Gabriela Beyeler

Grüwig das Buch


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andere Sitten und wir krümmten uns vor Lachen. Hinten auf der Rückbank sass ich sehr bequem, konnte liegen, sitzen und ab und zu ein Schläfchen halten. Kaum waren wir losgefahren, ging es Dieter immer besser, was bewies, dass er nur an Reisefieber litt. Als wir durch Barcelona fuhren, sahen wir am Strassenrand einen verwahrlosten Vater, der sich und seinem Kind in einer Abfalltonne etwas zu Essen suchte. Ich kam mir so reich und mies vor, obwohl ich bestimmt nicht zu den Reichen gehörte, geschweige denn ein eigenes Portemonnaie besass. Unser Auto kam bei den Spaniern voll gut an. Sie hupten, riefen und winkten uns zu, was meinem Bruder wiederum sehr peinlich war. Je näher wir dem Ziel kamen, um so öfter fragte ich, wann es wohl wärmer werden würde? Im Bungalow angekommen, unterhalb von Torrevieja, hatten wir, das heisst vor allem die beiden Fahrer, etwas Schlaf nötig. Aber zuerst mussten wir den Schlüssel bei den Eltern von Dieter abholten, die schon eine Woche dort weilten. Wir wohnten in einem Reihenhäuschen, oben, direkt an der Klippe. Zum Einkaufen gingen wir auf den Markt. Ich kannte das nicht und sollte für uns drei Essen einkaufen. Erstens war ich keine geübte Köchin und zweitens kam mir der Markt dafür etwas suspekt vor. Ich kaufte einen grossen Sack voll grüner Peperoni. Mutter Fischer sah mich verständnislos an. Nun ja, wir assen dann einige Tage gefüllte Peperoni und Peperoni-Salat. Zufällig stiessen wir endlich auf ein Warenhaus. Es stand irgendwo ausserhalb, ganz allein in der Pampas, mit einem grossen Parkplatz. Weil wir keine Fremdsprachen beherrschten, gestaltete sich das Einkaufen schwierig. Man sah mich die dürftig beschrifteten und meist in Weiss verpackten Lebensmittel drücken und schütteln um zu erraten, was wohl der Inhalt sein könnte. Salz und Zucker zu unterscheiden war am schwierigsten.

      Leider war kein Badewetter. Schweizer Touristen erzählten uns, dass es sonst in dieser Jahreszeit viel wärmer sei. Nachdem sich Philip und die Eltern von Dieter von uns verabschiedeten, kauften wir im Städtchen zwei Tischtennisschläger mit Ball. Von dem nicht anwesenden Nachbar, lehnten wir drei Ziegelsteine aus, die er vor seine Haustüre stellte, damit der Wind den Sand nicht in seine Wohnung wehte. Wir besassen einen kleinen Küchentisch, den man beidseitig aufklappen konnte. Wir stellten die Steine in die Mitte, die als Netzersatz dienten und spielten auf diese Weise Tischtennis. Ich wurde schnell gut und gewann immer öfter. Das gefiel meinem Freund nicht und so kauften wir ein spanisches Monopoly. Wir konnten nur erraten, was auf den Spielkarten stand und es gab immer wieder Streit, ob man denn nun den Betrag bekam oder bezahlen musste. Das war eines der Spiele, in dem ich meistens verlor und so verging mir die Lust an diesem Spiel. Doch wegen der Langeweile, spielten wir halt trotzdem und weil Dieter ein schlechter Verlierer war, aber wenn er gewann, es bis zum Äussersten auskostete, kriegten wir uns in die Haare. Ich kratzte ihn vor Wut am Hals, wollte ins Bad flüchten, er sprang mir nach und dabei schlug ich mein Kopf an der Badezimmertür an. Natürlich kriegten wir uns auch wieder ein und lachten noch Jahre später darüber. Diese Ferien waren regelrecht ein Abenteuer.

      Irgendwann nach diesem Urlaub, holte mich Günter nach einer Schulwoche in Gossau vom Bahnhof ab. Ich staunte, weil er ein anderes Auto fuhr. Er erzählte mir, dass er in der Nacht zuvor seinen „Manta“ zu Schrott fuhr. Es war Herbst und er fuhr zu schnell von St.Peterzell in Richtung Schönengrund. Weil die Strassen Streckenweise eisig waren, kam das Auto ins Schleudern und es überschlug sich an einem Bord und landete auf dem Dach. Dieter war nicht angegurtet und hatte mehr Glück als Verstand. Beim hinauskriechen aus dem Wrack, schnitt er sich die Hand. Ich trauerte schon ein klein wenig um das Auto, nicht weil ich es schön fand, sondern weil es so gut roch. Dem „Manta“ folgte ein schwarzer VW Golf GTI. In diesem Auto fuhren wir häufig ins Tessin. Der Golf fing an zu streiken, immer dann, wenn der Motor zu heiss wurde.

      Auszug von zu Hause

      Ich war nun im vierten Lehrjahr und Dieter fragte mich, ob ich mit ihm in eine eigene Wohnung ziehen möchte. Es war nicht das erste Mal, dass er mich das fragte. Damals, vor einem halben Jahr, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, einen eigenen Haushalt zu führen. Putzen, Wäsche waschen und kochen. Doch nun wurde es auch mir zu Hause zu eng und so willigte ich ein. Allein ging er auf Wohnungssuche und fand für sich eine passende in St.Gallen Winkeln. Meine Mutter war sauer auf mich. Sie schmollte wie immer in solch Situationen und sagte schnippisch und sichtlich beleidigt: „Ist gut so, dann habe ich weniger Arbeit und mehr Platz“. In den ersten Wochen standen kaum Möbel in unserer Wohnung. Wir assen an meinem Schreibpult, sitzend auf Gartenstühlen. Wir besassen kein Sofa, kein Bett, dafür eine grosse, neu gekaufte Matratze. Auch der Kleiderkasten fehlte. Kaum eingezogen, blieb meine Regel aus und ich besorgte mir sorgenvoll einen B-Test. Der Test viel positiv aus. Wie ich mich fühlte? Ich weiss es nicht mehr! Ich kann mich kaum noch daran erinnern. Bevor ich es wusste war mir schlecht und ich musste mich übergeben. Ich nahm an es sei eine Grippe. Mich befiel im Herbst und Frühling oft eine solche, kaum vernahm ich, dass eine Grippewelle im Anmarsch war, hatte ich sie schon, furchtbar! Nach dem Test spürte ich ein Gefühl von Ungewissheit und das ich mit einer andere Welt in Berührung kam, zumindest hatte ich den einen Fuss schon in der Tür. An eine Abtreibung dachte ich nicht. In der Firma reagierten alle verständlicherweise etwas verwundert. Evi fragte mich, ob ich dazu stehe und das Kind möchte. Für mich war das gar keine Frage, natürlich stand ich dazu. Meine Sorge galt eher der Lehre und wie ich das bewerkstelligen konnte. Ich wollte die Lehre beenden, doch dann wurde mir klar, dass ich mit einem dicken Bauch zur Schule müsste. Die Abschlussprüfungen kreuzten sich mit dem Geburtstermin des Kindes. Der Gedanke gefiel mir nicht und so hörte ich offiziell auf, bevor man meinen Bauch bemerkte und das war im sechsten Monat. Mein Lehrmeister verlangte von mir, dass ich mich in Solothurn selbst beim Rektor meldete und ihm meinen Zustand zuerst mündlich mitteilen musste. Heiraten war nun auch ein Thema. Meine Mutter versicherte mir, dass ich deswegen nicht heiraten müsse, das sie und ich „das Kind schon schaukeln würden“. Warum hatte ich das Gefühl, dass alle gegen eine Heirat waren? Dabei fällt mir wieder ein, dass mich Christina, mit der wir einmal das Ferienhaus im Tessin teilten, mich mit Besorgnis darauf ansprach. Sie meinte, ich wolle doch sicher erst noch mehr Erfahrungen sammeln, weil ich doch schon lange mit Dieter zusammen war. Ich konnte ihre Beweggründe und Anspielungen nicht verstehen und tat es als Unsinn ab, ganz nach dem Motto: „Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss.“ Ich kannte Dieter nun schon seit fast vier Jahren und war der Ansicht, dass ich kein Risiko einging, wenn ich diesen Mann heiratete. Natürlich hatte ich Angst und stellte mir vor, dass wenn wir verheiratet sind, er sich zum negativen verändern könnte oder würde.

      Heirat

      Wir setzten unseren Heiratstermin auf den 18.9.1986 fest. Unsere Trauzeugen würden Dieter`s Schwester Silvia und Claudio Kurz sein. Wir planten keine weisse Hochzeit und auch keine grosse Feier. Ich und auch Dieter fanden es angenehmer die Feier in einem unauffälligen, kleinen Rahmen zu gestalten. Grosses Tamtam und im Mittelpunkt stehen, war mir ein Gräuel. Ein jedes Kind bekam von Fischer`s zur Hochzeit, 5000 Franken geschenkt. Und weil wir das Geld lieber in unsere Wohnung investierten, als in eine Feier, fiel uns unsere Entscheidung noch einfacher. Wir gönnten uns dafür Flitterwochen in Südspanien, in Fischer`s Bungalow. Ein Kleid für das Standesamt zu finden gestaltete sich relativ einfach zu der Zeit, weil die Mode geeignet war um ein kleines Bäuchlein zu verdecken. Ich war in Blau-Weiss gekleidet und Dieter ganz in Weiss. Nach dem Standesamt luden wir unsere Eltern und unseren Trauzeugen ins Restaurant „Gübsensee“, zu einem feinen Essen ein. Mein Vater war nicht dabei, weil ich ihn weder informiert noch eingeladen hatte. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Ich war so was von enttäuscht von ihm. Er war für mich kein Vater. Er fügte mir und meiner Mutter Leid zu. Damals, als er sein Bein gebrochen hatte und mit Stöcken durch die Gegend humpelte, hörte ich spätabends, wie er unsere jungen Kätzchen mit seinen Stöcken erschlug und sie in den brennenden Heizkessel warf. Das und manch anderes war zu viel für mich. Wir hatten keinerlei Beziehung zueinander. Heute weiss ich, dass das nicht allein seine Schuld war, doch damals sah ich das noch anders. Wir genossen am Gübsensee ein feines Essen in steifer Atmosphäre. Fischer`s luden uns alle zu sich nach Hause ein. Dort tranken wir Kaffee und Wein. Am Abend besuchten wir ein Dancing mit unseren wenigen Kollegen. Als wir genug hatten und das Dancing verliessen, holte Dieter mit Sara zusammen sein... entschuldige, unser Auto. Plötzlich umarmte mich Hansjörg von hinten und wollte mich küssen. Silvia war entsetzt und schrie ihn an, was ihm eigentlich einfalle!. Am nächsten Morgen schockten uns die Fotos, die Vater Fischer am Hochzeitstag von uns schoss. Fast allesamt waren verschwommen. Also stiegen