das ganze System krank und korrupt. «

      Die Überraschung war gelungen. In der Firma hatten sie ihm ein Ständchen gesungen und die ganze Abteilung hatte für ein Paar Fußballschuhe zusammengelegt. Das Geschenk war eine nette Geste und er war sogar ein wenig verlegen gewesen, als die flotte Gabriela aus der Marketingabteilung ihm vor der ganzen Abteilung das Paket überreichte und ihm einen – wie er fand – ziemlich viel versprechenden Kuss auf die Wange gedrückt hatte. Sie hatten es tatsächlich geschafft, früher Schluss zu machen und er war mit seinem Chef rechtzeitig ins Restaurant gekommen. Die picanha war diesmal ausgezeichnet. Sein Chef schwor seit einiger Zeit auf alcatra, aber beim churrasco hatte schließlich jeder seinen eigenen Geschmack.

      Sie sprachen über das Geschäft. Matheus machte sich Hoffnungen, zum Leiter der Abteilung für Personenschutz ernannt zu werden. Er war zwar noch fit, aber mit Anfang Fünfzig wurde es langsam Zeit, den aktiven Dienst zu quittieren und sich um die Personaleinsatzplanung zu kümmern. Er wertete die Einladung seines Chefs als gutes Zeichen, wenn dieser auch heute Abend nur vage Andeutungen gemacht hatte.

      Der Parkplatzwächter brachte den Schlüssel des Toyota. Über die Bandeirantes fuhren sie nach Jabaquara. Sein Chef wartete vor dem Apartmenthaus, bis er am Pförtner vorbei war, dann fuhr er nach Hause zu seiner glücklichen Familie.

      Er