Dorothy Ettrich

Eine amerikanische Liebe


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für das nette Kompliment“, lachte Marie und blickte zurück zu Bill, der an der Haustür stand.

      „Ja, ja, macht euch alle einen schönen Abend“, sagte Mrs. Ella in die Runde und watschelte in die Küche zurück, gefolgt von ihrem Neffen.

      Paul öffnete die Tür des Pick-ups und half Marie in den Wagen. Sie musste den Sitz eher erklimmen, denn an elegantes Einsteigen war bei ihrer Größe nicht zu denken. Mit einem energischen Raffen ihres Kleides hangelte sie sich hoch und freute sich, als sie endlich saß. Sie fuhren los.

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      Sharadon Beringer war zufrieden. Sie hatte John überredet, sie auf den Ball zu begleiten. Das war nicht sonderlich kompliziert gewesen, da John noch immer hoffte, in ihrem Leben eine größere Rolle zu spielen. Einen kleinen Moment lang hatte Sharadon ein schlechtes Gewissen, diente dieses Manöver doch nur dazu, Paul so eifersüchtig zu machen, dass er ihr endlich einen Heiratsantrag machte. Nach Sharadons Meinung führte an diesem Umstand sowieso kein Weg vorbei. Schließlich waren die Beringers und McGreggans die einflussreichsten Familien im ganzen Tal. Den McGreggans gehörten allerdings noch einige hübsche Ölquellen und damit ein ertragreiches Rohstoffunternehmen in Texas, Houston.

      „Oh, nein, diesen Fisch im Teich schnappt mir keine andere weg“, dachte Sharadon grimmig. Sie hatte bereits das Gerede über eine geheimnisvolle Fremde gehört. Doch von dem Zwiegespräch an Maries Auto hatte ihr Jessie-Blue noch nichts erzählt. Trotzdem brodelten die Thesen, dass es sich um eine wahre Schönheit handeln solle und Paul wohl mit ihr schon Kontakt hatte. Das wäre ja noch schöner, dachte Sharadon, seit Jahren gelte ich als die junge Mrs. McGreggan und jetzt, kurz vor der Ziellinie, kommt diese Fremde daher! Bei diesen Überlegungen angelangt, stellte sie wieder einmal fest, dass sie für den Ball nichts zum Anziehen hatte.

      „Na, was ziehst du an?“, Sabrina, ihre jüngere Schwester stand in der Tür. Über ihren Arm hatte sie vier Ballkleider hängen, “Hilfst du mir bei der Auswahl?“

      „Ja, komm herein, dann können wir gemeinsam überlegen. Ich weiß auch noch nicht, was ich eigentlich anziehen soll“, erklärte Sharadon.

      Sabrina kam in das Zimmer und warf die Ballkleider mit Schwung auf das Bett. Sie setzte sich daneben und betrachtete ihre ältere Schwester. Sabrina wunderte sich, dass Sharadon ihren ganzen Ehrgeiz in diese Heirat mit Paul steckte. Sie selber war froh, fast das ganze Jahr in Spokane zu leben, wo sie an der privaten, katholischen Conzaga University an der School of Law lehrte. Sie war dabei, an ihrer Promotion zu arbeiten. Sharadon wirkte nicht sonderlich glücklich, es geht sicher wieder um Paul, dachte Sabrina. Nun ja, verdenken kann ich es ihr auch nicht, schließlich wartet nahezu das ganze Tal auf eine Märchenhochzeit.

      „Also, mit wem gehst du auf den Ball? Mit Paul?“, fragte sie ihre Schwester. Unbekannte hin oder her, diese Verabredung konnte schließlich schon lange stehen. Und wenn Paul etwas war, dann sehr verlässlich. Sharadon sah ihre jüngere Schwester erstaunt an. Hatte sie noch nichts von dieser Unbekannten gehört? Sicher, Sabrina lebte in ihrer eigenen Welt. Hier, im Tal wohnte sie schon seit ihrem Studium in Barkley nicht mehr, aber sie kam oft zu Besuch, seit sie in Spokane lehrte. Allerdings hatte sie den Mann fürs Leben bisher auch noch nicht gefunden. Na, hoffentlich enden wir nicht alle drei als alte Jungfern.

      „Nein, ich gehe mit John auf den Ball“, erklärte Sharadon. Nun schaute Sabrina ihre Schwester überrascht an. John, der gute, alte John. Ihrer älteren Schwester seit den Kindertagen demütig ergeben und von Sharadon eher benutzt, als geliebt und geachtet. Dabei war John der netteste Mensch, den Sabrina kannte, vielleicht mit der Ausnahme von Billy, aber der war nach der Highschool einfach verschwunden und Mrs. Ella hatte nie verraten, wo er hingegangen war. Sabrina hing einen Augenblick ihrer Schwärmerei für Billy nach. Ach, war sie in ihn verliebt gewesen!

      „Findest du das fair? Ich meine John gegenüber? Er macht sich bestimmt jedes Mal Hoffnungen. So wie auch damals auf der Highschool. Er weiß doch auch, dass du nur Paul willst.“

      „Nein, John freut sich doch, mit mir auf den Ball zu gehen. Außerdem ist er erwachsen und weiß, dass Paul und ich zusammen sind“, entgegnete Sharadon. Aber seit heute war sie in Bezug auf Paul nicht mehr so sicher. John war zwar nur der Notnagel gewesen, aber Paul war nicht zu bewegen gewesen, mit ihr auf den Ball zu gehen. Und zu diesem Zeitpunkt war von dieser Unbekannten noch keine Spur gewesen. Dass er diese Fremde zu dem Ball mitbringen würde, konnte sich Sharadon aber nicht vorstellen. Schließlich war der Ball das gesellschaftliche Ereignis des Jahres im Tal und alle einflussreichen Familien waren dort vertreten. Und es stimmte schon, dass die meisten Verlobungen des Jahres dort verkündet wurden: Begleitung hieß gleich spätere Ehefrau. Deshalb fand es Sharadon noch ärgerlicher, dass sie mit John dort auftauchen musste. Sie wollte zumindest den Zeitpunkt für ihren Aufritt bestimmen und mit Sorgfalt festlegen. Sie griff kurz entschlossen zum Telefon und rief Sean an, Pauls jüngsten Bruder: „Hey, Sean, wann seid ihr auf dem Ball?“, flötete Sharadon in den Hörer; schließlich war auch Sean ein Verehrer, der seit Jahren hingehalten wurde.

      „Warum ist das wichtig? Wir kommen doch jedes Jahr pünktlich zu der Eröffnung. Du kennst doch Pa. Der weicht von seinen Gewohnheiten nicht ab“, wunderte sich Sean über den Anruf.

      „Ach ja, ich weiß, aber es hätte in diesem Jahr doch mal eine Abweichung geben können. Ist Paul auch in eurem Tross?“, fragte Sharadon so beiläufig wie möglich.

      „Nein, Paul ist schon seit einer Stunde unterwegs. Soviel ich weiß, geht er in diesem Jahr gar nicht auf den Ball. Hat er dir das nicht auch beim Rodeo gesagt?“, Sean war erstaunt.

      „Das schon, aber du kennst doch Paul. Er ist oft erst dagegen und dann ändert er seine Meinung. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass deine Mum ohne ihre drei Söhne auf dem Ball erscheint.“

      „Ach Gott, das ist lange her. Das waren doch noch die College-Zeiten. Simon und Alicia konnten ohnehin diesmal nicht aus Boston kommen. Nein, Mum ist es inzwischen egal“, lachte Sean.

      „Okay, dann sehen wir uns ja nachher. Bis später!“. Sharadon beendete abrupt das Telefonat und legte auf, ehe Sean sie nach ihrem Begleiter fragen konnte. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, ich hätte mich mit Sean zu dem Ball verabredet, dachte sie.

      „Und nun?“, Sabrina blickte ihre Schwester fragend an, “Was hat dir das Telefonat eingebracht? Bist du jetzt schlauer in Bezug auf Paul?“

      „Eigentlich nicht, angeblich kommt er nicht. Dann ist es auch ziemlich egal, wann ich erscheine und es reicht, wenn wir mit Dad zur Eröffnung da sind“, sagte Sharadon. Mit John war sie ohnehin so verabredet, dass er sie pünktlich für die Eröffnung abholte. Wo war Paul nur? Und mit wem? Letzteres konnte sie nur vermuten. Aber er schien wohl tatsächlich nicht auf den Ball zu kommen. Sharadon entschied sich für ein meergrünes Ballkleid aus schimmernder Seide, das mit Goldfäden durchwirkt war und ihre goldblonden Locken wunderschön zur Geltung brachte. Das Kleid war schmal geschnitten und betonte ihre schlanke, hochgewachsene Figur und die grünen Augen. Gekonnt unterstrich Sharadon ihre Augenfarbe mit Lidschatten. Zu dem Kleid trug sie passenden Goldschmuck und Seidenschuhe in grün. Ihre Lockenpracht floss offen über den Rücken und sah phantastisch aus.

      Sabrina entschied sich für ein himmelblaues Kleid aus Organza, passend zu ihren hellen, blauen Augen. Das kurze blonde Haar hatte sie mit Gelschaum in Form gebracht.

      Als die Mädchen herunterkamen, wartete Charles bereits im Salon auf seine drei Töchter. Die Jüngste, Jessie-Blue, hatte so lange gebettelt, bis er ihr erlaubt hatte, mit auf den Ball zu gehen. Wie immer hatte Charles seiner Tochter den Wunsch nicht abschlagen können.

      Jessie trug ein schlichtes, tiefblaues, tief ausgeschnittenes Ballkleid, das ihre blauen Augen wunderbar betonte. Ihr blondes Haar hatte sie mit Kämmchen seitlich hochgesteckt.

      Wie auf Kommando führte Christina, die Haushälterin und Köchin der Ranch, John in den Salon. John begrüßte Charles.

      „Hallo, Charles, schön dich zu sehen. Ich habe dich wohl auf dem Rodeo verpasst?“, fragte er und schüttelte Charles die Hand.

      „Nein, ich war in diesem Jahr gar nicht dort. Ich hatte hier