Dorothy Ettrich

Eine amerikanische Liebe


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richtig verstanden.

      Paul hielt sich fünf Runden im Sattel, dann hatte der Mustang gewonnen und Paul wurde abgeworfen. Unsanft landete er im Staub und rappelte sich mühsam wieder auf. Er klopfte sich den Dreck ab und ergriff seinen Stetson. Damit winkte er Marie noch einmal zu.

      Wie schön, dachte sie und freute sich. Aber es wäre besser, wenn ich aufstehe, gehe und sofort weiterfahre. Nur warum sollte ich das eigentlich machen? Vielleicht könnten wir sogar noch den Abend zusammen verbringen? Mehr aber nicht! Ich könnte ja das Schicksal entscheiden lassen: Nach dem Rodeo gehe ich und wenn er mich dann doch findet, dann soll es so sein. Sie fühlte sich ein bisschen verzweifelt.

      Marie schaute auch den anderen Teilnehmern gespannt zu. Sie fand ein junges Mädchen, Jessie-Blue Beringer laut Ansage, genauso gut wie den Unbekannten. Sie verstand zwar nichts vom Reiten und von Pferden, aber sie sah schon das große Können des Mädchens. Beneidenswert. Nach der letzten Runde und der Ansage aus dem Lautsprecher, dass das Rodeo beendet war, stand Marie auf und wandte sich, wie alle anderen Besucher, dem Ausgang zu. Der Sieger war ein gewisser Lou Salinger aus Wyoming und er würde auf dem heutigen Ball geehrt werden.

      Inzwischen war ihr Haar aufgelöst und unordentlich. Sie fasste es hinten zusammen und steckte es wieder zu einem Knoten hoch. Die Sonne war immer noch heiß, obwohl es bereits später Nachmittag war. Die Menschen strömten zu ihren Autos und schoben Marie mit in Richtung Parkplatz. Marie sah, dass ein Teil der Zuschauer zu den Pferden ging. Sie sah sich um, ob sie den unbekannten Mann irgendwo entdecken konnte. Nein. Enttäuschung breitete sich in ihr aus. Doch sie versuchte, dieses Gefühl tapfer zu ignorieren, war aber selber erstaunt und auch erschrocken darüber, wie tief diese Enttäuschung ging. Wo war er? Schade, ich hätte ihn gern noch einmal gesehen, dachte sie. Es war wundervoll, in seinen Armen zu liegen. Aber wenn es nicht sein sollte, dann eben nicht. In ihrem Kopf herrschten Aufruhr und Chaos. Sollte sie ihn suchen? Nein, überlegte sie und verbot sich diese Schwäche. Sie hatte zwar gespürt, dass er von ihr genauso fasziniert gewesen war, wie sie von ihm. Aber nun begannen doch Zweifel an ihr zu nagen, denn ihr Selbstbewusstsein war nicht so groß, wie es eigentlich hätte sein können. Im Moment wirkte sie noch hübscher, denn in ihrem Inneren tobte ein Sturm der Gefühle. Also marschierte sie mit entschlossenen Schritten zu ihrem Auto, straffte dabei innerlich ihre Schultern und versuchte, sich den Rodeoreiter aus ihrem Kopf und ihren Gefühlen zu schlagen. Sie begann in ihrer riesengroßen Umhängetasche nach dem Autoschlüssel zu fahnden. Es nervte sie, ständig nach irgendetwas in dieser Tasche zu suchen. Aber es war nun einmal ihre Lieblingstasche und eine Trennung kam nicht in Frage.

      „Hallo, ich hoffe, Sie fanden meinen Ritt nicht zu schlecht“, sagte auf einmal eine bekannte Stimme hinter ihr.

      Marie hielt in der Suche inne, drehte sich überrascht um und konnte nicht ihre Freude verbergen, ihn zu sehen. Sie strahlte ihn an. Paul indes war sich heute schon zum zweiten Mal sicher, dass vor ihm seine zukünftige Frau stand. Sie war einfach zu wundervoll.

      „Oh, nein, Sie waren super. Das Pferd allerdings auch“, lachte Marie.

      Paul hatte sich bereits den Kopf zermartert, was er sagen sollte, wenn er sie wiedersah. Nun gab er sich einen innerlichen Schubs.

      „Ich würde mich sehr, sehr freuen, wenn Sie mich heute Abend auf unseren Rodeoball hier in der Stadt begleiten. Wir könnten ja vorher eine Kleinigkeit essen. Ich hoffe sehr, dass Sie dann noch hier sind“, Paul fühlte sich wie ein Schuljunge, der zum ersten Mal an die Tafel vor die ganze Klasse trat. Er benahm sich wie ein sechzehnjähriger verliebter Teenager. Er verstand nicht, wieso er sich mit seinen sechsunddreißig Jahren dieser Frau gegenüber so unbeholfen vorkam und benahm. Eine schöne Frau zum Abendessen einzuladen, war bisher eine seiner großen Stärken, zumal seine Ausstrahlung und sein Charme gewöhnlich ein Übriges taten.

      Marie lächelte immer noch. Ihr Herz tat einen Sprung. Sie vergaß augenblicklich alle Zweifel und Gedanken an das Weiterfahren.

      „Ja, gerne. Ich wohne bei Mrs. Ella in „Ellas Best“ in der Missionstreet“.

      „Ich kenne Mrs. Ella gut und hole Sie dann dort um heute Abend um halb sieben ab“.

      Marie überlegte, aber erst jetzt begriff sie, dass er das Wort Ball gebraucht hatte. Ihr schoss durch den Kopf, dass sie selbstverständlich kein Ballkleid in ihrer Reisegarderobe hatte. Aber wie hätte sie auch in Deutschland auf den Gedanken kommen können, hier im tiefsten Montana auf einen Rodeoball eingeladen zu werden. Sicher habe ich nun doch zu schnell ja gesagt, dachte sie, aber blamieren will ich mich nicht vor ihm. Doch ich hätte besser überlegen sollen, ob ich diese Einladung überhaupt hätte annehmen sollen. Wo bin ich hier wieder hineingeraten? Doch laut sagte sie: „Ja, schön. Ich bin dann fertig.“ Sie konnte nicht anders, als diesen Mann immerzu anzustrahlen. Sie sah zu ihm auf, direkt in diese sagenhaften blauen Augen und sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde vor Glück und Sehnsucht nach ihm zerfließen. Sie bemühte sich, ihre aufkommenden Zweifel zu verbannen. In ihr rang die Abenteuerlust mit der nötigen Vorsicht.

      Paul stand noch immer vor ihr und hielt ihren Blick fest. Er machte keinerlei Anstalten zu gehen und Marie wartete, ob er ihr noch etwas sagen wollte. Er lächelte sie an: “Prima, ich hole Sie dann ab.“ Paul löste sich von diesen dunkelblauen Augen, auch wenn es ihm schwer fiel und lächelte Marie noch einmal liebevoll an und ging in Richtung Trailer und Pferde zurück. Dann wandte er sich um und winkte ihr zu. Marie sah Paul in der Menge verschwinden.

      Wie ein Fels stand Marie da und hatte sich nicht gerührt und ein Gefühl beherrschte sie, als befände sie sich in einem Traum. Mechanisch hob Marie ihren Arm und winkte Paul zurück. Dann schüttelte sie sich und kramte weiter in ihrer Tasche, bis sich der Autoschlüssel endlich fand. Es war keine Zeit mehr zu verlieren, es war schon spät und sie musste sich noch zurecht machen, beziehungsweise nach einem passablen Kleid suchen. Marie hatte das Gefühl, auf einer Wolke zu schweben.

      Das Geschehen hatten auch andere beobachtet, eine davon war Jessie-Blue. Sie war nach dem Rodeo auf der Suche nach Paul gewesen, denn sie hatte vor, den schwarzen Mustang zu kaufen. Ihrem Vater Charles hatte sie das Pferd bereits abgeschwatzt. Der konnte seinen Töchtern nie etwas abschlagen, seiner jüngsten, jungenhaften Tochter ebenso wenig wie den beiden anderen. Deshalb suchte Jessie Paul nach den Vorführungen. Zuerst war sie zu ihrer ältesten Schwester Sharadon gegangen, weil sie dachte, Paul sei nach seinem Ritt bei ihr. „Hast du Paul gesehen, Sharadon? Ich wollte mit ihm über den schwarzen Mustang sprechen“, fragte sie.

      „Nein, aber was willst denn mit Paul über das Pferd sprechen?“

      „Ich habe Dad gefragt, ob er es mir kaufen würde und er hat ‚ja’ gesagt. Deshalb wollte ich Paul fragen, ob ich es haben kann.“

      „Wenn du das Pferd möchtest, dann kauf es doch. Es gehört ihm doch gar nicht. Nur weil er es geritten hat, heißt das doch noch lange nicht, dass er ein Vorkaufsrecht hat“, entgegnete Sharadon schärfer als beabsichtigt. Sie verstand nicht, warum Jessie-Blue immer so kompliziert und rücksichtsvoll war. Wenn Jessie das Pferd haben wollte, würde Paul sicher nichts dagegen haben. Letztlich blieb es in der Familie, wenn sie, Sharadon, erst seine Frau sein würde. Und die McGreggans hatten wahrlich genug Pferde. Die Frage, ob Paul ein Pferd kaufen wollte oder nicht, interessierte sie nicht wirklich.

      Also lief Jessie-Blue los, um weiter nach Paul zu suchen. Als sie um das Stadion bog, sah sie Paul in der Ferne auf dem Parkplatz vor einer sehr schönen Unbekannten stehen. Jessie ging zwischen den Autos und Menschen näher heran. Sie hatte den Eindruck, dass er dort nicht so selbstsicher stand, wie sie ihn ansonsten kannte. Sie hätte den Mustang dafür gegeben, wenn sie hätte hören können, was die beiden dort besprachen. Dann drehte Paul sich lächelnd um, winkte der dunklen Schönheit noch einmal zu und kam Jessie entgegen.

      Jessie-Blue staunte, als sie dieses entrückte Lächeln in seinem Gesicht sah und blieb wie angewurzelt stehen. Paul entdeckte sie und bahnte sich den Weg zu ihr. Er lächelte immer noch glücklich und Jessie hatte nicht den Eindruck, dass dieses Lächeln für sie bestimmt war.

      „Hey Jessie, was machst du hier? Ich dachte, ihr seid schon weg? Suchst du mich?“, fragte Paul.

      „Oh, ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob du den schwarzen