ist, muss uns also für dieses Erdenleben genügen. Im Übrigen zweifle ich nicht, dass er unendlich viel großartiger auch in der Beurteilung der menschlichen Handlungen ist, als wir es uns vorstellen können, und sogar oft, als wir es wünschten. Begreifen und definieren oder formulieren können wir Gott nicht, wohl aber lieben und dann das erfahren, was schon dem alten Israelitenvolke in 2 Mos 20 5–6 und 2 Mos 34 10 zugesagt worden ist und was sich noch heute ganz genauso erfahren lässt.
Das ist das, was in der an sich schönen, oft zitierten Stelle in Goethes »Faust« fehlt.
Name ist Schall und Rauch
sehr richtig, und
Wer darf ihn nennen,
und wer bekennen:
»Ich glaub ihn!«?
Aber es ist doch eine Realität dahinter, die auf unser Leben Einfluss gewinnen soll, und welche die Lebensgeschichte Fausts — und Goethes — anders und besser hätte gestalten können.
28. Januar
Zu 2 Kön 5 15–19 Dan 3 28 Dan 6 27 1 Mos 3 6 1 Mos 3 16
Es wird niemals gelingen, die Religionsgeschichte zivilisierter Völker ganz von derjenigen des Volkes Israel abzulösen. Diese hat im Christentum ihre — nach unserer Auffassung notwendige — »Reform« gefunden, während die Juden es als eine unberechtigte Revolution ansehen, ähnlich wie sich der Katholizismus gegenüber dem Protestantismus verhält. Wie sich diese historischen Gegensätze einmal in einer höheren Einheit auflösen werden, darüber mag der Leser selber nachdenken. Dass es geschehen wird, ist sicher, weil alle drei Bekenntnisse den gleichen Urgrund und Ausgangspunkt haben: den »Gott Israels«, den einzige »wahren Gott« oder, wie wir uns jetzt ausdrücken würden, die einzig vollkommene menschliche Auffassung von einer Tatsache, die weit über menschliches Fassungsvermögen hinausreicht.
Es ist sehr leicht und billig, gegenüber Gott den Mutigen zu spielen. Viele, die es heute tun, sind nicht halb so mutig gegen mächtige Menschen und würden in einer Staatsordnung, die den Atheismus mit harten Strafen belegt, schweigen. Aber man kann ihnen die relative Anerkennung nicht versagen, dass sie ein gewisses Recht haben, sich gegen jede näher definierte Auffassung Gottes zu erheben; denn eine solche wird immer etwas zu Enges und deshalb Irriges an sich tragen. Gott ist ganz gewiss etwas unendlich viel Großartigeres als alle menschlichen »Gottesbegriffe«, die jemals ausgesonnen worden sind.
Wir würden daher heute noch besser tun, unsere ganze Dogmatik oder Philosophie beiseitezuschieben und unsere Kinder einfach zu lehren, an den historischen »Gott Israels« und »Gott Christi« zu glauben. Einen Gott, der sich in tatsächlichen Ereignissen dokumentierte, die schon uralte mächtigste Könige anerkennen mussten, und der sich noch heute ganz gleich fühlbar macht.
Die sittliche Weltordnung beruht, damals wie jetzt, auf Freiwilligkeit. Sie lässt das Böse wie das Gute geschehen, sichert dem Letzteren nur den Sieg, wenn es ganz gut ist, und weiß in der Zwischenzeit das Böse durch Böses zu vernichten, »die Toten durch Tote zu begraben«. Das ist eines solchen, großartigen Gottes allein würdig und mutet manchmal wie eine erhabene Ironie über das verkehrte Wesen und Treiben der kleinen Menschlein an, die meinen, das mit ihrer vergänglichen »Philosophie« oder »Politik« ändern zu können.
Ps 2 1–4 2 Mos 3 6 2 Mos 3 13–16
29. Januar
Nur der innere Mensch in uns, der mit dem äußeren in einer nicht ganz begreiflichen Verbindung steht, kann die Einflüsse Gottes empfangen; auch der Empfang des heiligen Abendmahls wendet sich an ihn, nicht an den äußerlich sichtbaren.
Insofern gingen Luther und Zwingli in ihrem Abendmahlsstreit gar nicht auf die Natur der Sache ein. Luther hatte im Grunde recht, fasste die Sache aber zu grobsinnlich auf. Das Abendmahl hat eine sehr reelle Kraft in sich und ist nicht bloß ein »Zeichen und Sinnbild« oder »Siegel« vergangener Dinge; aber es ist eine geistige Kraft, und sie wendet sich an den geistigen, inneren Menschen; eine Wesensverwandlung außerhalb desselben ist von Christus nie gemeint gewesen. Für den äußeren Menschen bleiben Brot und Wein, was sie naturgemäß sind; für den inneren aber haben sie die Kraft, die geistige Natur Christi mitzuteilen.
Der Wahrheit kommt man näher durch die katholische und lutherische Auffassung als durch die heutige protestantische Betrachtung der Sache, nach der das Abendmal nur eine kirchliche Feierlichkeit ist. Dies ist allzu nüchtern und bietet eigentlich niemandem eine reelle Hilfe.
30. Januar
Liebe ist ein täuschendes oder wenigstens oft nicht durchführbares Wort. Gegenüber den Menschen ist Mitleid das richtige Gefühl, gegenüber Gott Vertrauen und Dankbarkeit. Alle Menschen wirklich lieben zu wollen, das geht einfach nicht und führt nur zu großen Täuschungen und schließlich zu Pessimismus. Aber gegen alle freundlich sein und gegen alle Mitleid, niemals Hass, Furcht oder Zorn empfinden, das kann man. Diejenigen, die sehr viel von »christlicher Liebe« zu sprechen pflegen, können gerade das oft nicht.
Häufiger Verkehr mit Menschen ohne Liebe ist ein Seelenverderb; da ist es besser, wenn es nicht anders geht, den Verkehr zu vermindern oder ganz abzubrechen.
Mangel an Mitleid ist bei Frauen der entscheidende Charakterzug — wo du den bemerkst, hüte dich —, und übermäßige Liebe zu Menschen ist ihr Fallstrick, dem sie am wenigsten entgehen.
31. Januar
Wir müssen ein Glück kennen, auf dieser Welt schon, das stets, unter allen Umständen und für alle zu haben ist und das Herz, mag im Übrigen unser Zustand sein, welcher er wolle, immer mit Freude erfüllen kann. Das zu beschaffen wäre die ideale Aufgabe der Philosophie; sonst hilft sie uns eigentlich wenig mit allen ihren »Systemen«.
Erfahrungsgemäß leistet es nur der Glaube an Gott, die fühlbare Nähe desselben, und daneben eine nützliche Arbeit. Ich wenigstens kenne kein anderes, unfehlbares Mittel, und meines Wissens hat auch bisher noch niemand ein anderes entdeckt.
1 1 Das ptolemäische Weltsystem sah die Erde als Mittelpunkt, um den sich die Sonne und alle Planeten drehen.↩
Februar
1. Februar
Das Verhältnis zu Gott muss von unserer Seite ganz und gar aufrichtig sein. Es verträgt eher große Schwankungen und sogar völlige Untreue, der eine Umkehr folgt, als kühle Gleichgültigkeit oder irgendwelchen Formalismus mit bloßen Pflichtleistungen.
Das ist schon so bei einer wahren menschlichen Freundschaft, die auch nicht durch ein bloßes Pflichtgefühl erhalten wird.
Darin liegt der große Mangel aller heutigen Kirchen. Sie leisten zwar noch immer vieles, was auf keine andere äußere Weise ersetzt werden könnte, aber nicht das Beste und Höchste, was möglich ist.
2.