Robert Louis Stevenson

Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke


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des öffentlichen Vorwurfs bezeichnen.« Der geistig agile Miller witterte bereits, worauf ich hinaus wollte, und beeilte sich, den gleichen Weg einzuschlagen. »Sehr treffend bemerkt, Mr. Balfour,« meinte er. »Ein gewichtiges Argument, Sir.«

      »Dann müssen wir uns auch fragen, ob König Georg damit gedient ist«, fuhr ich fort. »Sheriff Miller scheint sich über diesen Punkt keine weiteren Gedanken zu machen; doch ich zweifle, ob man Seiner Majestät den Boden unter den Füßen wegziehen kann, ohne Seiner Majestät selbst dadurch ein, zwei Schläge zu versetzen, von denen einer oder der andere leicht tödlich sein könnte.« Ich ließ ihnen Zeit zu einer Entgegnung, aber keiner rührte sich. »Bezüglich derer, die durch diese Sache profitieren sollen,« fuhr ich fort, »hat Sheriff Miller eine Reihe von Namen genannt, unter denen er so gütig war, auch meinen anzuführen. Ich hoffe, er wird mir verzeihen, wenn ich gegenteiliger Ansicht bin. Ich glaube, keinerlei Bedenken gezeigt zu haben, als es sich darum handelte, ein Menschenleben zu retten, obwohl ich gestehe, daß ich mein eigenes Leben dabei als stark bedroht empfand. Ich bin aber bereit, zuzugeben, daß ich es für schade halte, wenn ein junger Mann, der selbst die juristische Karriere einzuschlagen gedenkt, sich den Ruf eines aufrührerischen, händelsüchtigen Burschen zuzieht, bevor er noch zwanzig Jahre alt ist. Und was James anbetrifft, so scheint ihm zur Zeit – da das Urteil so gut wie gesprochen ist – keine andere Hoffnung als die Gnade des Königs zu bleiben. Gibt es daher nicht eine Möglichkeit, sich Seiner Majestät in wirksamerer Weise zu nähern, den Ruf dieser hohen Beamten vor der Öffentlichkeit zu schützen und mich selbst einer Lage zu entziehen, die für mich, meiner Meinung nach, den Ruin bedeutet?«

      Alle saßen schweigend da, den Blick auf ihre Gläser gerichtet, und ich sah, meine Haltung war nicht nach ihrem Geschmack. Allein Miller war auch auf diese Eventualität vorbereitet. »Falls mir gestattet ist, unseres jungen Freundes Gedanken eine offizielle Form zu geben,« sagte er, »schlage ich vor, wenn ich ihn recht verstanden habe, daß wir die Tatsachen bezüglich seiner Gefangenhaltung sowie auch einige der wichtigsten Punkte der Zeugenaussage, die er bereit war abzulegen, in einer Denkschrift an die Krone zu Papier zu bringen. Dieser Plan birgt gewisse Elemente des Erfolges. Er wird unserem Klienten so gut (wenn nicht gar besser) helfen als irgendeiner. Vielleicht wird Seine Majestät sogar die Gewogenheit haben, allen denen gegenüber, die an einem derartigen Memorial beteiligt sind, das unschwer zum Ausdruck der taktvollsten Untertanentreue gestaltet werden kann, eine gewisse Dankbarkeit zu bezeugen; ja, ich glaube sogar, dieser Gesichtspunkt läßt sich bei der Abfassung ohne weiteres betonen.« Alle nickten einander, wenn auch nicht ohne Seufzer, zu, denn die frühere Alternative entsprach ohne Zweifel weit mehr ihren Neigungen.

      »Dann darf ich wohl um einen Bogen Papier bitten, Mr. Stuart,« fuhr Miller fort, »ich glaube, die Denkschrift kann in überaus passender Form von den fünf Anwesenden als von den ›Prokuratoren des Verurteilten‹ unterzeichnet werden.« »Jedenfalls kann sie keinem von uns schaden«, bemerkte Coulston mit einem zweiten Seufzer; er hatte sich in den letzten zehn Minuten bereits als Lord Staatsanwalt gesehen. Darauf machten sie sich, wenn auch ohne Begeisterung, ans Werk, das Memorial aufzusetzen – ein Vorgang, bei dem sie sehr bald Feuer fingen, und ich hatte nichts weiter zu tun, als zuzusehen und gelegentlich eine Frage zu beantworten. Das Schriftstück war sehr gut formuliert; es begann mit einer Aufzählung der Tatsachen über mich selbst, der Belohnung, die auf meine Person ausgeschrieben war, meiner freiwilligen Auslieferung, des Drucks, den man auf mich ausgeübt hatte, meiner Gefangenhaltung und meines verspäteten Eintreffens in Inverary, und fuhr dann fort, die Gründe der Loyalität und des öffentlichen Interesses auseinanderzusetzen, aus denen man von jeder Aktion abgesehen hätte. Den Schluß bildete ein beredter Appell an des Königs Gnade zugunsten von James.

      Mir schien, als käme ich dabei ziemlich schlecht weg; als schilderten sie mich eher als einen Heißsporn, der nur mit Mühe durch einen Schwarm Anwälte von radikalen Maßnahmen abgehalten werden könnte. Aber ich ließ das hingehen und schlug nur vor, man möchte angeben, ich sei bereit, vor jeder Untersuchungskommission meine eigenen Aussagen zu machen und mit Hilfe anderer die nötigen Beweise beizubringen, und als einzige Forderung verlangte ich, sofort eine Kopie ausgehändigt zu bekommen.

      Coulston hüstelte und räusperte sich. »Es ist ein streng vertrauliches Dokument«, meinte er.

      »Und meine Stellung zu Prestongrange ist äußerst eigentümlich«, entgegnete ich. »Ohne Frage habe ich bei unserer ersten Unterredung sein Herz gerührt; seither ist er stets mein Freund gewesen. Ohne ihn, meine Herren, wäre ich jetzt tot oder harrte an der Seite des armen James meines Urteils, aus welchem Grunde ich ihm von dem Vorhandensein dieses Memorials zu erzählen wünsche, sobald es abgeschrieben ist. Ihr müßt außerdem bedenken, daß dieser Schritt zu meinem Schutz beitragen wird. Ich habe Feinde, die gewohnt sind, ohne Rücksicht zu handeln: Seine Gnaden hier in seinem eigenen Lande, ihm zur Seite Lovat, und falls an unserem Vorgehen irgend etwas zweifelhaft erscheint, werde ich höchstwahrscheinlich im Gefängnis aufwachen.« Da sie auf diese Erwägungen keine Antwort wußten, erteilten meine versammelten Ratgeber mir endlich notgedrungen ihre Zustimmung; sie stellten mir die eine Bedingung: ich sollte das Schriftstück Prestongrange mit den ausdrücklichsten Komplimenten aller Beteiligten überreichen. Der Lord Staatsanwalt befand sich bei der Tafel im Schloß, zusammen mit Seiner Gnaden. Durch einen von Coulstons Bedienten sandte ich ihm ein Billet, in dem ich ihn um eine Unterredung bat, und erhielt den Bescheid, ihn sogleich in einem Privathaus in der Stadt zu treffen. Hier fand ich ihn allein in einem Zimmer; seinem Gesicht war nichts zu entnehmen; trotzdem war ich weder so blind, im Vorplatz nicht einige Hellebarden zu bemerken, noch so blöde, daß ich daraus nicht gefolgert hätte, er sei bereit, mich auf der Stelle verhaften zu lassen, falls er es für gut hielt.

      »Also da haben wir Euch wieder, Mr. David,« sagte er. »Ja, Mylord, und ich fürchte, ich bin nicht sehr willkommen«, entgegnete ich. »Ehe ich jedoch weiterrede, möchte ich Eurer Lordschaft für Eure wiederholten guten Dienste danken, selbst wenn sie jetzt ein Ende nehmen sollten.« »Ich habe Eure Dankbarkeit bereits früher vernommen,« erwiderte er ein wenig trocken, »ich glaube, das wird kaum der Grund sein, weswegen Ihr mich von meinem Wein abrieft. Auch würde ich an Eurer Stelle bedenken, daß Ihr immer noch auf sehr schwankem Boden steht.« »Im Augenblick, glaube ich, nicht,« meinte ich; »geruhen Euer Lordschaft nur einen einzigen Blick auf dieses Papier zu werfen; ich denke, Ihr werdet dann meiner Meinung sein.« Er las es stirnrunzelnd sorgfältig durch, dann blätterte er zurück und schien einen Teil mit dem anderen zu vergleichen und ihre Wirkung abzuwägen. Sein Gesicht erhellte sich ein wenig. »Es hätte schlimmer sein können,« meinte er, »obwohl es immer noch den Anschein hat, als sollte ich meine Bekanntschaft mit Mr. David Balfour teuer bezahlen.« Noch immer schweiften seine Blicke über das Papier, und seine Stimmung schien sich sichtlich zu heben.

      »Wem habe ich dies zu verdanken?« fragte er nach einer Weile. »Man wird ohne Zweifel auch andere Schritte erörtert haben. Wer schlug diese private Methode vor? War es Miller?«

      »Mylord, ich war es selbst«, antwortete ich. »Jene Herren haben mir gegenüber keine solche Rücksicht gezeigt, daß ich mir das Lob, auf das ich billigerweise Anspruch habe, versagen oder ihnen einen Teil der Verantwortung, die ihnen von Rechts wegen zufällt, zu ersparen brauche. Die nackte Wahrheit ist: alle waren für einen Prozeß, der aufsehenerregende Folgen im Parlamentshaus haben und für sie selbst einen fetten Bissen abgeben sollte (um einen ihrer eigenen Ausdrücke zu gebrauchen). Vor meiner Intervention waren sie, glaube ich, dabei, unter sich die verschiedenen Ämter der Justizverwaltung zu verteilen. Unser Freund, Mr. Simon, sollte auf Grund irgendeines Vergleichs übernommen werden.«

      Prestongrange lächelte. »Das sind nun unsere Freunde«, bemerkte er. »Und was bewog Euch, es abzulehnen, Mr. David?« Ich berichtete ihm ganz offen, schob aber dabei die Bedenken, die Prestongrange selbst betrafen, in den Vordergrund. »Ihr laßt mir dabei nur Gerechtigkeit widerfahren«, sagte er. »Ich habe für Euch so hart gekämpft wie Ihr für mich. Und wie kommt es, daß Ihr heute schon hier seid?« forschte er. »Als der Prozeß sich in die Länge zog, begann ich schon zu befürchten, ich hätte den Spielraum zu knapp bemessen; ich erwartete Euch bereits morgen. Aber gar heute – das habe ich mir nicht träumen lassen.«

      Ich dachte natürlich nicht daran, Andie zu verraten.

      »Ich vermute, Ihr würdet unterwegs einige