Hühner, Ziegen und Schweine herum. Doch zugleich galt die Burg für alle in der Siedlung als letzter, sicherer Rückzugsort. Falls feindliche Stämme ins Dorf einfallen sollten, war sie der Ort, der bis zuletzt den Bewohnern Sicherheit bot.
»Du bist mit den Kindern allein gekommen. Wo ist eigentlich Solveig und wieso hat sie dich nicht begleitet?«, forschte Skryrmir nach. Normalerweise war die junge Solveig für die Aufsicht und Pflege der Kinder zuständig.
Daraufhin wirkte Hackbart ein wenig verlegen. »Tja, was soll ich sagen. Sie kann nicht zugegen sein, mein Fürst. Sie liegt schon seit heute Morgen in den Wehen.«
Dem jungen Stammesfürst schwante etwas. »Wieso bekommt die Kinderfrau ein Kind? Verdammt! Wer ist der Kindsvater?«
Hackbart schwieg und sah so interessiert auf seine Tunika, als versuche er, aus Reinhildis Kotze die Zukunft zu lesen.
»Hackbart, willst du mir etwa damit beweisen, dass unsere Verwandtschaft mit ihrer Behauptung richtig liegt, du seist ein Tunichtgut und Tagedieb, der nur das Fressen, Saufen und Ficken im Sinn hat?«
»Hey, dieses junge Luder hat es drauf ankommen lassen! Wedelte den lieben langen Tag, wie eine rollige Katze, mit ihrer prallen Kehrseite vor meinem Gesicht herum. Dazu immer diese lasziven Blicke, die sie mir über die Schulter hinweg zuwarf. Sie war feucht wie eine läufige Hündin, als ich mit meinen Freudenspender in sie eindrang, also behaupte nicht, sie sei ein unschuldiges Kind gewesen!«
»Trotzdem! Ein neuer Erlass: Für dich ist das Hauspersonal in Zukunft tabu. Der Begriff Kindermädchen heißt nicht, dass jedes Mädchen ein Kind von dir bekommen soll. Dein dämliches Gesicht ist schon so schwer genug zu ertragen. Muss ich etwa befürchten, du planst eine Intrige gegen mich, indem du so viele Bankerte zeugst, dass du mich mit ihnen überrennen kannst? Das Schlimme ist, dass sie dir auch noch alle ähnlich sehen! Und sollte ich mitbekommen, dass dir deine Mutter, die Köchin, heimlich die Mädchen zuführt, werde ich euch beide mit einem Fußtritt aus der Siedlung werfen. Haben wir uns verstanden, werter Bruder?«
Ihrer beider Vater hatte die gleiche Vorliebe zum Hauspersonal wie Hackbart selbst. Sein Vater und die Köchin Aenna, zeugten Hackbart angeblich auf der großen Tafel. Offenbar Thoralds Art, sich für ihre Kochkünste zu bedanken. Da er Aennas einziges Kind war, verwöhnte sie Hackbart nach Strich und Faden. Thorald bezweifelte zwar die Vaterschaft, doch musste man schon blind oder blöd sein, um nicht die Ähnlichkeit zu erkennen. Und da Aenna ihren Sohn so liebte und ihre riesigen Brüste zu viel Milch enthielten, gab sie ihm von Anfang an mehr, als gut für ihn war. Schließlich war er so dick, dass aus ihm kein guter Krieger werden konnte. Einzig mit einer Doppelaxt und der Eigenrotation, verstand er Schaden anzurichten. Vorher bei allen eher verlacht, erbarmte sich der junge Stammesfürst und nahm ihn als seinen Bruder an. Hackbart war ein gutherziger und humorvoller Mensch, der leider eben arg in die Kerbe seines Vater schlug. Trotzdem wollte Skryrmir seinen Bruder nicht missen, denn er war zwar kein herausragend guter Krieger, dafür aber ein hervorragender Diplomat und Statthalter. Zudem besaß er die Fähigkeit, wie ein alter Araber zu feilschen.
Hackbart kratzte verlegen seinen buschigen fuchsroten Schopf und zupfte an seinem Gabelbart, den er für gewöhnlich mit goldenen Ringen verzierte. »Ja, ich habe dich verstanden, Bruder. In Zukunft werde ich die Hände von ihnen lassen.«
»Gut, und Solveig wirst du zu deiner Frau machen, klar?«
»Äh, ist das nötig? Ich weiß wirklich nicht, was Margitta und Merle dazu sagen werden«, blockte er ab.
»Ist mir egal, ich bin in Trauer, also mach mich nicht wütend! Sie müssen halt für eine dritte Frau ein wenig Platz im Bett machen, oder noch besser; baue dir eine größere Furzmulde! Ende der Debatte!«
»Da wir schon von klugen Ehearrangements sprechen... Du solltest so schnell wie möglich wieder heiraten. Wie wäre es, dich mit einer von den Bjolfurern zu vereinen, denn sie sind uns feindlich gesinnt. Fürst Aegirs Schwester, Dagmar, wurde vor einem halben Jahr Witwe. Sie ist fruchtbar und jung an Jahren«, schlug er vor.
»Nein, nicht diese Dagmar!«, schüttelte sich Skryrmir angewidert. »Sie hat kaum noch Zähne und ihre Augen stehen so eng beieinander, dass sie wie verblödet aussieht!«
Hackbart lachte heiser. »Das ist doch kein Hindernis. Dann nimmst du dir eben noch eine attraktive Frau dazu. Weißt du, es heißt, dumm fickt gut. Zudem wird behauptet, zahnlose Weiber könnten ganz besonders hingebungsvoll Schwänze lutschen. Schließlich musst du keine Bange haben, dass sie ihn dir abbeißt!«
»Langsam habe ich deine derben Zoten wirklich über. Weißt du, was die anderen Fürsten über Dagmar erzählen?«, fragte Skryrmir im Anflug einer schweren Verzweiflung.
»Sie sei nicht ganz dicht?«, forschte Hackbart nach.
»Nein, es heißt, ihre Eltern seien Geschwister und sie ist in Wirklichkeit eine Männer fressende Striege.«
»Ich wüsste nicht, was von diesen Gerüchten das schlimmere ist. Gut, lass dir dieses Angebot trotzdem noch einmal ordentlich durch den Kopf gehen«, riet er seinem Bruder.
»Ja, indem ich kotze!«, seufzte Skryrmir herzzerreißend.
Doch Hackbart beachtete ihn nicht weiter. Er schien ein wenig abgelenkt. Stattdessen starrte er zu einer jungen Dame, die mal wieder gewisse Gelüste in ihm wachrief. »Sag mal, wer ist das da?«, zeigte er auf die Dame mit seltsamer Kopfbedeckung.
»Sie, ist das Inkrafttreten meines Erlasses! Sie heißt Mathilda und ist die neue Kinderfrau. Eigentlich sollte sie Hildburga zur Hand gehen, und insgeheim hoffte ich, sie könne sie vielleicht heilen. Egal, sie spricht drei Sprachen. Sie ist eine… wie heißt das? Klingt so ähnlich wie Norne… Ach ja, eine Nonne. Sie ist unantastbar, da sie mit ihrem Gott verheiratet ist. Langsam habe ich das Gefühl, dieser Christengott findet immer mehr Anhänger. Irgendwie beunruhigend, findest du nicht?«, fragte Skryrmir.
»Beunruhigender fände ich es, wenn er auch noch des Nachts bei ihr erscheint, um es ihr zu besorgen!«, erwiderte Hackbart, der ein paar Männer heranwinkte, um das Langschiff zu entladen. Einen wies er an: »Geleite diese Dame in die Burg!«
»Guck sie nicht an, als wäre sie das Dessert!«, knurrte Skryrmir. »Versorgt die Sklaven und ladet den Wein und die Äpfel für die Burg aus. Den Proviant stocke ich morgen für die Knorr auf!«, befahl er den Männern.
»Wieso?«, wollte Hackbart wissen. Er musterte den Blick seines Bruders, der nichts Gutes verhieß. »Du bist gerade erst angekommen. Sag nicht, du willst wieder fort!?«
»Und ob! Odin sandte mir eine Vision. Und du, lieber Bruder, wurdest ebenfalls auserwählt. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Aber wenn es Odins Wille ist, dass du mitkommst, wirst du deinem Gott wohl diese Bitte erfüllen, oder nicht?«
*
Wenn die Pferde rar werden, werden Mäuse gesattelt.
(Sprichwort der Beduinen)
Agnir lachte amüsiert.
»Warum kicherst du so? Hat ein Karpfen in deinen Zeh gebissen?«, fragte ich interessiert.
»Nein, ich stelle mir gerade vor, was Nana wohl zum Verhalten deines Onkels Hackbart gesagt hätte. Ich mag ihn irgendwie. Nur schade, dass er nicht mehr lebt. Manchmal vermisse ich einen Onkel, der ein paar derbe Zoten von sich gibt.«
»Ja, manchmal wünsche ich mir auch meinen dicken Onkel zurück, dann würde deine Oma Fergus nicht immer ihren ganzen Frust an mir auslassen. Sei froh, du hast doch Cornelius, der ist klug nicht so verfressen.«
»Sag mal, wieso weißt du eigentlich, wer genau was gesagt hat und wie alles wirklich war. Du warst doch gar nicht dabei«, wollte mein Sohn wissen.
»Tja, bei uns hoch im Norden, waren die Winter verdammt lang und dunkel. Fernsehen gab es nicht, niemand von uns konnte lesen und überhaupt waren Bücher teuer und selten. Sie wurden damals nicht gedruckt, sondern aufwendig von Mönchen kopiert und kostbar mit Marginalien und Bildern verziert. Also saßen wir in der großen Halle und quengelten so lange auf die Erwachsenen ein,