Jay H. Twelve

VIRDULA Endlosgeschichten Band 2 - Die Mutter aller Dinge


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können die Gäste nicht ewig warten lassen. Gib die Flasche her, ich verstehe etwas davon“, brummte Arthur und winkte die Kellner zu sich.

      Dieses kleine Theatervorspiel löste die Spannung bei den unerfahrenen jungen Partygästen, die Damen kicherten, und Jerry klopfte seinem Freund Arthur auf die Schulter.

      „Bravo, Arthur, jetzt weiß jeder, wer die Schampusflaschen für die Schiffstaufen leertrinkt und Spülmittel hineinmischt. Kein Wunder, dass deine Schiffe nie absaufen.“

      Bei dieser deftigen Anekdote konnte sich sogar der stocksteife Kellner das Lachen nicht verbeißen. Sie lachten alle so köstlich, dass sogar Nacho an der Rezeption die lustige Gesellschaft hören konnte.

      Die Überraschungsvorspeise entpuppte sich als Parmaschinken auf Honigmelone und frischen Dillspitzen. So wusste jeder gleich, dass es sich bei dem Chefkoch um einen Italiener handelte. Den Gästen war es im Grunde genommen egal, keiner bis auf Don, waren Feinschmecker. Die Kellner servierten die zweite Vorspeise, in Cognac eingelegte Backpflaumen, umhüllt mit geräuchertem knusprigem Speck, die noch heiß serviert wurden. Anschließend folgte die Forelle à la Müllerin, wobei die Kellner ganz schön ins Schwitzen kamen, so schnell wurde alles vertilgt und mit gekühltem Weißwein hinuntergespült.

      Bei dieser Gesellschaft wurde zuerst gegessen, verdeckt gerülpst und dann geredet. Einfache Menschen eben, mit gesundem Appetit und viel Sinn für gemütliches Beisammensein. Don mochte solche Menschen, die der Mutter Natur die Zügel ließen und die Fesseln einer pervertierten Etikette nicht kannten. Er kannte auch eine andere Sorte von Menschen, die mit verkrampftem Magen der Etikette folgten, sich davor fürchteten nur keinen Patzer bei Tisch zu leisten, die besten Speisen nur zur Hälfte aßen und danach nicht einmal wussten, wie es wirklich geschmeckt hatte, geschweige satt geworden sind.

      Er erinnerte sich an eine Reise durch Frankreich die ihn entlang der Loire führte, mit wunderschönen Schlössern und Burgen jenseits des Flusses. Damals bei einer Besichtigungstour erzählte die Touristenführerin von der Zeit, als sich die hohen Herrschaften fast zu Tode kratzten. Irgendein religiöser Quacksalber verkündete, man dürfe sich nicht waschen, das mache die Haut zu dünn und anfälliger für Krankheiten. Die hohen Herrschaften nahmen diesen Schmarren ernst und entwickelten daraus die schwachsinnigsten Formen der Mode Etikette, wie Perücken usw. Die Damen trugen mehrfach übereinander gestülpte lange Röcke, damit der Gestank der ungewaschenen Leiber nicht so schnell entweichen konnte. Man durfte sich nicht öffentlich kratzen, dafür puderte man sich fast bis zum Eingipsen. Als schwachen Trost besprühte sich die ungewaschene adlige Elite mit Duftwässerchen, das die Araber über Spanien nach Frankreich brachten. Mehrere Generationen dauerte dieser Irrtum der vernachlässigten Hygiene. Die Menschen dezimierten sich einmal durch Krankheiten oder durch Weigerung der Herren unter die Röcke der Damen zu kriechen.

      Das Lustigste dabei war, dass sich diese hohen Herrschaften im vollen Ernst für Halbgottheiten mit weißer Haut hielten, dafür das einfache Volk meist von der Sonne gebräunt, als dummes Gesindel behandelte. Wie auch immer, dachte Don, kein Wunder, dass sie sich selbst auflösten. Er kannte die Kräfte der Mutter Natur wie kaum ein anderer und wusste, dass sie auf lange Sicht keine Fesseln und widernatürliche Etiketten dulden kann. Ein Rülpser oder ein Furz sind nun mal Produkte unseres Körpers nach den Regeln unserer Mutter Natur. Man soll sie eben sausen lassen, wenn sich eine günstige Gelegenheit dafür ergibt.

      Offensichtlich war der Chefkoch sichtlich enttäuscht von der Gesellschaft und der Art und Weise, wie sie die Forellen mit den Fingern zerlegten. Kurz entschlossen änderte er sein Menü, und die Kellner servierten mit demonstrativer Verachtung zwei Riesenplatten mit aufgetürmten Kookaburra Wings (frittierte Hähnchenflügel). Welches Gaumenvergnügen er den ausgelassenen Partygästen damit bereitete, ahnte der hochnäsige Chefkoch nicht im Geringsten. Die Kookaburra Wings flogen von der Platte hin zu lüsternen Gaumenhöhlen, wurden dort vom Fleischballast befreit und landeten als nackte Knochen auf den Tellern der Gäste. Die silbernen Messer und Gabeln durften sich diesmal ausruhen. Die Krönung des Etikettenschwindels brachte Arthur zu Tage, als er einen entsetzten Kellner aufforderte die Knochen samt Überbleibsel von den Wings schön einzupacken, damit die zahlreichen Katzen und Hunde auf seiner Werft die Partystimmung miterleben konnten.

      Don winkte die Kellner zu sich. Er bestellte reichlich Zitronenwasser und große Servietten, damit sich die Gäste die Hände waschen konnten. Man lachte und rülpste vor lauter Entzücken, zum Schluss doch noch etwas Anständiges zum Essen bekommen zu haben. Der lauwarme Wein wurde völlig ignoriert, stattdessen zischte das eiskalte Bier die Kehle hinunter, entfesselte die mitverschluckte Luft und Biergase, zur Freude und Entspannung der glücklichen Genießer.

      „Ein Glück, dass wir diese Horde in einem separaten Raum einquartiert haben“, flüsterte einer der Kellner dem anderen ins Ohr. „Sonst wäre der gute Ruf unseres noblen Hauses im Eimer.“

      „Du verlogenes Arschloch, du ahnst ja gar nicht, wie gerne ich mit dieser Clique die Wings vertilgt hätte. Bei dir zu Hause wird genauso mit den Fingern gegessen“, konterte der andere Kellner und leckte sich die Lippen ab.

      „Aber unser Monsieur Jacques aus Paris...“, wollte der brave Etikettennarr protestieren.

      „Ach der feine Pinkel, der seinen eigenen Schwanz mit den Handschuhen anfasst, aber den Arsch unserer fetten Köchin im Kühlraum vernascht, von dem kannst du nur Blödsinn lernen.“

      Kuky, der diesen Dialog mithörte, gab demonstrativ einen lauten Rülpser von sich, worauf die Gruppe mit lautem Klatschen und Lachsalven reagierte. Dieser Befreiungsakt erlöste die steifen Kellner von ihrer Qual. Sie lachten endlich mit.

      „Na bitte!“, rief Karin laut. „Die Chinesen wissen am besten, wie man dem Koch ein Kompliment aussprechen kann.“

      Das war Grund genug die Ausgelassenheit anzuheizen. Die drei Anwälte schauten ein wenig verlegen in die Runde, lächelten jeden mit einem gekünstelten Lächeln an, als befürchteten sie, mit einem ordentlichen Rülpser ihre Honorare entweichen zu lassen. Kurz nach zehn Uhr wurde der Tisch abgeräumt, Mokka und Karaffen mit eisgekühltem Wasser auf Servierwagen herangefahren. Nicht ein einziges Wort war über die zukünftigen Geschäfte verloren worden.

      Die Kellner, die von der lokalen Presse dazu überredet worden waren, nebenbei Mitgehörtes gegen reichlich Trinkgeld einzutauschen, hatten nichts zum Tausch anzubieten. Bis auf viele Lustbarkeiten und deftige Witze bekamen sie keine ernstzunehmende Neuigkeiten zu hören. Don stand auf, bedankte sich mit einem kräftigen Händedruck bei den enttäuschten Kellnern und drückte jedem einen fetten Bakschisch in die Hand.

      „Danke, meine Herren, Sie waren sehr zuvorkommend. Wir möchten jetzt unter uns bleiben. Aufräumen können Sie später.“

      Das war unmissverständlich ausgedrückt ein Rausschmiss, der keine Spielräume dazwischen zu ließ. Sie verbeugten sich leicht und gingen hinaus in die Welt des Monsieur Jacques und seiner seidenen Handschuhe.

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