ihn ein wenig über seine eigenen Empfindungen hinweg.
Sharadon blickte Sean an: “Was soll er sie schon gefragt haben? Er kennt sie doch gar nicht. Wo sind eigentlich meine Schwestern? Ich glaube, ich gehe mal zu Dad.“ Sharadon ließ John und Sean und die anderen einfach stehen und bahnte sich den Weg zu Charles. Auch Jessie und Sabrina bahnten sich den Weg durch die Tanzenden, um zu ihrem Vater zu gelangen. Sie hatten ihre Tanzpartner ebenfalls freundlich, aber bestimmt stehen lassen. Auch sie ahnten, dass hier etwas Interessantes vorging, wobei Jessie-Blue ein wenig mehr vermutete, als ihre beiden Schwestern.
„Dad, trinkst du mit deinen Töchtern ein Bier?“, fragte Sabrina fröhlich, um die Anspannung zu überbrücken, die sich über die kleine Gruppe der Beringers und McGreggans gelegt hatte. Sean war Sharadon gefolgt, denn er wollte sich das Zusammentreffen seines Bruders mit seinen Eltern nicht entgehen lassen.
Paul und Marie bekamen von all dem nichts mit. Sie tanzten verliebt und unbeirrt den Wiener Walzer zu Ende, jeder mit seinen Gedanken über den anderen beschäftigt. Dann lachten sie sich an und klatschten, wie auch die anderen Tänzer, der Kapelle Beifall.
„Lass uns etwas trinken und zu meinen Eltern gehen. Dann kannst du sie auch ein wenig kennenlernen und meinen jüngsten Bruder Sean auch.“
„Ja, eine gute Idee, ich sterbe fast vor Durst“, Marie. Sie ließ sich von Paul von der Tanzfläche führen. Als sie bei den Clans ankamen, blickten ihnen viele interessierte und fragende Augenpaare entgegen.
„Darf ich euch meine künftige Frau vorstellen? Marie hat zwar noch nicht ja gesagt, aber ich bin sicher, es dauert nicht mehr lange“, strahlte Paul seine Eltern an. Matt wäre fast das Bierglas aus den Händen gefallen. Charles verschluckte sich und prustete los. Sharadon griff Sean fest am Arm. Nur Sabrina und Jessie- Blue lächelten erfreut und wünschten Paul und Marie augenblicklich alles Gute.
„Was?“, rief Charles, nachdem er sich von seinem Hustenanfall erholt hatte, “Das darf doch nicht wahr sein! Ich kann es nicht fassen! Du willst eine völlig Fremde heiraten!“, sein Gesicht war zornesrot und er steigerte sich in seine Wut hinein.
„Beruhige dich“, unterbrach ihn Matt, “Wir sind genauso überrascht wie du“. Charles war sein bester Freund und er wollte auf keinen Fall, dass diese alte Freundschaft durch das Manöver seines Ältesten litt. Überhaupt, was dachte sich der Junge? Sicher, dieses Mädchen war unwahrscheinlich schön und das schlichte schwarze Kleid unterstrich ihr Äußeres auf das Angenehmste und zeugte von gutem Geschmack, aber so nicht, dachte Matt erbost.
Ivy schwieg und betrachtete die junge Frau aus Deutschland. Sie wirkte natürlich und sympathisch, schien keinerlei Allüren zu haben und sah in ihrem Kleid einfach wundervoll aus. Die großen blauen Augen beherrschten das feine ovale Gesicht. Ihr dunkles Haar schimmerte kupfern und die junge Frau blickte offen und interessiert in die Welt. Lachfältchen um ihre Augen verrieten einen humorvollen Menschen. Ivy war neugierig, wie die junge Dame diese völlig absurde Situation meistern würde. Ihr Paul, den sie über alles liebte, war aber auch unmöglich! Wie konnte er nur so eine Situation heraufbeschwören? Die Freundschaft mit den Beringers aufs Spiel setzen? Sicher, sie hatte oft überlegt, ob Sharadon auf die Ranch passte, sie war eigenwillig und Ivy hatte sich oft gefragt, ob Sharadon Paul oder das Vermögen der McGreggans heiraten wollte, aber reich waren die Beringers selber.
Sean drängte sich nach vorne und umarmte Marie intensiv. „Ich wünsche euch alles Gute und heiße meine Schwägerin in spe herzlich willkommen“; dabei blickte er sie intensiv an. Marie fand die Umarmung etwas unbrüderlich und die Blicke zu heißblütig, um sie zu ignorieren.
Oh je, das ist ja alles interessant. Erst der Antrag, dann die geballte Macht der Familie und zu guter Letzt der Bruder. Laut sagte sie: “Noch ist es nicht soweit. Ich fühle mich durch den Antrag geehrt, aber auch ein wenig überfordert. Freue mich aber über die guten Wünsche. Vielen Dank.“
Sie versuchte ein Lächeln, ihr waren die Reaktionen der anderen, besonders die der schönen goldblonden Frau nicht entgangen. Ein Gefühl sagte ihr, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
„Wir haben noch genug Gelegenheit, miteinander zu sprechen, jetzt möchte ich mit Marie tanzen und diesen Ball mit ihr genießen“, Paul wandte sich der Tanzfläche zu, Marie in seinem Arm.
Kaum waren die beiden außerhalb der Hörweite, platzte es aus Sharadon heraus und sie schimpfte los: „Wo kommt diese Person her? Ich glaube es einfach nicht! Dass Paul diese wildfremde Frau gefragt hat, ob sie ihn heiraten will. Wir wissen doch noch nicht einmal, was sie macht, wo sie herkommt? Pah, irgendwo aus Europa!“
Matt und Ivy waren immer noch sprachlos.
„Sie ist sehr schön“, sagte Sean, „Ich bin gespannt, was Simon dazu sagen wird. Noch hat sie nicht ja gesagt. Los, Sharadon, noch hast du die Schlacht nicht verloren, nur ein Gefecht.“ Während Sean spöttisch zu Sharadon sprach, ließ er Marie nicht aus den Augen.
Er hatte bereits vergessen, dass er eigentlich immer ein Auge auf Sharadon geworfen hatte, aber sein Bruder bisher unverrückbar dazwischen gestanden hatte. Plötzlich hatte die Situation sich verändert!
Diese Fremde war durch ihre nette und charmante Art viel attraktiver als Sharadon. Aber auch hier stand Paul wieder zwischen ihm und einer schönen Frau. Sean beschloss, seinen Bruder bei dem nächsten Tanz abzulösen, um selber mit Marie zu tanzen, er wollte sie noch einmal in seinen Armen halten. Er schaute noch einmal in die Runde und drängte sich in Richtung Tanzfläche.
„Sharadon, Sabrina, Jessie, lasst uns nach Hause fahren. Matt, ich hoffe, du bringst Paul zur Vernunft. Es wäre schade, wenn unsere Jahrzehnte alte Freundschaft auf diese Weise enden würde“, erklärte Charles. Er war immer noch erschüttert.
„Aber Charles, nun dramatisiere diese Situation doch bitte nicht. Paul hat sich augenscheinlich in das Mädchen verliebt. Was sollen Ivy und ich denn machen? Paul ist erwachsen. Er wird sicher nach der ersten Verliebtheit erkennen, dass diese Heirat keine Zukunft haben wird und sich dann deiner Tochter erklären. Ivy was meinst du dazu?“, sagte Matt, nun auch aufgebracht über seinen alten Freund. Aus dem Miteinander der Kinder, das sich jetzt schon jahrelang in einem ständigen Auf und Ab bewegte, eine Frage der Freundschaft zwischen den Familien zu machen, fand Matt übertrieben.
Ivy lenkte begütigend ein: „Wir sollten die Situation nicht überbewerten, Charles. Bei deinem Zorn auf Paul, vergiss bitte nicht, dass die junge Dame noch nicht ja zu Pauls Antrag gesagt hat. Ich glaube schon, dass sie weiß, was sie will. Ich bin mir gar nicht sicher, ob sie Paul wirklich heiraten wird. Deshalb, Charles, beruhige dich. Auch du, Sharadon, solltest gelassen bleiben, auch wenn der Auftritt der beiden heute Abend einen Affront für dich bedeutet“. Bei sich dachte sie, dass es Sharadon auch einmal ganz gut tat, etwas zurecht gerückt zu werden, auch wenn dazu erst eine junge Frau aus dem fernen Deutschland kommen musste und ihr Ältester dies ziemlich gefühllos gegenüber Sharadon getan hatte.
Doch Sharadon hörte gar nicht mehr zu. Sie hatte sich bereits abgewandt und ging zum Saalausgang, nicht ohne einen zornigen Blick in Richtung Paul und Marie zu werfen. Charles folgte ihr, aber Sabrina und Jessie-Blue dachten nicht im Traum daran, den Ball zu verlassen. Sie hatten nichts zu dem Vorgang außer guten Wünschen gesagt. Jessie-Blue dachte, das war es also! Wer hätte gedacht, dass es ein weibliches Wesen geben könnte, das ihre schöne und stolze Schwester bei dem tollsten Mann im Tal ausstechen würde. Fast tat ihr Sharadon schon leid.
Sabrina dachte an John und sah die Sache gelassen. Jetzt hielt sie nach ihm Ausschau, bahnte sich einen Weg durch die Menge und sah John bei anderen jungen Gästen am Fenster stehen. Sie bemerkte, dass viele Freunde und Nachbarn den Zwischenfall mitbekommen hatten und war schon gespannt auf den nun unweigerlich folgenden Klatsch in den nächsten Tagen und Wochen. Sie beschloss, den Abend mit dem lieben und gutmütigen John zu beenden, denn natürlich hatte ihre Schwester keinen Gedanken daran verschwendet, wie John sich fühlen musste, wenn sie beleidigt den Ball vorzeitig verlassen würde. Eben typisch Sharadon.
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Paul verließ mit Marie gegen Mitternacht den Ball. Marie hatte sich während des ganzen Abends nicht