Gabriela Beyeler

Grüwig das Buch


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uns Irene mit ihrem Auto ab und als sie an einer Tankstelle hielt, hörte ich auf einmal die Stimmen weit weg und ich schlief narkoseartig ein. Ein zweites Mal im Ausland und gleich in Kanada! Ich überlege gerade, wie ich auf das „zweite Mal“ komme. Ach ja, Emma nahm Sascha und mich mit nach Italien. Wir besuchten Verwandte in der Nähe von Mailand. Abends kurvten wir mit dem Bicilètta umher. Doch nun zurück nach Kanada. Das Haus von Irene und Willi sah aus wie die Häuser in den kanadischen und amerikanischen Filmen. Ein Holzhaus mit einer grossen Veranda. Ich bemerkte schnell, dass die Wände sehr-sehr dünn waren und darum auch ringhörig. Irene trug ihr zweites Kind unter ihrem Herzen. Ich kriegte nach etwa drei Tagen Aufenthalt, zum zweiten Mal in meinem Leben meine Tage und so kaufte ich mir dort in einem Shop Slipeinlagen. Das reichte für mich noch absolut aus. Als die beiden Frauen erfuhren, warum ich die Dinger kaufte, machten sie sich lustig darüber und meinten, ich sei unwissend und ich hätte doch richtigen Binden kaufen sollen. Solch Besserwissertuerei machte mich wütend. Wir badeten im Meer an verschiedenen Stränden. Mir wurde angeboten Wasserski zu fahren, doch ich war zu scheu, sodass ich ablehnte. Meine Mutter rief plötzlich laut: „Gabi, Sascha, schaut dort, der ist nicht ganz richtig im Kopf“ und zeigte mit dem Finger auf einen Jungen. Irene war entsetzt über das Verhalten ihrer Schwester und rief ihr zu, dass die Eltern, die in der Nähe standen, auch Schweizer seien und das sehr wohl mitbekommen haben. Meine Mutter schämte sich und verschwand urplötzlich. Nach einer Stunde fragte mich Irene, wo Ester sei und so ging ich sie suchen. Ich fand sie im Wald. Sie schwamm ein Stück dem Ufer entlang und versteckte sich in einem Wäldchen auf einem Hügel. Sie fragte, ob ich ihr Zigaretten besorgen könnte. Ich lief zu Irene und berichtete, wo sie sich versteckte. Irene fand ihr Verhalten kindisch und sorgte dafür, dass sie sich wieder zu uns gesellte.

      Am Abend spazierten Sascha und ich hinter Irene`s Wohnhaus in den Wald hinein. Das war aufregend, denn man musste damit rechnen, plötzlich einem Bären zu begegnen. Die eingeborenen Kinder hatten ihren Spass daran gefunden, uns mit den dortigen Schlangen zu erschrecken, die überall unter den Steinen hausten. Ich zeigte meine Angst nicht, doch Sascha konnte seine nicht verbergen und so hatten sie ihre Opfer gefunden. Die Ferien gingen schnell vorbei und bald waren wir wieder auf dem Heimflug. Einige Monate später, am 16. Dezember `81 starb Oma.

      Die Trennung der Eltern

      Monate danach, im Februar, als Opa im Spital lag, stritten sich meine Eltern an einem Nachmittag ganz fürchterlich. Meine Mutter schrie herum und verliess das Haus mitsamt Sascha. Ich stand im Kellerraum vor dem Bürozimmer meines Vaters und begann zu weinen und fragte ihn, warum sie mich nicht mitgenommen habe. Er antwortete, ich solle das meine Mutter fragen. Nun war ich das einzige weibliche Wesen in diesem Haus und von heute auf morgen sollte ich nun einkaufen, kochen, putzen und so weiter. Die Erwartungen die an mich gestellt wurden überforderten mich. Ich musste mit meinem Onkel Urs bei „Cash und Carry Angern“, für uns drei einkaufen. Dieses Einkaufscenter war für Restaurantbesitzer. Im Angebot kriegte man ausschliesslich alles kiloweise. Mit dem wenigen Geld das ich zur Verfügung hatte, wusste ich ganz und gar nicht was ich nun kaufen sollte. Ich glaube ich kaufte Katzenfutter und Teigwaren. Eines Sonntags, klingelte das Telefon und ich nahm ab. Unerwartet hörte ich die Stimme meiner Mutter, erschrocken legte ich gleich wieder auf! Ich erzählte es Philip, der im Wohnzimmer sass und er hob dann beim nächsten Klingeln ab. Er übermittelte mir, dass sie uns zum Essen einladen möchte und wir diskutierten heftig, ob wir nun das Angebot annehmen sollten oder nicht. Ich war immer noch sauer auf sie, weil sie mich einfach vergessen, zurückgelassen hatte. Philip argumentierte, dass etwas zu Essen nicht zu verachten sei und wir darum die Einladung annehmen sollten. Bei unserem Vater gab es sehr wenig zu Essen. An einem Abend brachte er stolz vier „Wienerli“ mit nach Hause. Und ein andermal brachte er von der Sonne „Gnagi“ mit. Wir freuten uns, doch als wir dann am Tisch sassen und das Aufgewärmte essen wollten, bemerkten wir, dass es nicht mehr geniessbar war. Ich war so hungrig und fragte, ob man denn wenigstens noch die Sosse mit etwas Brot essen dürfte, was wir dann auch taten. Aufgrund der Erfahrungen, einigten wir uns das Angebot von Mutter anzunehmen und gingen zu ihr. Sie wohnte jetzt in der Wohnung von Opa, die aber zurzeit unbewohnt war, weil er sich immer noch in Spitalpflege befand. Nach langer Zeit sah ich nun meine Mutter wieder und ich sah sie mit ganz anderen Augen. Sie schien so lieblich und ihre Stimme glich der eines Engels. Wir assen zusammen und ich versprach ihr, sie wieder zu besuchen. Das tat ich auch hin und wieder und so zwischendurch kam es auch vor, dass ich dort übernachtete. Ich schlief dann im ehemaligen Zimmer von Urgrossmutter.

      Teenie-Zeit

      Ich fuhr immer noch mit Claudia zur Schule. Auch die Freizeit verbrachten wir immer öfter zusammen. Wir lungerten in der alten Fabrik herum, in der ihr Vater sein Lager und Büro hatte. Ich war öfter bei ihr als sie bei mir zu Hause. Wir taten, was Mädchen in dem Alter so tun, quatschen und quatschen. Wir sassen auf einem Zaun in der Nähe ihres Hauses, während wir überlegten, wer denn von den Jungs zu mir passen würde. Sie ging damals mit Martin Fischer, der mir auch gefiel. Ich dachte, dass ich keine Chancen bei ihm hätte, denn er sah wirklich sehr gut aus! Ich hatte sehr wohl Chancen, doch ich war so naiv, dass ich es nicht bemerkte, wenn ein Junge Interesse an mir zeigte. Nein, diese Aussage stimmt so nicht, denn das Ilias Interesse zeigte und mit mir flirtete, bemerkte ich sehr wohl, doch diesen wollte ich auf keinen Fall! Er war mir zu klein und zu dick. Eines Tages verpasste ich nach der Schule das Postauto. Ich stand an der Haltestelle und wartete auf das Nächste. Plötzlich kam Martin auf seinem Mofa angefahren. Er fragte, ob er mich nach Hause fahren dürfe, was ich dankend ablehnte. Er liess nicht locker und so stieg ich bei ihm auf und hielt ihn schön fest. Wenn ich ehrlich bin, ja, dann habe ich diese Fahrt genossen und ich wünschte mir, dass sie doch nie enden würde. Kurz bevor wir am Ziel ankamen, bremste er absichtlich sehr heftig, dass ich ihn fester halten musste. Ich wollte meiner Freundin nicht ihren Freund ausspannen und weil ich eher scheu war, hielt ich mich zurück. Wochen später küsste er mich zärtlich und überraschend in unserem Hausgang. Sofort erzählte er es Claudia und die war dann sauer auf mich. Martin Fischer war also der erste Junge der mich geküsst hatte. Es war sinnlich und schön, aber da es verboten war, machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber. Nun zurück zu Claudia und mir, sitzend auf dem Zaun. Sie nannte einige Namen von Jungs und ich konnte es nur als schlechten Witz verstehen. Plötzlich fing sie an zu kichern und zu lachen und sie meinte, ich käme nie darauf, wen sie nun für mich ausgesucht hätte. Sie machte es sehr spannend, bis sie nun endlich den Namen aussprach. Voller Begeisterung sagte sie: „Der Güggel!“ Ich sagte zu ihr: “Du spinnst, nie im Leben würde ich den wollen und wenn es der letzte und einzige Mann auf Erden wäre!“ Ich hatte den Jungen noch nie gesehen, doch wer so einen Übernamen trägt, der musste einfach hässlich sein, oder?! Ich kann hier nur vorwegnehmen, man sollte mit seinen Aussagen immer vorsichtig sein, wie der Filmtitel von James Bond schon sagt: „Sag niemals nie“. Mit Claudia und ihrer Familie genoss ich die Sommerferien in einer Skihütte, ganz in der Nähe der Schwägalp. Sie lag ganz abgelegen und einmal am Tag liefen wir am Strassenrand in der glühenden Hitze zum Restaurant, wo sich auch die Bahnstation für die „Säntisbahn“ befand. In der Nähe unserer Bleibe entdeckten wir eine Herberge, in der sich gerade etwas ältere Jungs aufhielten. Doch irgendwie kamen wir denen nicht näher, alles war eingezäunt. In unserer Hütte gab es kein fliessend Wasser und darum mussten wir uns draussen, am Wiesenbrunnen die Zähne putzen. Im Bett lachten wir uns halb tot, weil auf der Tür für das Nebenzimmer stand: „Nur für Mitglieder“. Der Vater von Claudia berührte mich ungeziehmt, als ich in der Hängematte lag. Es war mir nicht wohl dabei und so wich ich ihm immer aus. Ich muss hier erwähnen, dass auch Susanne`s Vater vor Jahren auf die Idee kam, mich auszukitzeln, was dann irgendwie ausartete und ich mich auch von dort zurückzog.

      In der 9. Klasse erhielten wir eine Gruppenaufgabe. Wir mussten uns ein Lied aussuchen und einen Sketch dazu spielen, ohne Worte. Claudia, Martin, Ilias und ich, wir wollten zusammen mit dem Lied: „Du liebst mich nicht, ich lieb dich nicht“ üben. Damals war gerade die Deutsche Welle aktuell. Wir suchten nun einen geeigneten Raum um zu üben. Am naheliegendsten war es bei mir zu Hause. Das war noch vor Monaten, als ich noch bei Vater wohnte. Wir verabredeten uns auf den Mittwochnachmittag. Die Haustür war seltsamerweise geschlossen und weil ich meinen Schlüssel meinem Bruder Philip gab, weil er den seinigen verloren hatte, kamen wir nicht hinein. Ich ging zur Grossmutter Emma und fragte sie, ob ich den Hausersatzschlüssel