Alexander Reiter

Das Schöpfer-Gen


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bestimmte Art von Steinarbeit spezialisiert sind. Ganz so einfach ist das aber nicht. Die betreffenden Händler in Südamerika sind … zögerlich. Mit anderen Worten, es geht ums Geld.“

      Harper unterbrach ihn. „Blake, wir brauchen alles, was von Callahan angefordert wurde. Geld spielt in diesem Fall keine Rolle.“

      „Äh … ja, Sir.“ Blake wirkte verunsichert, fuhr aber fort: „Wie General Mason gerade gesagt hat, alle technischen Geräte werden gerade vorbereitet und ausgeflogen. Was wir nicht selbst bewerkstelligen können, koordinieren unsere Wirtschaftspartner für uns. Wir haben uns auch wie gewünscht um die Architekten gekümmert. Es gibt zwei Kandidaten.“ Blake blickte auf den Zettel, den er in der Hand hielt. „Einen Herr Tadao Koma mit außergewöhnlichen Qualifikationen und dann noch Jacques Graf aus der Schweiz, der mir auch von fast allen namhaften Architekturbüros empfohlen wurde.“

      „Und welchen halten Sie für geeigneter?“

      Blake wurde rot und wischte sich über die Stirn. „Äh … ich weiß nicht, Sir, Architektur ist nicht mein Fachgebiet“, stotterte er, „aber ich denke, beide sind auf ihre Weise brillant.“

      „Dann holen Sie beide nach Bolivien!“, forderte der Premierminister.

      „Sehr wohl, Sir.“ Ein sichtlich erleichterter Blake putzte sich die Brille und zog sich dann in eine Ecke des Raums zurück, wo er sich hastig Notizen machte.

      Eine junge Frau betrat den Raum, winkte Harper zu und deutete mit Daumen und Zeigefinger ein Telefongespräch an.

      Harper nickte. Mit den Worten, „General, ich wünsche Ihnen einen guten Flug. Ihnen allen vielen Dank. Machen Sie weiter so, die Zeit drängt“, beendete er die Versammlung.

      Der Lärmpegel stieg sofort wieder an. Harper betrat hinter der jungen Dame das Sekretariat neben seinem Büro und nickte der Assistentin zu. „Danke, Stella.“

      Leitung zwei blinkte. Er ließ sich in den Sessel hinter dem Schreibtisch fallen und nahm den Hörer ab. „Tessa, alles okay bei dir?“

      „Das fragst du mich allen Ernstes, Matthew? Ja, uns und den Kindern geht es gut. Wie ist die Lage bei dir? Wie schaffst du das alles, Matthew?“

      Harper stützte den Kopf in die Hände. „Soll ich ehrlich sein, Darling? Ich weiß nicht, ob wir das schaffen. Ob ich das schaffe.“ Seine Stimme klang gepresst.

      „Wenn es jemandem gelingt, die Welt in einer solchen Krise zu einen, dann dir! Und du weißt, wir sind in Gedanken immer bei dir!“

      Die Worte seiner Frau taten ihm gut. „Tu mir einen Gefallen, Darling, fahrt raus zu deinen Eltern, dort seid ihr sicherer als in London. Die Armee ist zwar im Einsatz, aber es kommt immer noch zu Plünderungen und Panikausbrüchen.“

      Er konnte das Lächeln seiner Frau förmlich sehen. „Ich habe vorhin schon mit meiner Mutter gesprochen, Matthew. Sie erwarten uns bereits. Und du, Liebling, bleib stark. Du schaffst das, hörst du?“

      „Ich liebe dich, Tessa.“

      „Always.“ Das sagte sie immer, und auch in diesem Moment traf sie damit sein Herz. Er lächelte, selbst wenn Tessa es nicht sehen konnte. Dann legte er auf und dachte inbrünstig, Gott, gib mir Kraft, jetzt mehr denn je.

      Über dem Nordatlantischen Ozean/18.45 Uhr (GMT)

      „Wenn Sie bitte alle Platz nehmen würden“, bat Prof. Callahan uns, die wir uns in dem kleinen Meeting-Room eingefunden hatten und zeigte auf die zwei Reihen Stühle vor ihm. Der Raum wirkte hochfunktional und verfügte über allerlei technischen Schnickschnack. Paul und ich ließen uns auf zwei Stühle in der Mitte fallen und sahen Callahan erwartungsvoll an. Doch der wartete, bis alle sich gesetzt hatten, dann zeigte er auf einen Mann, der an der Tür stehengeblieben war. „Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen noch Mr Bradley Biggs vorstellen, der ab jetzt unser Team bereichern wird. Mr Biggs wird sich ausschließlich um unsere Sicherheit kümmern. Seinen Anweisungen ist im Ernstfall sofort Folge zu leisten.“

      Ich drehte mich neugierig um und fragte mich, in welcher Beziehung Paul wohl zu diesem bulligen Soldaten stand. Aber er wirkte auf mich wie ein netter Kerl mit seinem freundlichen Lächeln, dem Dreitagebart und seiner offenen Art.

      Biggs nickte uns zu. „Ich freue mich sehr, Ihnen für diese Mission zur Seite stehen zu dürfen“, begann er. „ Mein Name ist Lieutenant Bradley Biggs vom 22 Special Air Service Regiment Hereford. Ich werde in den nächsten Stunden mit Ihnen einzeln die Notfallprotokolle durchgehen, aber ich möchte Sie nun nicht länger aufhalten, Professor.“ Er setzte sich neben Paul und zwinkerte diesem zu. Der gab ein schmales Lächeln zurück.

      „Nachdem wir nun alle miteinander bekannt sind“, begann Callahan, „darf ich Ihnen jetzt den Grund unserer Reise verraten. Wie Sie bereits wissen, ist unser Reiseziel Bolivien. Ich bin kein Mann vieler Worte, weswegen ich auch Archäologe geworden bin, und glauben Sie mir, hätte es sich vermeiden lassen, wären wir bei Gott nicht hier.“

      Leises Lachen war zu hören.

      „Das, was in Covent Garden passiert ist, war kein zufälliges Ereignis. Aus den Unterlagen, die mir Karen zur Verfügung gestellt hat, geht hervor, dass Sie während Ihres Meetings in der Downing Street bereits einige sehr beachtliche Theorien aufgestellt haben. Nun ist es an mir, Ihnen die Informationen zukommen zu lassen, die Sie noch nicht haben. Ich bin in meiner Karriere an sehr vielen Ausgrabungen beteiligt gewesen und habe viel gesehen, doch die eigentlichen Wunder begannen erst, als ich in den engeren Kreis der archäologischen Gesellschaft aufgenommen wurde, deren Vorsitz ich inzwischen innehabe.“ Er stützte die Hände aufs Pult. „Seit Jahrhunderten werden auf der Welt Artefakte ausgegraben, die noch nicht für die Menschheit bestimmt sind. Unsere Aufgabe besteht unter anderem darin, diese Fundstücke zu bergen und sicher vor der Öffentlichkeit zu verwahren. Wir nennen diese Fundstücke Out-of-place-artifacts. Nach dem gerade Erlebten gibt es allerdings keinen Grund mehr zur Geheimhaltung.“ Mit einem leichten Lächeln blickte er zu Ben Wright hinüber, der seinen Ausführungen mit gerunzelter Stirn folgte. „Ich habe kein schlechtes Gewissen dabei gehabt, falls Sie das gerade denken sollten, Mr Wright. Sie waren übrigens die ganze Zeit auf der richtigen Fährte, nur fehlten Ihnen wichtige Puzzleteile.“

      Der hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. „Worauf wollen Sie hinaus, Professor?“

      „Was wissen Sie über das Buch Henoch, Mr Wright?“, fragte dieser statt einer Antwort.

      „Nun“, antwortete Wright, „das Buch Henoch gehört zu den Pseudepigraphen des Alten Testaments, soviel ich weiß. Es enthält allerlei Texte über die Apokalypse.“

      „Sehr richtig, Mr Wright, Respekt! Große Teile des Henochbuches wurden 1947 in Qumran gefunden. Sie ist die älteste uns bekannte apokryphe Schrift und stammt aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Man geht sogar davon aus, dass sie zu Teilen noch älter sein könnte. Ich bin mir da sogar sehr sicher. Das vollständige Buch Henoch ist uns nur auf Altäthiopisch komplett überliefert. Aber jetzt kommt das, was Sie nicht wissen: Einige Rollen sind nie veröffentlicht worden. Sie wurden damals als so brisant für die Religions- und Weltgemeinschaft eingestuft, dass sie sichergestellt wurden. Alle anderen Rollen sind in Jerusalem im Museum Schrein des Buches in der Nähe des Parlaments.“

      „Wie bitte?“ Wright sprang auf. „Das ist ja ungeheuerlich!“

      Callahan hob die Hände in einer beruhigenden Geste. „Moment. Bitte lassen Sie mich erklären. Als die Rollen gefunden wurden, war die Verblüffung in der Welt groß. Doch vom Fund im Jahre 1947 bis zur systematischen Bergung verging einige Zeit. Noch bevor 1956 der jordanische König den Bibelwissenschaftler Roland de Vaux mit der Leitung beauftragte, waren bereits Archäologen am Werk gewesen und hatten die brisantesten Tonkrüge und ihren Inhalt außer Landes geschafft. Ich persönlich bekam die Rollen das erste Mal in den späten Neunzigern zu Gesicht.“

      Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her. Offen gesagt, verstand ich nicht mal die Hälfte der Ausführungen, und was das alles mit