Edgar Wallace

Edgar Wallace - Gesammelte Werke


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dieser Eindringling den Mord begangen, dann hatte er das ganze Haus durchsucht. Aber er konnte nicht mehr durch die Tür.«

      »Da hat er recht«, sagte Whiteside. »Sie meinen doch damit die Tür, die von diesem Gebäudeflügel in das eigentliche Haus führt. Die war doch verschlossen, Tarling, als Sie den Mord entdeckten?«

      »Jawohl«, sagte Tarling. »Die Tür war fest verschlossen.«

      »Als sie merkten, daß sie nicht ins Haus hereinkommen konnten«, fuhr Ling Chu fort, »versuchten sie durch eins der Fenster einzudringen.«

      »Sie – sie?« fragte Tarling ungeduldig. »Ling Chu, wer soll das denn sein? Meinst du die Frau?«

      Diese neue Behauptung Ling Chus war wirklich verwirrend. Tarling hatte den zweiten Teilnehmer an dieser Tragödie erkannt – ein brauner Flecken auf dem Rücken seiner Hand erinnerte ihn deutlich an dessen Existenz. Wer war nun aber die dritte Person?

      »Ich meine die Frau«, erwiderte Ling Chu ruhig.

      »Aber wer wollte denn um Himmels willen noch in das Haus, nachdem er Mrs. Rider ermordet hatte?« fragte Whiteside nervös. »Ihre Theorie widerspricht der klaren Vernunft, Ling Chu. Wenn jemand einen Mord begangen hat, dann ist er eifrig bestrebt, sich so bald als möglich und so weit als möglich von dem Tatort zu entfernen.«

      Ling Chu antwortete nicht.

      »Wie viele Leute sind denn an diesem Mord beteiligt?« fragte Tarling. »Ein barfüßiger Mann oder Frau kam ins Haus und tötete Mrs. Rider. Eine zweite Person machte die Runde um das Haus und versuchte, durch eins der Fenster einzudringen –«

      »Ich kann nicht genau sagen, ob es eine oder zwei Personen waren«, antwortete Ling Chu.

      Tarling durchsuchte den hinteren Gebäudeteil noch einmal genau. Er war von dem übrigen Haus getrennt. Offensichtlich war alles so eingerichtet, damit Mr. Milburgh nicht gesehen werden konnte, wenn er seine Besuche in Hertford machte. Dieser Gebäudeteil bestand, aus drei Räumen: einem Schlafzimmer, das neben dem Wohnzimmer lag und offensichtlich von Mrs. Rider bewohnt wurde, denn man hatte ihre Kleider in dem Kleiderschrank gefunden, einem Wohnzimmer, in dem der Mord begangen wurde, und drittens dem Reserveschlafzimmer, durch das er mit Odette nach der Galerie der vorderen Eingangshalle gegangen war.

      Das war auch die Tür, die die einzige Verbindung zu dem übrigen Haus darstellte.

      »Wir können weiter nichts tun, als die Sache der Ortspolizei überlassen und nach London zurückkehren«, sagte Tarling, als seine Nachforschungen beendet waren.

      »Und Milburgh verhaften«, meinte Whiteside. »Halten Sie Ling Chus Erklärung für richtig?«

      Tarling schüttelte den Kopf.

      »Ich möchte sie nicht gerade verwerfen, denn Ling Chu ist ein erstaunlich schlauer und umsichtiger Detektiv. Er ist imstande, Fußspuren, die für andere Leute vollkommen unsichtbar sind, zu verfolgen. Ich habe früher mit seiner Hilfe in China die allergrößten Erfolge gehabt.«

      Sie kehrten im Auto nach der Stadt zurück. Ling Chu saß während der Fahrt neben dem Chauffeur und rauchte dauernd Zigaretten. Tarling sprach unterwegs wenig, seine Gedanken waren vollständig mit den letzten geheimnisvollen Ereignissen beschäftigt, für die er selbst noch keine Erklärung gefunden hatte.

      Auf dem Weg durch London kamen sie an dem Hospital vorbei, in dem Odette Rider lag. Er ließ den Wagen halten, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, und erfuhr, daß sie sich von dem harten Schlag wieder einigermaßen erholt hatte. Sie lag in tiefem Schlaf.

      »Das ist das beste für sie«, erklärte er, als er zu Whiteside zurückkam, »ich hatte schon große Sorge um sie.«

      »Sie interessieren sich anscheinend für Miss Rider außerordentlich stark?«

      Tarling war zuerst unangenehm berührt, lachte dann aber.

      »O ja, ich interessiere mich für sie«, gab er zu, »aber das ist ja auch ganz natürlich.«

      »Wieso natürlich?«

      »Weil Miss Rider meine Frau werden wird«, erklärte er nachdrücklich.

      »Ach so«, sagte Whiteside erstaunt und schwieg dann.

      Der Haftbefehl für Milburgh war schon ausgefertigt und wurde Whiteside zur Durchführung übergeben, als sie in Scotland Yard ankamen.

      »Wir werden ihm keine Zeit lassen«, sagte der Polizeiinspektor. »Ich fürchte, es glückt ihm immer alles zu gut – hoffentlich treffen wir ihn noch zu Hause an.«

      Das Haus in Camden Town war leer, wie Whiteside vermutet hatte. Die Aufwartefrau, die jeden Morgen kam, wartete noch geduldig vor dem eisernen Tor. Sie erzählte ihm, daß Mr. Milburgh sie gewöhnlich um halb neun hereinließ. Selbst wenn er verreist gewesen war, kam er doch stets vor dieser Zeit wieder zurück.

      Whiteside öffnete das Schloß mit einem Dietrich, obwohl die Aufwartefrau im Interesse ihres Dienstherrn protestierte. Die Haustür selbst war viel schwieriger zu öffnen, denn sie war mit einem Patentschloß versehen. Tarling ließ sich aber dadurch nicht weiter aufhalten, sondern schlug eine Fensterscheibe ein.

      »Hören Sie das?«

      Ein schrilles Läuten erscholl im selben Moment, als die Fensterscheiben zerschlagen wurden.

      »Diebsalarm«, sagte Tarling kurz, zog die Fensterriegel zurück und öffnete das Fenster. Dann stieg er hinein und kam in das Zimmer, in dem er damals mit Milburgh gesprochen hatte.

      Das Haus war leer. Sie gingen von Zimmer zu Zimmer und durchsuchten Schränke und Kommoden. In einer der letzten machte Tarling eine Entdeckung. Es waren ein paar glitzernde Spuren eines Pulvers, die er auf seine Hand schüttete.

      »Wenn das nicht Thermit ist, will ich mich hängen lassen«, sagte er. »Auf jeden Fall können wir Mr. Milburgh Brandstiftung nachweisen, wenn es uns nicht gelingt, ihn wegen Mordes zu fassen. Senden Sie es, bitte, zum Regierungschemiker, Whiteside. Wenn Milburgh Thornton Lyne nicht umgebracht hat, so hat er doch sicher das Haus der Firma Dashwood & Solomon in Brand gesteckt, um die Beweise seiner Unterschlagungen zu vernichten.«

      Whiteside machte die zweite Entdeckung. Mr. Milburgh besaß ein großes Bett.

      »Das ist ein an Luxus gewöhnter Teufel«, sagte Whiteside. »Sehen Sie doch mal, wie stark diese Sprungfedermatratze ist.«

      Er untersuchte das Bett genauer und wandte sich dann mit einem erstaunten Gesicht um. »Die Konstruktion ist hier etwas zu massig für eine Matratze.« Er schlug die Bettgardinen zurück, um genauer prüfen zu können. An der Seite entdeckte er eine kleine runde Öffnung. Sofort nahm er sein Taschenmesser heraus, klappte es auf, steckte die schmale Klinge hinein und drückte dagegen. Ein leichtes Knacken ertönte, und zwei Türen sprangen auf. Sie waren ähnlich wie die Türen eines Grammophons, die den Schall dämpfen sollen.

      Whiteside tastete mit der Hand hinein und zog etwas heraus.

      »Bücher«, sagte er zunächst enttäuscht, aber er betrachtete sie doch näher. Plötzlich hellten sich seine Züge auf. »Das sind ja Tagebücher! Ich möchte nur wissen, ob dieser Kerl tatsächlich Tagebuch geführt hat?«

      Er legte die Bände aufs Bett. Tarling nahm einen in die Hand und schlug ihn auf.

      »Das sind ja Thornton Lynes Tagebücher! Die können uns vielleicht nützliche Aufschlüsse geben.«

      Einer der Bände war verschlossen! Es war der letzte in der Reihe, und man sah deutlich, daß versucht worden war, ihn zu öffnen. Mr. Milburgh hatte es tatsächlich auch probiert, da er aber eine systematische Lektüre dieser Bücher vornehmen wollte, war es leicht möglich, daß er ihn zunächst beiseite gelegt hatte.

      »Ist sonst noch etwas in dem Versteck?« fragte Tarling.

      »Nein«, erwiderte der Polizeiinspektor enttäuscht. »Aber vielleicht sind noch mehrere Fächer da.«

      Sie suchten beide eifrig, fanden aber nichts mehr.

      »Wir