Elke Bulenda

Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen


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Geschichten dich so packten, als seist du selbst dabei gewesen«, wusste ich zu berichten.

      »Stimmt, mir ergeht es genauso. Ach ja… Eine Frage habe ich noch… Was ist eigentlich ein Bankert?«

      »Das ist ein veralteter Begriff für ein illegitimes Kind. Bankert bedeutet soviel wie: ›Mit einer Magd auf der Schlafbank gezeugt‹, eben ein anderer Ausdruck für Bastard.«

       »Oh, ach so. Aber bitte, erzähle weiter, denn ich bin wirklich gespannt darauf, was als Nächstes passiert.«

      Dass mein Onkel Hackbart von Skryrmirs Visionen alles andere als begeistert war, kann sich jeder bildhaft ausmalen. Er liebte den behaglichen Komfort eines geordneten Haushalts. Darum muss die lange Bootsreise für ihn den Eindruck eines Höllenritts hinterlassen haben. Vermutlich dachte er, wenn mein Vater von der Plünderfahrt zurückkäme, gäbe es ein großes Fest mit vielen Spezereien. Stattdessen musste er mit ihm zwei Tage später Richtung Bergen auslaufen. Skryrmir brauchte gerade bei den jungen Männern keine großartige Überzeugungsarbeit leisten. Jedenfalls nicht, als er erklärte, wie die Reiseroute verlaufen sollte. Denn diesmal stach er nicht in die weite See, sondern verlud mit seiner Mannschaft die erbeuteten Sklaven, dazu reichlich von unserem berühmt-berüchtigten Stockfisch, und steckte noch etwas Kleingeld ein. Die Fahrtroute verlief gen Süden, immer an der Nordischen Küste entlang, bis vorerst Bergen. Zwischendurch machten sie dann und wann halt. Nicht nur, weil Hackbart ständig allen in den Ohren lag, die Reise sei unbequem. Er verabscheute es, entweder an Bord oder aber unter dem freien Himmel schlafen zu müssen. Überhaupt, ohne Bett bekäme er gar kein Auge zu; dabei brauche er seinen Schönheitsschlaf. Das behauptete er zumindest, obwohl er derjenige war, der dermaßen von der Fahrt gelangweilt wurde, dass ihm die Augen zu fielen. Jedenfalls musste er keinesfalls auf den Luxus einer Bettstatt verzichten, denn sie legten abends stets einen Zwischenstopp ein und übernachteten bei Verwandten, bei denen sie zugleich nach dem Rechten schauten. Im besagten Bergen verkauften sie einen Teil der erbeuteten Sklaven, besuchten nebenbei wieder mal Verwandtschaft, denen Skryrmir folgendes von seiner Vision erzählte: »Odin ist mir im Traum erschienen. Er deutete nach Süden und sagte, dort würde etwas auf uns warten, das uns Haraldinger bei unseren Fahrten unbesiegbar macht. Nach Heiðabýr sollen wir fahren, um ein gutes Geschäft abzuschließen. Anschließend geht die Reise weiter östlich nach Hólmgarðr. Und ebendort wird sich uns der Sinn der Reise erschließen.« Der junge Stammesfürst glaubte seinen Traumgesichten. Genauso fest glaubte er an Odin. Und so folgte er seinem Gott bedingungslos, wenn dieser etwas von ihm forderte. Seit Harald tat das jeder Stammesführer. Schließlich musste etwas dran sein, denn die Haraldinger wären dadurch sonst nicht so einflussreich geworden.

      Bei den Landgängen wurde Skryrmir das Beileid ausgesprochen, aber sie begrüßten auch neue Familienmitglieder, schmiedeten Pläne für die nächsten, im Frühjahr anliegenden Kaperfahrten, betrieben Tauschhandel, und natürlich wurde getrunken und geschmaust. Nachdem die Vettern und Brüder erfuhren, wohin die Reise gehen sollte, steuerte jeder etwas dazu bei, womit sie selbst ein wenig von der Fahrt profitieren konnten. Beim Abschied versprach Skryrmir, wiederzukommen, nicht nur, um den Gewinn vorbeizubringen, sondern auch, um ihnen mitzuteilen, wie die Prophezeiung in Erfüllung gegangen sei. Schätzungsweise waren die Verwandten zusehends erleichtert, den gefräßigen Hackbart wieder losgeworden zu sein. Wären sie nicht wieder zügig abgereist, hätte er ihnen sonst möglicherweise sämtliche Haare vom Kopf gefressen und alle Frauen im gebärfähigen Alter geschwängert.

       Von der Skandinavischen Küste aus, ging die Fahrt weiter in das Kattegat. Sie schifften sich durch den langen Arm der Schlei ein und erreichten bald darauf Heiðabýr, auch Haithabu genannt, nahe Schleswigs. Übersetzt bedeutet es soviel wie Heidehof. Dort verkauften sie den Rest der Sklaven und stockten ihren Bedarf an Proviant auf, da weiter östlich das Einflussgebiet der Haraldinger endete und somit nicht mit weiterer Verwandtschaft gerechnet werden konnte.

      Heiðabýr war damals ein lebhaftes Handelszentrum der Dänen. Dort konnte man nicht nur Tauschhandel betreiben, sondern weitere Kontakte zu anderen Stämmen knüpfen. Und ganz wichtig, Informationen austauschen. Später residierte dort sogar der König Gøtrik von Dänemark. Damals gab es noch kein vereinigtes Dänemark, so wie es in der heutigen Form existiert. Der König war lediglich Herrscher über Värmland, Westerfold, Hedemarken, Hedeland, Schleswig, Westmare und ein paar weiteren Inseln. Doch zu der Zeit, als Skryrmir und Hackbart dort verweilten, regierte gerade Gøtriks Vater, König Sigurd.

       Als er erfuhr, dass Skryrmir in Heiðabýr verweilte, schickte er einen Boten, der die Reisenden darüber unterrichtete, sie seien als Gäste des Königs herzlich willkommen. Sie sollen ihm folgen. Vor Ort begrüßte König Sigurd sie voller Wärme. Nichtsdestotrotz zeigte er sich zutiefst besorgt darüber, was weiter im Süden vor sich ging. Der Christenkönig Karl, Pippins Spross, häufte Macht an, wie kein Regent vor ihm. Sogar seinen eigenen Bruder Karlmann habe er auf dem Gewissen, nur, um sich dessen Gebiete einzuverleiben. Man munkelte, Karl würde mit dem Oberpriester in Rom Geschäfte machen. Es war die Rede von einer Schenkung. Dafür wollte der Oberste Hirte König Karl zu einem westlichen Caesaren ernennen. Und das, obwohl es längst einen Caesaren im östlichen Byzanz gab. Darüber hinaus, waren sie überein gekommen, einen heiligen Orden zu gründen, der gegen alle Ungläubigen ziehen sollte. Den Orden des heiligen Michael. Sigurd gab zu bedenken: »König Karl könnte auf die dumme Idee kommen, Ansprüche auf meine Gebiete zu erheben. Zudem verfährt der Frankenkönig gnadenlos mit, in seinen Augen, Ungläubigen. Die Gebiete der Langobarden, Awaren und der Bayern hat er bereits geschluckt. Zurzeit nimmt er sich gerade die Sachsen zur Brust und zwingt diese, seinen christlichen Glauben anzunehmen. Er will sie gnadenlos unterwerfen. Allerdings beißt er sich an den von Widukind verratenen Stämmen die Zähne aus, was uns eine erholsame Verschnaufpause bringt. Karls Problem ist, dass er die Sachsen als ein Ganzes sieht, dabei leben sie in losen Stammesverbänden. Kämpft er gegen die Westfalen, trommeln die Ostfalen die Nordalbingier zusammen, mit denen sie den Angreifern in den Rücken fallen. Ich hoffe jedenfalls, die Sachsen-Stämme werden Karl noch lange beschäftigen. Also frage ich dich Skryrmir: Wirst du mir mit deinen Männern zur Seite stehen, sollte dieser gierige Karl seine Krallen wetzen, um sich mein Land zu holen? Mit der Taufe zum Christentum fiel mir mein vorheriger Verbündeter, der Herzog Widukind, in den Rücken. Er macht jetzt mit Karl gemeinsame Sache. Dieser war sogar sein Taufpate! Mir graut es davor, einen abgemagerten Halbnackten anbeten zu müssen, der an einem Kreuz hängt! Was würden unsere Ahnen dazu sagen? Nein, ohne mich! Eher stürze ich mich ins eigene Schwert!«, grunzte er abwertend.

      Skryrmir brauchte nicht lange nachzudenken. »Gewiss werde ich dir zur Seite stehen, falls es zu einem feindlichen Übergriff der Franken kommt. Ich gehe mal davon aus, dass dein Sohn Gøtrik noch keiner Braut versprochen wurde?«, fragte er neugierig. Seine blauen Augen funkelten belustigt.

      »Nein, bisher noch nicht. Aber ich dachte da eventuell an Alfthild, vom Stamme der Nordalbingier.«

      »Falls es zu einem Bündnis zwischen uns kommen soll, gebe ich deinem Sohn meine Tochter Sigrun zur Frau.«

      Der Dänenkönig wirkte ernsthaft überrumpelt, gab jedoch angesichts des ihm dräuenden Unheils, knirschend seine Zustimmung.

      Als sie später im Schlafgemach wieder unter sich waren, bemerkte Hackbart: »Hast du das Gesicht von König Sigurd gesehen, als du ihm rotzfrech deine Tochter aufs Auge drücktest?«

      »Was soll´s. Ich investiere in unsere Zukunft, wenn meine Tochter Sigrun die Königin von Dänemark wird. Wenn Sigurd nicht so ein krasses Arschflattern gehabt hätte, wäre ich nicht so nassforsch vorgegangen. Aber er soll einen angemessen hohen Preis bezahlen, wenn er schon von uns fordert, dass wir unser Haraldinger Blut für ihn vergießen.«

      »Weißt du, was ich denke? Früher oder später wird sich entweder Sigurd, oder Gøtrik mit den übriggebliebenen Sachsen arrangieren. Und dann wird irgendwann Karl mit ihnen eine beiderseits akzeptierte Grenze aushandeln. Sigurd wird nicht zulassen, dass die Haraldinger ihm etwas diktieren.« Hackbart lachte. »Ich dachte schon, er erstickt an seinem Happen und lässt uns alle töten.«

      »Wenn er uns tötet, verstößt er damit gegen das heilige Gastrecht und erzürnt die Götter. Na ja, wer weiß, vielleicht hat er es bereits ins Auge gefasst. Die Nacht ist noch nicht vorüber! Schlaf jetzt!«,