Elke Bulenda

Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen


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eines Mädchens mit einem Hunnenbart auf, welches schreiend einen Krummsäbel über dem Kopf schwang.

      »Hast du gehört? Klein Attila! Komm, lass uns abhauen!«, brummte Hackbart seinem Bruder zu. Doch zu spät. Samija hatte bereits Skryrmirs Hand gepackt und zog ihn mit sich.

      Vor der Jurte blieb Samija stehen, stellte sich auf die Zehenspitzen, und rührte mit einem Holzlöffel in einem hängenden Sack herum. Sie blickte zum großen Nordmann: »Los, du musst auch einmal den Airag umrühren, damit er gelingt! So will es der Brauch!«

      »Äh… Brauch?«, sagte Skryrmir rhetorisch bewandert, klemmte sich umständlich das Bouquet aus Trockenfisch unter den Arm, da Samija seine andere Hand nicht loslassen wollte, nahm ebenfalls den Holzlöffel und rührte den Airag um, was immer das auch sein mochte. Wahrscheinlich irgendetwas Milchiges vom Pferd, denn das Zeug sah ziemlich weiß aus und roch säuerlich vergoren. Nachdem er seinen Teil dazu beigetragen hatte, dass der Airag gelänge, reichte er den Rührer an seinen Bruder weiter.

      »Was, bei Odins Speer, ist das?«, zuckte Hackbart entsetzt zurück, nachdem er daran geschnüffelt hatte.

      »Airag!«, sagte Samija altklug.

      »Das weiß ich jetzt selbst, du Naseweis!«, blaffte er zurück. Ihm schwante, dass er von dieser sauren Milch nicht verschont bleiben würde.

      Skryrmir wollte noch eins wissen: »Sag mal, wie ist denn Klein Attila so?«

      »Du hast wohl keine Schwestern, wie?«, fragte sie.

      »Oh, doch. Natürlich!«

      »Dann weißt du ja, wie Schwestern sein können! Doof!«, knurrte sie und verdrehte die Augen. Die kleine Samija rief ihrem Vater etwas in ihrer seltsam klingenden Sprache zu.

      Daraufhin öffnete er die Tür der Jurte: »Schrei nicht so, Samija! Sonst verkaufe ich dich, bevor wir morgen Früh abreisen!« Jedoch lächelte er dabei. Zum Glück, sonst hätte Skryrmir ihm spontan einen guten Preis für sie geboten, bevor jemand anderes sie kaufte.

      »Ah, herzlich willkommen, Skryrmir. Herzlich willkommen, Hackbart. Tretet ein!«, winkte er sie zu sich.

      Die beiden Nordmänner zogen die Köpfe ein, traten in die Jurte und gerieten ins Staunen. Eigentlich dachten sie, die Nomaden wären zu bemitleiden, weil sie ihr ganzes Leben in Zelten fristen mussten. Als sie jedoch wahrnahmen, wie luxuriös das Interieur war, hoben sie die Füße und zogen freiwillig ihre Stiefel aus, damit der wunderbare Teppich nicht beschmutzt wurde. Sogar eine geschlossene Kochstelle gab es in dieser gut eingerichteten Bleibe. Nun, mit diesem Holzfußboden wäre es definitiv zu riskant, ein Kohlebecken zu benutzen.

      »Schön habt ihr es hier!«, äußerte sich Skryrmir spontan. »Oh, habe ich beinahe vergessen! Hier!«, überreicht er seinem Gastgeber das Stockfisch-Bouquet. Hackbart tat es ihm gleich.

      Temudschin schien schier begeistert, zumindest tat er so. »Vielen Dank! Wir kommen nicht oft in den Genuss, Fisch zu essen. In den Steppen der Mongolei gibt es leider zu wenig Wasser und wenn, dann direkt von oben. Bei starkem Wind, auch schon mal von der Seite.«

      »Hab ich dir doch gleich gesagt! Stockfisch ist ein sehr gutes Gastgeschenk!«, lobte Hackbart seinen Scharfsinn.

      »Das ist Ojuna, meine Frau«, stellte der Skythe sein Ehegesponst vor. Diese verbeugte sich höflich, murmelte etwas Unverständliches und reichte ihnen eine Schale mit… Airag.

      Als die kleine Samija das unterirdisch begeisterte Gesicht sah, welches Hackbart schnitt, lachte sie und zupfte an seiner Tunika. »Wenn du Airag nicht magst, musst du nur ein wenig nippen, das reicht schon. Nur nicht austrinken, sonst bekommst du die Schale wieder aufgefüllt.«

      »Auch wieder so ein Brauch, wie? Danke für diese Information!«, zwinkerte Hackbart der Kleinen dankbar zu. Er nippte am Airag und gab die Schale schleunigst weiter an Skryrmir, der mutig einen größeren Schluck nahm. »Hm, gut. Schmeckt so ähnlich wie unser Skyr, nur prickelnder, findest du nicht auch, Hackbart?«

      »Du weißt ganz genau, dass ich laufen gehe, sobald mir jemand Skyr andrehen will!«, brummte dieser beleidigt.

      Als Nächstes reichte Temudschin ihnen eine wesentlich größere Schüssel. Hackbart trank daraus und reichte sie an seinen Bruder weiter. Auch der trank einen großen Schluck. In einem waren sie sich einig. Es schmeckte besser als Airag. »Hm, gut.« »Schmeckt ein wenig nach Veilchen«, bemerkten beide.

      Samija, ihre Mutter und Temudschin wirkten äußerst amüsiert. Sie lachten ausgelassen und tuschelten in ihrer Sprache.

      »Haben wir irgendetwas verkehrt gemacht?«, fragten die Nordmänner unisono.

      »Nein, aber offensichtlich schmeckt euch das Waschwasser mit der Veilchenseife wesentlich besser, als unser selbstgemachter Airag«, lächelte der Nomade verschmitzt.

      »Oh!«, grinste Skryrmir schief. »Schmeckt trotzdem gut.«

      »Liegt vielleicht daran, dass da kein Pferd drin ist. Also ich könnte noch einen Schluck davon gebrauchen!«, nahm es Hackbart nicht ganz so ernst.

      »Gut, hier habt ihr noch etwas, aber ich würde vorschlagen, ihr wascht euch zuerst damit die Hände, bevor ihr es gänzlich austrinkt!«, reichte Temudschin ihnen die Schüssel zurück. Ojuna verbeugte sich währenddessen und gab ihnen Tücher, zum Abtrocknen ihrer Hände. Nachdem nun auch alle anderen saubere Hände vorweisen konnten, wurde aufgetischt. Die Nordmänner wurden angewiesen, es sich auf den Polstern mit den vielen Kissen und Fellen bequem zu machen. Jeder bekam einen großen Teller in die Hand gedrückt.

      Ojuna hatte die Speisen auf dem Ofen warm gehalten und verteilte zuerst großzügig Chorchog, gegartes Hammelfleisch. Dazu reichte sie jedem eine Schale mit in Schaffett frittierten Teigtaschen; Chuuschuur nannte sie diese. Alle griffen beherzt zu. Hackbart war froh, dass sie nicht irgendwelches Gemüsezeug aßen, denn auch das konnte er nicht ausstehen. Allerdings reagierte er leicht irritiert, als er eine Schüssel mit einer ihm unbekannten Beilage in die Hand gedrückt bekam.

      »Was ist das? Sind das etwa Ameiseneier?«, fragte er entsetzt.

      Temudschin beruhigte ihn. »Nein, das ist Reis, eine Getreidesorte, die bei uns zu fast jeder Mahlzeit gereicht wird. Da sind keine Ameisen drin und wenn es dich beruhigt, auch kein Pferd, mein Freund.

      »Gegen Pferd habe ich generell nichts, solange es ordentlich durchgebraten wird!«, grinste der dicke Nordmann.

      Vom gesalzenen Milchtee, den die Skythen Süütei Tsai nannten, waren die Nordmänner nicht sonderlich angetan, dagegen mundete ihnen der Milchschnaps namens Arkhi schon eher, und das, obwohl dort sicherlich Pferd drin war. Zünftig war das Essen. Doch so musste es wohl sein, wenn diese Nomaden den ganzen Tag unter freiem Himmel zubrachten und das bei extrem niedrigen Temperaturen.

      Und doch schien Skryrmir etwas zu vermissen. Wo war die Tochter im heiratsfähigem Alter? Er befürchtete, der listige Kaufmann wolle ihn betrunken machen, um dafür zu sorgen, dass er sich die Braut schön soff.

      Beim Abräumen der letzten leeren Teller, fasste er sich ein Herz: »Temudschin. Verzeihe meine Neugierde, aber fehlt nicht jemand? Sagtest du nicht etwas von einer Tochter im heiratsfähigem Alter? Du nimmst es mir doch nicht übel, wenn ich mich nach ihr erkundige?«

      »Nein, sie konnte nicht beim Essen zugegen sein, weil sie sich noch ein wenig herausputzen musste. Nicht, dass sie es nötig hätte. Ich wollte ihr Zeit geben und euch natürlich mit einem guten Essen bewirten. Sie wird sofort da sein. Ich schaue mal nach, ob sie nicht vielleicht doch heimlich davon geritten ist«, stand er auf und verließ das Zelt.

      Hackbart sah zu Skryrmir. »Du meine Güte! Sie hatte über zwei Stunden Zeit für ihre Garderobe! Wenn sie jetzt noch nicht fertig ist, stimmt mit ihr etwas ganz gewaltig nicht!«

      »Vielleicht ist sie ja nur schüchtern?«, fragte der Ältere.

      »Klar, und dann wird sie Klein Attila genannt, oder was? Eher ist sie auf und davon, weil sie hörte, dass sie mit einem Nordmann verheiratet werden soll. Oder bekommt die Knöpfe über ihrem Buckel nicht zu!«, mutmaßte Hackbart.