Elke Bulenda

Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen


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In seinem Hirn formte sich plötzlich eine Idee: Wenn Odin ihn hierher geschickt hatte, dann waren diese Pferde und der geheimnisvolle Bogen der Grund.

      »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!«, brummte Hackbart, der hinter seinen Bruder getreten war. Es war Skryrmir stets ein Rätsel, wie so ein schwerer Kerl dermaßen lautlos gehen konnte.

      »Da, der Junge auf dem Pferde, mit dem Bogen...«

      »Geh da bloß nicht so nah ran! Man sagt, die Hunnen haben die Pest an sich!«, wiegelte Hackbart ab, der nicht den Sinn der Rede verstand. Er trug schon leicht einen Affen spazieren und verströmte wieder mal den Geruch von Met.

      »Bist du schon wieder angesäuselt? Sei ruhig und sieh zu! Das Pferd, der Bogen! Sieh hin!«, befahl Skryrmir.

      »Was denn? Mäuse die auf Ziegen reiten? Pah! Ich habe Wolfshunde gesehen, die größer sind als dieses Pferd. Und was ist denn so Besonderes an diesem Bogen?«

      In genau diesem Moment durchschoss der junge Mongole ein Schild aus Holz.

      »Sapperlot!«, bemerkte Hackbart verdattert. »Hast du das gesehen? Durch den Schild! Mir dünkt, wenn dieser junge Mann seine Vorstellung beendet hat, sollten wir unbedingt ein Gespräch mit ihm führen!«

      »Und mir dünkt, es ist jetzt so weit!«, bemerkte Skryrmir.

      Der Reiter blieb vor der Menge stehen, dann beugte er das Haupt und sein Pferd ebenfalls. Aber nicht nur das, es verbeugte sich so tief, dass es in die Knie ging. Die Menge klatschte und jeder, dem die Vorstellung gefiel, warf entweder eine Münze, Ringe, oder einen Bernstein. Der Junge verneigte sich ein zweites Mal: »Vielen Dank! Wer genauso ein fabelhaftes Pferd wie meines haben will, sollte unbedingt beim ehrwürdigen Pferdehändler Temudschin Badma vorbeischauen. Er ist nur noch einen letzten Tag vor Ort, also beeilt euch!«, stieg er vom Gaul und sammelte seinen Lohn auf, den er schleunigst in die Tasche steckte.

      »He da, Junge mit den Schlitzaugen!«, rief Skryrmir.

      Der Junge grinste. »Ja, Nordmann, mit der langen Nase?«

      »Kannst du mir zeigen, wo es zu diesem Badma geht?«

      »Klar, kannst mitkommen! Ich muss sowieso jetzt nach Hause«, bemerkte der freche Bengel und stieg wieder auf seinen Gaul.

      Irgendetwas passte Hackbart offenbar gar nicht. »Hey, du kleine Rotznase! Das ist Skryrmir, Fürst der Haraldinger, also steig nicht auf deinen Gaul, sondern erweise uns Respekt. Sonst müssen wir die ganze Zeit mit einem Pferdearsch reden!«

      »Hackbart, lass ihn, es ist doch egal!«, meinte Skryrmir.

      »Nein, ist es nicht!«, erwiderte sein Bruder.

       Der Junge rutschte vom Pferd, verneigte sich und sagte: *»Ямар ялгаа байна вэ? Би илжиг энэ агшинд ярих!«

       »So ist es recht!«, bemerkte Hackbart zufrieden. Nur sah er nicht, wie der Junge seinem Bruder Skryrmir grinsend zuzwinkerte. Skryrmir wusste allerdings nicht weshalb. Trotzdem beschloss er spontan, diesen außergewöhnlichen Jungen zu mögen.

      *»Was macht das für einen Unterschied? Ich rede gerade in diesem Moment mit einem Arsch!«

      *

      Von Frauen, Unglücken und Gurken, sind die kleinsten immer die besten.

      (Aus Ungarn)

      »Ich mag den pfiffigen Jungen auch. Er war ganz schön auf Zack. Gut, dass dein Onkel kein Mongolisch verstand«, lachte Agnir. »Lass mich raten... Und beim Pferdehändler lernte dein Vater dann endlich deine Mutter kennen? Stimmt´s?«

      »So war es nicht ganz. Wenn du schon Bescheid weißt, kannst du die Geschichte gerne weitererzählen«, entgegnete ich.

      »Nein, ich wüsste sie nur in groben Zügen. Erzähl weiter!«

      So folgten Skryrmir und Hackbart dem Jungen. Inzwischen ging die Sonne unter, und die Händler auf dem Markt räumten ihre Stände. Skryrmir wunderte sich über das braune Pferd, welches nicht von dem Jungen am Zügel geführt wurde, sondern lammfromm wie ein Hund, neben ihm lief. Obwohl der junge Stammesführer nicht gerade als sehr gesprächig galt, war er sehr neugierig, was die Herkunft des Jungen betraf.

      »Woher stammst du eigentlich?«, fragte er, um nicht für mundfaul gehalten zu werden.

      »Aus den Steppen Asiens. Dort gibt es nur Wind, Steppe und Pferde«, antwortete der Junge. »Im Sommer ist es unglaublich heiß. Im Winter hingegen ist es klirrend kalt. So kalt, wenn du den Inhalt eines Bechers mit siedend heißem Wasser in die Luft schüttest, fällt Schnee zu Boden. Von eben dort komme ich. Da, wo der Himmel die Erde berührt.«

      »Hm, auch praktisch. Da kann man bestimmt schon heute sehen, wer übermorgen zu Besuch kommt. Wenn ihr aufbrecht, geht ihr wieder dorthin zurück?«, wollte er wissen.

      »Nein, wir leben jetzt in Samarkand. Einmal im Jahr kommen wir hier her, um unsere Pferde und Erzeugnisse anzubieten. Du wohnst aber auch nicht gerade um die Ecke, wie? Deinen Dialekt habe ich hier noch nie zuvor gehört«, stellte der Junge fest.

      »Wir kommen hoch aus dem Norden. Dort, wo im Winter der Himmel im grünen Licht erstrahlt. Unsere Reise führte uns über zwei Meere. Wir haben eine verdammt lange Fahrt hinter uns.«

      »Hm«, machte der Junge nachdenklich. »Mein Vater hat mal einen riesigen See gesehen, der war so groß, dass man das Ufer auf der anderen Seite nicht erblicken konnte. Ich möchte auch irgendwann mal das Meer sehen. Welches, ist mir eigentlich völlig egal. Meine Ahnen hielt es nie an einem Fleck. Sie verstreuten sich in alle Himmelsrichtungen, um zu sehen, was hinter dem Horizont auf sie wartet.«

      »Da siehst du mal, auch wenn wir uns rein äußerlich unterscheiden, sind wir doch Menschen und irgendwie alle gleich. Wir empfinden Trauer, Freude, Sehnsucht. Du hast Schlitzaugen und wir haben gelbes und rotes Haar. Unsere Augen sind zwar blau, doch sehen wir die Welt genauso wie ihr«, antwortete Skryrmir, der offenbar gerade seine philosophische Phase hatte. »Welchem Stamm gehörst du an?«

      »Wir gehören zum Stamm der Skythen. Unsere Vorfahren waren die ersten, denen es nicht ausreichte, einfach nur zu Fuß zu gehen. Sie wollten genauso schnell wie der Wind sein, eben so wie die Pferde, die sie jeden Tag beobachteten. Also schwang sich ein mutiger Mann auf den Rücken eines Pferdes. Aus ihm wurde der erste Reiter und mit diesem Wissen gründete er unser Volk. Wir sind Pferdemenschen«, sagte der Junge. »Ohne unsere Pferde sind wir gar nichts. Wir verdanken ihnen alles. Wir reiten sie und beschützen sie. Ebenso beschützen sie uns, weil sie uns sagen, ob und woher Gefahr droht. Sie geben uns ihr Haar, damit wir daraus Seile machen können. Ihre Milch nutzen wir, um daraus Airag zu gären, an dem wir unseren Durst stillen. Oder, um daraus Arkhi (Milchschnaps) zu machen, an dem wir uns berauschen können. Sie geben uns ihr Fleisch, damit wir nicht hungern müssen. Wir sind nichts ohne unsere Pferde. Wir sind ihnen dankbar und haben voreinander Respekt.«

      »Mir hat gefallen, wie sich dein kleines Pferd, nach dieser Volte, um die eigene Achse drehte und all deine Pfeile haargenau die Zielscheiben trafen. Wie lange reitest du schon?«, fragte Skryrmir neugierig.

      »Ich konnte noch nicht laufen, da saß ich schon im Sattel.«

      Hackbart grunzte. Skryrmir wunderte sich, weshalb sein Bruder die ganze Zeit über so schweigsam war. Er ließ sich ein wenig zurückfallen, um mit ihm eine Unterhaltung zu führen.

      »Was ist? Dir läuft doch irgendetwas gegen den Strich. Glaubst du etwa immer noch, wir werden uns mit der Pest anstecken?«, fragte Skryrmir skeptisch.

      »Ich weiß nicht. Irgendetwas stimmt mit diesem jungen Burschen nicht. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass er uns was vormacht. Und meinem Bauch kann ich trauen.«

      »Ehrlich, Bruder! Dein Bauch sagt dir wahrscheinlich, dass es wieder Zeit für eine Fütterung ist. Wir sind Nordmänner! Glaubst du, der kleine Kerl lockt uns in einen Hinterhalt, schlägt uns nieder und raubt uns anschließend aus?«, brach es ungläubig aus ihm heraus. »Du hast zu viele Märchen