Alexander Reiter

Das Schöpfer-Gen


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mit ohrenbetäubendem Dröhnen eine Fliegerstaffel in die Luft und raste nach Westen.

      „Typhon Jets“, schrie Paul gegen den Lärm an und schickte ihnen einen Salut hinterher.

      Im letzten Licht des Tages bestiegen wir unsere Maschine. „Eine Hawker Siddeley Trident, nicht schlecht“, murmelte Paul beeindruckt. „Normalerweise passen da knapp hundert Passagiere rein.“ Mir sagte der Name nichts, aber ich sah mich drinnen neugierig um. Das Flugzeug war innen umgebaut worden und bot mehr als genug Platz für unser Team, es gab kleine Sitzinseln, und weiter Richtung Heck entdeckte ich sogar einen kleinen Meeting Room für bis zu acht Personen. Zu meiner Überraschung lag für mich und Paul neue Kleidung auf zwei Sesseln bereit. Eine komplette Outdoor-Garderobe, wie es schien: Hosen und Hemden, leichte Westen sowie eine gut gefütterte Jacke mit allem Drum und Dran und ein Paar gefütterte Stiefel. Alles in einem leichten Hellbraun gehalten und wohl aus Militärbeständen entliehen.

      Karen Stanley winkte uns zu einer der Sitzgruppen, und ich ließ mich in einen Sitz fallen. Auf den Ablagen vor uns befanden sich je ein Laptop mit Regierungsinsignien sowie eine Dokumentenmappe. Ben Wright, Professor Woods und Callahan verstauten Gepäck in den vorgesehenen Fächern. Paul blieb im Gang stehen und sah zu, wie weitere Leute an Bord kamen und von einer Stewardess nach hinten gewunken wurden. Ein stämmiger Kerl mittleren Alters, der einen Militärrucksack über der Schulter trug, steuerte direkt auf meinen Freund zu. „Paul, du alte Wildsau, aus welchem Loch haben die dich denn rausgezogen? Mann, ist das schön, dich zu sehen! Who dares wins, brother.“

      Paul klopfte ihm auf die Schulter. „So ist es Brad, so ist es. Du hast dich kaum verändert, siehst immer noch so scheiße aus wie früher. Haben sie dich ausgesucht, für uns den Wachhund zu spielen?“

      „Oh, yeah. Aber warum bist du hier? Die brauchen ja wohl kaum zwei von uns.“

      Paul grinste. „Ich bin als Zivilist hier, Brad. Ob du es glaubst oder nicht, der Typ, um den es hier geht, ist mein bester Kumpel.“

      „Als Zivilist? Du? Da lachen ja die Hühner. Na, sie hätten dich eh angerufen, nicht wahr?“

      Meine Augen wurden immer größer. Was hatte Paul mir alles verschwiegen? Wer war er?

      „Gibt ’s hier Drinks?“, fragte Biggs niemand bestimmten.

      Paul lachte. „Ich schenk dir gleich was ein. Aber zuerst will ich dir meinen Freund David Cole vorstellen.“

      Der Hüne warf seinen Rucksack in eines der oberen Gepäckfächer, dann streckte er mir mit einem breiten Grinsen seine Hand entgegen: „Hi, Bradley Biggs, freut mich sehr!“

      Eine Flugbegleiterin hatte unseren Wortwechsel wohl gehört. Sie verschwand im Heck, tauchte gleich darauf mit einem Tablett, auf dem eine Flasche und mehrere Gläser standen, wieder auf. „Bitte sehr, die Herren. Madam, was darf ich Ihnen bringen?“

      „Ein Wasser, bitte.“ Karen Stanley sah erschöpft aus.

      Wir prosteten uns zu. „Sonst noch jemand?“, fragte Paul, der sofort wieder in die Barkeeper-Rolle verfiel, doch die Wissenschaftler winkten ab.

      „Was Callahan wohl in Bolivien finden will? Wissen Sie was Genaueres, Mr Biggs?“, fragte ich.

      Biggs setzte sein Glas ab und erwiderte: „Man hat mir nicht gesagt, um was es geht, aber in ganz England heben gerade Maschinen ab. Viele unserer Jungs sind schon unterwegs. Bolivien scheint gerade der Place-to-be geworden zu sein, wie mir scheint.“ Er kratzte sich am Kinn: „Kannst du dich noch an Tucker erinnern, Paul?“

      „Klar, der Kleine hat mich fast meine letzten Nerven gekostet. Was ist mit ihm?“

      „Er ist gerade im Irak stationiert, hat mir vor einer Stunde ’ne Message geschickt. Auch seine Einheit wird verlegt. Rate mal, wohin.“

      „Bolivien“, sagte Paul knapp.

      „Genau! Das wird was Größeres, wenn du mich fragst.“

      Unser Flugzeug bewegte sich nun in Richtung Startbahn, die Stewardess wies alle an, sich anzuschnallen, räumte die Gläser weg und ermahnte Callahan, das Tablet auszuschalten.

      „Cabin crew ready for take-off“, klang kurz darauf die blecherne Stimme des Piloten durch den Kabinenlautsprecher. Die Triebwerke dröhnten auf, die Maschine beschleunigte und ich umklammerte möglichst unauffällig die Armlehnen. Noch mehr als das Fliegen selbst hasste ich den Start und die Landung. Wenige Sekunden später ließen wir die Airbase unter uns. Es dauerte ein paar Minuten, bis wir unsere Reiseflughöhe erreicht hatten und das Zittern in mir nachließ, dann griff ich mir die neuen Klamotten und verschwand in einem der Toilettenräume. Kein Vergleich zu den winzigen Kammern, die ich von meinem letzten Urlaubsflug mit Claire nach Mallorca kannte. Das war ein Badezimmer de luxe, mit allem, was das Männerherz begehrte. Sogar einzeln eingeschweißte Rasierpinsel und Rasierschaum standen zur Verfügung. Und – ich traute meinen Augen nicht – eine Dusche, clever versteckt hinter einer Plexiglaswand. Unserem schönen Britannien konnte es nicht so schlecht gehen, wie die Politiker immer sagten. Oder andersherum: Jetzt wusste ich, wo meine Steuern landeten …

      Rasiert und neu eingekleidet, ging ich zurück zu meinem Platz, an dem Karen Stanley auf mich wartete.

      „Sie sehen gut aus, Mr Cole. Freut mich, dass die Sachen passen.“

      „Woher wussten Sie das?“ Ich zupfte am perfekt sitzenden Indiana-Jones-Outfit „Es fehlt allerdings die Peitsche.“

      „Ich habe drei Brüder, Indy.“ Ihr huschte ein Lächeln übers Gesicht.

      „Danke jedenfalls, das war sehr aufmerksam.“

      „Sie haben ja nicht einmal Zigaretten – da musste ich Ihnen und Mr Richards wenigstens angemessene Kleidung besorgen.“ Das Funkeln in ihren Augen verstärkte sich. „Und jetzt erwartet uns Mr Callahan im Meeting-Room. Wenn Sie mir folgen würden.”

       Downing Street Nr. 10, London/18.00 Uhr (GMT)

      Im Büro des Premierministers herrschte im wahrsten Sinne des Wortes Ausnahmezustand. Militärpersonal, Krisenstab-Mitarbeiter, der Generalsekretär und allerhand dienstbare Geister sprinteten geschäftig umher, während der Premier an seinem Schreibtisch telefonierte.

      Als er aufgelegt hatte, stand er auf und stützte die Hände flach auf den Tisch. Es wurde schlagartig still. Alle Anwesenden starrten ihn an.

      „Meine Damen und Herren“, begann Harper. „Wir haben grünes Licht, Bolivien wird uns auf jede erdenkliche Art helfen. Mein Kollege, Präsident Moriente, trifft bereits Vorkehrungen für unsere Ankunft. General, wie sieht die Lage bei Ihnen aus?“

      Mason nickte ihm zu und drückte einem Sekretär noch schnell einige Papiere und ein Tablet in die Hand. „Wir haben nun alle Truppen auf den Straßen, Reservisten eingeschlossen, um für Ruhe zu sorgen, Sir. Unsere Einsatztruppen im Ausland werden auf ein Minimum reduziert. Einsatzgebiete sind ab sofort Bolivien – und natürlich hier. Die Versetzungsbefehle sind unterschrieben, und ich habe die Bestätigung erhalten, dass die Royal Air Force zusammen mit einigen Nato-Verbündeten die Truppenverlegung beginnt. In diesen Stunden machen sich alle verfügbaren Instandsetzungs- und Pioniereinheiten auf den Weg. Material verpackt und ausgeflogen.“ Mason räusperte sich. „Ich kann zudem bestätigen: Truppenteile aus den USA und Kanada stehen uns zur Verfügung und können jederzeit hinzugezogen werden, allerdings gibt es einige Bündnispartner, die keine Notwendigkeit sehen, uns zu unterstützen, wie Frankreich beispielsweise und die Italiener. Wenn Sie sich hier einschalten könnten, Sir, wäre ich Ihnen sehr verbunden.“

      Harper runzelte die Stirn. „Ich werde hier wohl unsere Freunde nochmal an Ihre Verpflichtungen erinnern müssen. General, stellen Sie bitte auch ein Notfallteam zusammen für den Fall der Fälle. Wenn alle Stricke reißen, müssen wir die königliche Familie in Sicherheit bringen können.“

      „Schon geschehen.“ Mason schlug andeutungsweise die Hacken zusammen.

      „Blake, wie sieht es bei Ihnen aus?“, wandte Harper sich jetzt an seinen Assistenten.