Hubert K.

Bei der Laterne wolln wir stehn


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den Horizont in eine andere Welt, die sie bisher nicht kannte und so weit weg zu sein schien, dass sie nicht sicher war, ob sie überhaupt existierte.

      Abgesehen davon boten die Bücher ihr die Gelegenheit, erneut davon zu träumen, auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen. Sie trug dann andere Kleidung als früher. Ein rot-weiß kariertes Hemd und Jeans, die zum Reiten eben angenehmer waren als die Röcke, die sie als Mädchen normalerweise getragen hatte. Sie hatte einen Cowboyhut, den ihr der Wind ab und zu vom Kopf blies, wenn sie zu schnell daher galoppiert kam. Und der nur aufgrund des Lederriemens, der an ihm befestigt war und um ihren Hals hing, nicht zu Boden fiel, sondern auf ihrem Rücken landete.

      Sie träumte davon, als Kundschafterin unterwegs zu sein oder wichtige Unterlagen in eine weit entfernte Stadt zu bringen. Sie musste die Steppe durchreiten und Flüsse überqueren, Holz sammeln und Feuer machen. Sie ernährte sich von Klapperschlangen, die hier sehr verbreitet waren und die sie mit einem gezielten Wurf ihres Messers erledigte.

      Sie musste sich darüber wundern und konnte sich nicht daran erinnern, dass sie als kleines Mädchen jemals ein Messer so gut geworfen hatte. Anstatt im Holz des Scheunentors stecken zu bleiben, fiel es meist zu Boden und einmal brach ihr sogar die Spitze der Klinge ab. Albert konnte besser werfen, weil er es mit seinen Klassenkameraden stundenlang geübt hatte.

      Als der Vater damals das lädierte Scheunentor sah, bekam ihr Bruder mächtigen Ärger und musste versprechen, nur noch auf den Stamm der alten Linde zu werfen, die etwas abseits hinter der Scheune stand. Wahrscheinlich wusste ihr Vater, dass die Trefferquote seines Sohnes bei einem Baum mit nur etwa 60 Zentimetern Durchmesser entsprechend schlechter sein würde. Und tatsächlich war Albert und seinen Freunden die Lust am Messerwerfen danach sehr schnell wieder vergangen.

      In ihren Träumen stieß sie gelegentlich auf Indianer, vor denen sie sich jedoch erfolgreich verbergen und ihre Spuren verwischen konnte. Manchmal ritt sie mit dem Pferd einige hundert Meter im Fluss entlang, um eventuelle Verfolger abzuschütteln. Nur einmal war sie in die Hände der Kiowas gefallen, die sie im Schlaf überrascht und gefesselt in ihr Lager gebracht hatten.

      Die Kiowas banden sie an einen Marterpfahl und begannen, laut schreiend um sie herumzutanzen und dabei ihre Tomahawks zu schwingen. Einige Meter entfernt brannte ein Feuer, dessen Flammen hoch in den dunklen Himmel stiegen. Sie sollte wohl erst am nächsten Tag umgebracht werden, denn irgendwann kehrte Ruhe ein und die Kiowas verschwanden in ihre Zelte.

      Lediglich einer blieb als Nachtwache mit dem Rücken zum schon deutlich niedriger brennenden Feuer sitzen, damit seine Augen sich an das Dunkel der Nacht gewöhnten und er eventuelle Angreifer besser erkennen konnte. Doch Winnetou und Old Shatterhand schafften es, sich unbemerkt anzuschleichen.

      Nachdem Winnetou den Indianer am Feuer mit einem Schlag auf den Hinterkopf außer Gefecht gesetzt hatte, durchschnitt Old Shatterhand ihre Fesseln und leise schlichen sie zu dritt aus dem Lager zurück in die Dunkelheit. Etwas entfernt hatten sie ihre Pferde angebunden und ritten dann zurück ins Lager der Apachen, wo sie in Sicherheit war.

      In ihren Träumen blieb sie lange bei den Apachen und freundete sich vor allem mit Old Shatterhand an. Er kam wie sie aus Deutschland, und häufig ritten sie zu zweit durch die endlose Prärie, saßen nachts am Lagerfeuer und erzählten sich Geschichten aus der Heimat. Sie hatte bis dahin noch nie einen Freund gehabt und Old Shatterhand wurde für sie derjenige, dem sie anvertrauen konnte, was sie beschäftigte und was sie früher bestenfalls ihrer Mutter oder ihrer besten Freundin Elsa erzählt hätte.

      Zu Elsa hatte sie, seitdem sie von zuhause weggegangen war, nur noch unregelmäßig Kontakt. Etwa alle zwei Monate, wenn sie über das Wochenende bei ihrer Familie war, sah sie Elsa in der Kirche. Nach dem Gottesdienst sprachen sie immer einige Worte miteinander und Elsa beneidete sie sehr, dass sie in der Stadt arbeitete.

      Elsa half bei ihrem Vater in der Metzgerei und hatte in ihrem Leben noch nicht viel mehr als das eigene Dorf gesehen. Umso mehr war sie darüber informiert, was es Neues zu erzählen gab, welche Schulkameraden welche Stelle angetreten haben und vor allem, wer in wen verliebt oder gar schon offiziell miteinander befreundet war.

      Trotz des zunehmenden Interesses am anderen Geschlecht hatten die beiden Freundinnen das Alter, in dem Mädchen für Pferde schwärmen, noch nicht vollständig hinter sich gelassen. Wenn das Wetter und die sonstigen Verpflichtungen es zuließen, ritten sie deshalb ab und zu mit den beiden Kaltblütern durch den Wald und über die Felder.

      Selbstverständlich bekam Elsa das Pferd, das ebenfalls Elsa hieß. Sie selbst saß auf Emma, die schon früher ihr Lieblingspferd war. Und obwohl sie das Reiten nie gelernt hatte, saß sie sicher auf dem Pferd und beherrschte es selbst bei höherem Tempo sehr gut. Was das Reiten anging, hatte ihr der Vater nur wenige Tipps geben können. Für ihn waren Pferde nach wie vor in erster Linie Arbeitstiere und die meiste Zeit stand er hinter ihnen am Pflug oder führte sie am Zügel.

      Sie hatte den Eindruck, dass ihr Vater den Tod ihrer Mutter mittlerweile einigermaßen verkraftet hatte, es fehlte ihr aber der Mut, ihn darauf anzusprechen. Für ihn selbst und wohl auch für ihre Geschwister war es aber allem Anschein nach undenkbar, dass er ein zweites Mal heiratet und eine andere Frau den Platz der Mutter einnimmt.

      Jetzt, wo Richard weg war, konnte sie sich vorstellen, wie sich ihr Vater damals gefühlt haben muss. Und obwohl sie noch darauf hoffen konnte, dass Richard eines Tages zurückkehren würde, empfand sie ihre eigene Situation schlimmer als die ihres Vaters.

      Er hatte Gewissheit, dass er den Rest seines Lebens ohne seine Frau verbringen musste. Sie aber war hin- und hergerissen zwischen der schwachen Hoffnung, Richard doch noch einmal wiederzusehen, und der erdrückenden Ungewissheit, ob er in der Gefangenschaft nicht schon längst ums Leben gekommen war.

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