Wulf Mämpel

Mein Name ist DRAKE. Francis Drake


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den Parlamenten. Man glaubte beispielsweise nicht mehr, dass die Erde eine Scheibe sei, was jedem erfahrenen Seefahrer schon als blanker Unsinn aufgefallen sein müsste. Man wolle Neues und Unbekanntes erfahren, reisen, zu neuen Ufern aufbrechen und expandieren. Doch da man nicht wisse, so die Königin weiter, was hinter dem bekannten Land kam und was es zu entdecken gelte, bliebe jede Fahrt in die Fremde eine Reise ins Unbekannte. Gefährlich und aufregend. Doch das Ziel sei klar: Europa werde die Welt verändern, die Welt und die Menschen dieser globalisierten Welt!

      Die Königin wörtlich: „Wir müssen den neuen Wein in unsere alten Schläuche füllen! Die europäische Kolonisierung muss zu einem weltumspannenden Netz ausgebaut werden, das alle Kontinente einschließt und damit auch zu einem neuen Weltsystem wird. Diese neue Weltordnung der Eroberung führt zu einem weltumspannenden System des Handels, welches freilich sehr unterschiedlich strukturiert sein wird. Neben dem Handel sollte aber auch der Möglichkeit der Wissens- und Informationsweitergabe eine zentrale Funktion zukommen. Wir müssen eine Übersee-Begeisterung entfachen, Heimkehrer müssen die neuen Welten begeistert niederschreiben, sie müssen als Bücher gedruckt und verbreitet werden. Damit wird es möglich sein, die in Übersee gesammelten Eindrücke wirkungsvoll in Europa zu vermarkten.“

      Elisabeth macht eine kleine Pause, dann sagt sie weiter: „Dabei wird die Expansions-Welle von Europa ausgehen, als eine dauerhafte und eine bleibende. Neben dieser Neugier und dem Wunsch nach Expansion hat sich in unserer Zeit eine umfangreiche europäische Verwaltung entwickelt, eine neue Ordnung, eine neue Dynamik. Der Buchdruck, die Schrift, die Kartographie und der Briefverkehr ermöglichen einen weitreichenden Austausch von Informationen und damit eine Organisation in den Kolonien über große Entfernungen hinweg. Die Beamten werden jedoch nicht allein nach Übersee reisen, sondern werden von britischen Soldaten und von Siedlern begleitet, die unterschiedlich stark diejenigen Gebiete, in denen sie landen, prägen. Für die Europäer spielt auch ein religiöses Sendungsbewusstsein eine herausragende Rolle, wie eine Mission, das Christentum in die Neue Welt zu tragen. Nicht mit Feuer und Schwert, wie es die Spanier und Portugiesen taten, sondern mit Liebe und Demut. Eigentliches Ziel der Fahrten aber ist die Bereicherung unserer Lebensgewohnheiten: Wir hoffen, Gewürze, Rohstoffe und andere wertvolle Handelswaren zu finden. Und natürlich auch Gold, Silber und Edelsteine. Aber auch Holz für den Schiffsbau, Waffen, Früchte. So werden europäische Sprachen, Institutionen, Rechts- und Staatsvorstellungen, Religion und schließlich Techniken und Produktionsweisen in andere Teile der Welt gebracht, genauso wie die außereuropäischen Gebiete in vielfacher Hinsicht künftig auch Europa beeinflussen werden. Es wird einen gegenseitiges Geben und Nehmen sein. Meine Herren, lassen sie uns – ich nenne es pragmatisch die Globalisierung – an unsere Fahnen heften. Mutig, schnell und konsequent.“

      Die Menschen würden aus verschiedenen Regionen Europas in die englischen Kolonien in Nordamerika einwandern. Sie würden Schutz suchen vor politischer Verfolgung und Freiheit für die Ausübung ihrer Religion. Und sie würden Arbeit suchen! Daher verließen sie ihre Heimat. Die künftigen Kolonisten in Nordamerika brauchten aber auch Arbeitskräfte. Ackerland sei billig und reichlich vorhanden, aber Arbeitskräfte seien rar und teuer. Deshalb würde armen Europäern, die auswandern wollten, aber kein Geld hätten, die Überfahrt nach Amerika bezahlt. Dafür müssten sie als Vertragsknechte auf einer Farm arbeiten. Wenn sie ihre Schulden abgearbeitet hätten, könnten sie wieder frei und unabhängig werden.

      Ich notiere in Klammern: Schon zu Lebzeiten ist die Königin eine Legende. Dieses Gerücht hielt sich aber lange: Sie sei keine Frau, sondern ein Mann. Außerdem wurde ihr eine Reihe unehelicher Kinder von verschiedenen Liebhabern zugesprochen. Alles Unsinn! Den Mann, den sie wirklich über eine lange Distanz liebte, war der leichtfüßige Frauenheld Robert Dudley, 1. Earl of Leicester. Und heimlich - für ein paar aufregende Monate lang - einen emporstrebenden gutaussehenden Freibeuter . . . mich!

      Nachdem sie den Thron als Nachfolgerin ihrer bigotten, spießigen, fanatisch-katholischen Schwester Maria bestiegen hatte, änderte sich nämlich das Verhältnis des aufstrebenden protestantischen Englands zur katholischen Weltmacht Spanien grundlegend. Nach außen hin bemühte sich die Königin mit Hilfe einer ehrlichen Verlogenheit um korrekte Beziehungen zu König Philipp II., dem mächtigen, tyrannischen Verteidiger der „alten“ Kirche. Unter der Hand förderte sie aber nach Kräften den Kampf gegen die spanische Vorherrschaft. Ihre „Nadelstiche“, wie man unsere Kaperfahrten scherzhaft nannte, gegen das spanische Weltreich sollten dieses an seiner verwundbarsten Stelle treffen: in der Neuen Welt. Spanien bezog mittels seines Handelsmonopols in ganz Mittel- und Südamerika, das andere Nationen unter Androhung hoher Strafen ausschloss, unermessliche Reichtümer von diesen überseeischen Märkten. Sich über Regeln der Gepflogenheiten hinwegsetzend, erlaubte und förderte die englische Königin Angriffe ihrer Freibeuter, zu denen mein älterer Cousin John Hawkins und sein begabter „Schüler“ Francis Drake, als berühmteste gehörten, auf diese spanischen Kolonien.

      Was für ein Plan, was für ein Anspruch, denke ich etwas amüsiert und starte einen ersten Applaus-Versuch, dem nach und nach auch die anderen Berater ebenfalls folgen. Unter ihnen zunächst zögerlich auch der alternde, aber immer noch einflussreiche Lordschatzmeister und 1. Staatssekretär William Cecil, 1. Baron Burghley, der in den vergangenen zwei Stunden kaum ein Wort sagte und ungläubig den Worten der Königin folgte., Ich bin nicht wirklich überrascht und wundere mich nicht so sehr wie die anderen Herren der intimen Runde. Mir sind die Pläne durchaus vertraut, zum Teil sind sie das Ergebnis vieler vertraulicher Gespräche, die ich mit der Königin führte. Mir ist heute aber sehr klar geworden: Gespräche diesen Inhalts werden sich in Zukunft häufen . . . Die Königin meint es ernst mit dem, was sie uns verkündet:

      „Noch einmal, meine Herren: Die Welt und die Zeit sind aus den Fugen geraten! Wir danken Ihnen für Ihr Erscheinen und Ihre Bereitschaft, an diesem großen Werk mitzuhelfen. Denken Sie über diesen Spruch nach. Wir erwarten sehr bald Ihre Vorschläge, denn die Zeit drängt, da auch andere Mächte sich ein fettes Stück von diesem Kuchen sichern wollen. Unsere Konkurrenten sind schon jetzt auszumachen: nach wie vor Spanien, Portugal, aber auch Holland und Frankreich - und wir natürlich. Ich habe Informationen über die nächsten Schritte: Die Spanier werden von Mexiko aus an der Westküste aktiv, die Franzosen haben ein Auge auf den hohen Norden, auf Kanada, geworfen und wir gründen Kolonien zunächst an der gesamten Ostküste, um uns dann in Richtung Westen aufzumachen. Wir sind bereit, Unser Königreich zur größten Kolonialmacht auszubauen. Dazu bedarf es nach wie vor einer selbstbewussten Politik gegenüber Spanien und Frankreich. Am Ende des Mittelalters war England ein unbedeutendes Nebenland, eine grüne, feuchte, von Ketzern bewohnte Insel ohne jede bedeutende maritime Tradition, doch ab dem16. Jahrhundert entwickelte es sich unter Unserem Vater Heinrich und in Unserer Regierungszeit zu einer ernstzunehmenden Macht. Durch kluge Diplomatie und die Erfolge britischer Seehelden wird es die Meere beherrschen und zur größten Kolonialmacht der Erde auferstehen – zum einzigen mächtigen Weltreich der Geschichte, dem es gelingt, auf allen fünf Kontinenten Fuß zu fassen. Dies schaffte nicht einmal das große Rom. Meine Herren, das ist der Plan . . . Es ist ein guter Plan!“

      Und sie fährt unbeirrt fort: „Der spanische König, der katholische Habsburger, unterschätzt das Glück der Tüchtigen. Das Gold Südamerikas wird ihm keinen Segen mehr bringen. Wie kann es sein, dass eine große Nation wie Spanien in die Hände dieses Tyrannen fällt? Warum akzeptieren die Untertanen die Lügen eines Mannes, der europaweit Schaden anrichtet? Das Wesen der Tyrannei ist zu allen Zeiten erschreckend aktuell. Das war auch in unserem Reich in der Vergangenheit so. Tyrannen verachten das Gemeinwohl, nur vermeintliche Sieger wecken die Anerkennung des Despoten, wenn er sie für seine Ziele nutzen kann. Verlierer erregen nur seinen Spott. Das ist Philipps Problem! Um ein wirklicher Herrscher zu sein, bedarf es mehr als Länder auszupressen, ein großer Herrscher lässt seine Untertanen teilhaben am Erfolg seines Reiches. Er gibt dem Volk zurück, was es an Opfern geleistet hat. Das haben Wir vor. Unser allgemeiner Reichtum wird aufgeteilt, jedermann soll davon profitieren. Spanien ist inzwischen so zornig über unsere Taktik, über die Niederlage seiner Armada vor zwei Jahren und dem gescheiterten Versuch, unsere Insel zu erobern, dass wir weiter auf der Hut sein müssen. Wir rechnen nach wie vor mit Überfällen der Spanier auf unser Reich.“

      Den Satz „Die Zeit ist aus den Fugen“ höre ich in diesen Tagen sehr oft. Die